J.G. Rheinberger berichtet, dass ihm nach seiner Beförderung zum Kompsitionslehrer 100 fl Gehaltsverbesserung versprochen wurden. Mali verbessert ihre Kochkünste und ist sparsam.


Brief an die Eltern
13. Mai 1860, München

Theuerster Vater!

Meinem Versprechen gemäss nehme ich die Feder zur Hand, Ihnen noch vor Mitte Mai zu schreiben. Das einzige Erwähnenswerte jedoch ist, dass ich seit ersten Mai, dem Jahrestag meiner Anstellung nicht mehr Klavier-, sondern Compositionslehrer am Conservatorium bin, was früher die Stellung des Hr. Julius Maier war. Hr. Director Hauser wünschte, dass ich die frühere Klavierlehrerstelle dazu beibehalten sollte und stellte in diesem Sinne einen Antrag beim Ministerium; letzteres aber hatte schon längst einen Candidaten für eine Clavierprofessur, welcher dann für mich eingeschoben wurde. Weiteres mündlich; genug, ich kam desswegen bei Cultusminister v. Zwehl um Audienz ein, in welcher mir 100 fl Gehaltserhöhung zugesichert wurde; den betreffenden Erlass erwarte ich täglich. Meine Clavierschüler, hauptsächlich Schülerinnen, (!!!) waren von diesem meinem Wechsel unangenehm überrascht. Mein jetziges Fach ist weit schwieriger, aber auch rühmlicher und interessanter; es kann in jeder Beziehung als Avancement gelten. Mein langes Stillschweigen erklärt sich daraus, weil ich, seit einem Monat darüber im Ungewissen, nicht eher an Sie, Bester Vater! schreiben wollte, bis ich wusste, woran ich war.

Peters Brief wurde durch Lehrer Oehry überbracht. Das Vergnügen, Letzteren zu sehen, war leider nur Mali, nicht mir auch gegönnt.
Prof. Maiers wohnen jetzt so weit von uns weg, dass wir nur selten sie sehen können. Mali ist pudelwohl und brav, besonders seitdem sie eine neue Sommermantille bekam. Heute erhielten wir den von Hanni angedrohten Brief; er ist gewiss gut gemeint, aber - wie Hanni selbst. Nun noch einiges über unsere kleine Haushaltung. Mali lernt immer besser kochen, ohne für die Küche besonders viel Geld zu brauchen; sie braucht im Durchschnitt einen Gulden per Tag, da wir äusserst wenig Bier consumieren. Kleidung und Wohnung kommen im Jahr bedeutend höher als Nahrung zu stehen.
Unsere Hausleute zeigen sich besonders gegen Mali äusserst charmant. Das Haus ist immer gesperrt, also verhältnismässig ruhig und sicher.
Ich hoffe, theuerste Eltern! dass dieser Brief Sie in bestem Wohlsein treffe, was mir selbst in zwei Monaten vergönnt sein möge. An Toni und David besonders viele Grüsse; (wenn mir nur mein starker Briefwechsel mit diesen zwei Brüdern keine Hühneraugen an der rechten Hand verursacht!) Peter, Lisi, Seffa und Mutter lasse ich tausendmal grüssen.
Indem ich hoffe, dass Sie mich baldigst mit einem Brief erfreuen, verbleibe ich wie immer, Theuerster Vater!

Ihr dankbarster Sohn
G. J. Rheinberger.

München, 13.5.60.
Blumenstrasse 16/2.

(Mali behauptet, die Mutter habe den Gugelhupf für unsere Rückkehr jetzt schon gebacken; ist das wahr?)

München, 13. Mai 1860

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