J.G. Rheinberger erzählt seinen Eltern von seinen Beschäftigungen, und dass er als Solo-Repetitor an dem Hoftheater antreten wird, womöglich er seine jetzige Stelle an dem Conservatorium verlassen würde.


Brief an die Eltern
20. November 1864, München
 

In den hiesigen musikalischen Verhältnissen hat sich gar manches geändert. Hauser ist pensionirt, sein Nachfolger noch nicht ernannt. - Nächsten Cäcilientag wird das Conservatorium eine Messe von mir aufführen - ebenso kommt im Laufe der Adventzeit die Ouverture meiner Oper in einem Academieconcerte zur Aufführung; auch in dem nähsten Oratorienvereinsconcerte werde ich mein grosses Stabat mater selbst dirigiren etc. - so geht doch etwas vor sich.

Im Dezember soll ich Solo-Repetitor vom Hoftheater werden, als welcher ich dann mit den Solo-Opernsängern die Proben zu halten haben werde. Da diese Stelle etwas besser ist, als meine jetzige am Conservatorium, so werde ich, falls mir die Aufbesserung der Letztern verweigert würde, meine Entlassung vom Conservatorium nehmen. Das Ganze ist übrigens noch in der Schwebe; lassen sich aber beide Stellen zu circa 1000 fl vereinigen, so kann ich dann das Privatlehren aufgeben.

Letzthin las ich wiederholt in den Blättern, dass Liechtenstein österreichisch werden müsse; hoffentlich ist es aber nicht wahr. Hat man vielleicht in Vaduz nähere Spuren?

Peter bitte ich zu sagen: dass ich mich nach der englischen Lebensversicherung von Gresham genau erkundigte, und sie sich als sehr wenig solid auswies - jede deutsche soll besser sein. Schafhäutl, der alle herzlichst grüssen lässt, versprach mir nächste Tage Auskunft über die Ertel-schen Instrumente. Hat Peter seine Kleider erhalten? Da nach der Schweiz keine Postnachnahme ist, so habe ich den Schneider mit 17 fl 15 xer östr. W. berichtigt.

Die Herreise von Vaduz war nicht ganz angenehm, da die Rorschacher Schwindler von Schiffseigenthümern uns mit so vielen andern von dem Postschiff abhielten und auf den ehemaligen 'Ludwig' hineinschwätzten, der dann natürlich viel zu spät zu dem Lindauer Courierzug ankam und nur fünf Stunden Aufenthalt in Lindau verursachte. Diese Schweizer-Betrügerei wird in Rorschach geduldet, obschon der ganze Seekreis davon weiss.

Wie ist heuer der Wein ausgefallen? Können die Blechiers jetzt meinen Marsch splelen?

Hoffentlich sind alle zu Hause wohl, und so schliesse ich. mit den besten Grüssen von Maly und mir,

Theuerster Vater!

als Ihr dankbarster Sohn

G. J. Rheinberger.

München, 20.11.64.

Theuerster Vater! Gerne hätte ich Ihnen zu Ihrem glücklich zurückgelegten fünfundsiebzigsten Namens- und Geburtsfeste brieflich Glück gewünscht - aber jenes traf mich eben in einem solchen Strudel von Arbeit, dass mir meine gute Absicht nicht gelang. Sie wissen aber ohnediess, dass Niemand an Ihrem Wohlergehen lebhaftere Theilnahme empfinden kann, als ich wie jedes Ihrer Kinder; und so war es mir doppelt erfreulich, nach meiner Rückkehr hieher aus Schafhäutls Munde zu vernehmen, dass Ihre einfache und herzliche Art ihm so sympathisch war. Mit meiner Gesundheit macht sich's nun ganz gut, so dass ich gottlob die Aussicht habe, ohne irgend einen 'Rest' davonzukommen; während den Ferien hatte ich noch nicht diese Hoffnung, was meine trübe damalige Laune und Stimmung entschuldigen mag.

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