Die "Neusten Nachrichten" schwärmen von Rheinbergers "Wallenstein-Symphonie," die am 2. Abonnementskonzert vorgeführt wurde.


Zeitungsartikel der "Neusten Nachrichten"
26. November 1866, München


Das 2. Abonnementskonzert führte Rheinberger's 'Wallensteinsinfonie' vor. Wir haben schon lange keine Novität mehr gehört, welche an Ernst und Würde, an Inhaltsfülle und Formvollendung dieser gleich käme. Nobel in der Erfindung, voll lebhafter Phantasie, äusserst gewandt im Ausdruck, in den Kombinationen ungemein interessant, bauen sich, die Handlung der Trilogie zum Grundton nehmend, die vier Sätze vor unserer Seele auf, welche von der Musik ganz gefangen gehalten wird und es entsteht ein Bild, anmuthig und hinreissend in den Details, bedeutend, ja gewaltig im Ganzen; ein grosser, das entschiedene Talent bekundender Zug geht durch die Komposition.
Rheinberger nahm sich Beethoven's ewig geltende Sinfonien zum Muster und an ihrem königlich-prächtigen Bau lernte er die Schönheiten der Konstruktion kennen und anwenden. Die Instrumente und ihre Klangwirkung weiss er wohl zu berechnen, er kennt genau ihr individuelles Leben und das Ohr fühlt sich darum, obgleich zuweilen grosse Tonmassen aufgeboten werden, nirgend beleidigt, nirgends betäubt: überall findet es Klangfülle und Klangschönheit, überall Klarheit und Entschiedenheit im Ausdruck dessen, was der Komponist gewollt. Nicht leicht haben wir einen so in sich fertigen, gewaltigen ersten Satz, der ganz treffend Wallenstein's energischen Charakter darstellt, gehört wie ihn diese Sinfonie vorführte. Im dritten Satz, wo der Tondichter das Soldaten-Leben im Wallenstein'schen Lager zeichnete und somit das Possenhafte verführerisch nahe lag, leistete er, was wir hoch anschlagen, auf jede Karikatur Verzicht und sein sprudelnder, geistvoller Humor verirrte sich nirgends in eine Plattheit: das Scherzo ist eine reiche Fundgrube der reizendsten Details.
Wollten wir Klage erheben, so wäre sie gegen die übermässige Länge des vierten Satzes gerichtet, der nimmer genau im architektonischen Verhältnis zu seinen Vorgängern steht. Wir denken, die musikalische Schönheit und ihr Effekt liesse sich da durch Kürzung noch wesentlich steigern.
Das zahlreiche Publikum nahm das bedeutende Werk nach Gebühr äusserst freundlich auf und auch wir gratulieren dem reichbegabten Komponisten von Herzen zu dem gehabten Erfolg.

Das Orchester, unter des Komponisten Direktion, war ein ganz vortrefflicher Interpret der Tondichtung.

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