Brief an seinen Bruder David
31. Juli 1866, München
Lieber Bruder David!
Heute früh, eben mit Einpacken beschäftigt, erhielt ich Deine lieben Zeilen, welche ich lieber noch von hier, als von Bad Kreuth, wohin ich morgen abreise, aus beantworte. Letzte Woche liess ich mich von Prof. Buhl, dem berühmten Diagnostiker untersuchen; er fand meine vorzweijährige Brustfellentzündung sehr schön geheilt und schreibt meinen Husten nur einer zurückgebliebenen Reizbarkeit der rechten Lunge zu, welche sich durch eine vierwöchentliche Molkenkur in Kreuth vollständig heben lassen werde. Da Kreuth die besten Molken habe, so bestand er darauf, dass ich dorthin gehe. Mein Urlaub lautet vom ersten bis zum 28. August, und so gehe ich also morgen von hier fort, und werde leider heuer verzichten müssen, Euch zu sehen. Mit Fideris [1] wird es nichts werden; mein Geldbeutel wird an einem Badeort genug geschröpft werden - wie erst, wenn noch ein 'Schwizer=Fränklisuger' [2] dazu käme! Da ich noch zu packen und einzukaufen habe, so musst Du die Kürze meines heutigen Briefes schon entschuldigen. Von Kreuth aus ein Mehreres. Den lieben Eltern, dem Matscherle, Toni Lisi und der Frau Schwägerin schöne Grüsse.
Dein Bruder
Josef Rheinberger.
Meine Adresse: J. Rheinberger
Bad Kreuth bei Tegernsee
post restante.
M. d. 31.17. 66.
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[1] Fideris = Ortschaft im Prättigau (Graubünden)
[2] "Schwizer-Franklisuger" = mundartlich: Schweizer-Frankensauger, bier etwa im Sinne von Wucherer.