Brief an seinen Bruder Peter
24. April 1860, München
Lieber Bruder!
Auf Deinen letzten Brief hin bestellte ich sogleich einen 'schwarzen Rock beim Bock' Riehle.
Derselbe wird nun schon seit einigen Tagen in Sevelen [1] der Erlösung harren. Er kostete 21 fl - welche ich dem Bock bezahlte; ich hoffe, dass er (nämlich der Rock, nicht der Bock) nach Deinem Wunsche ausgefallen sein wird.
Letzten Donnerstag besuchte mich zu meiner Überraschung Hr. Lieutenant Menzinger. -
Mali war über Ostern in Türkenfeld. Die Schwester des Hr. Pf. Wolfinger kam mit Mali zurück nach München; sie musste sich wegen einer Augenoperation acht Tage lang hier aufhalten.
Neues sehr wenig; Mali wird mehr geschrieben haben, denn sie schreibt schon seit mehr als einer Woche an dem Brief an Lisi. Gestern sagte es: 'Wenn nur der Peter mir weder an Stotza schecka thät!' [2]
Wir wohnen seit 12. März in der Blumenstrasse [3] und sind bisher ausnehmend zufrieden mit Wohnung und Hausleuten. Doch nun fallt es mir ein, dass es doch etwas Neues gibt: 'Krenkl', der Erzengel aller Grobiane, ist gestern gestorben. R. I. P. (Es dämmert nun so stark, dass ich fast Nichts mehr sehe, desshalb schliesse ich.)
Den l. Vater lasse ich grüssen, wahrscheinlich werde ich ihm in den ersten Maitagen schreiben.
Grüsse an Mutter, Seffa [4], David und Toni, vor Allem aber an Dich
von Deinem Dich liebenden Bruder
G. J. Rheinberger.
München den 24.4.60.
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[1] Sevelen = Ortschaft im Kanton St. Gallen (Schweiz) liegt auf der linken Rheinseite gegenüber von Vaduz. - Die Eisenbahnlinie Rorschach - Chur war 1858 eröffnet worden, während die Konzession für die Linie Feldkirch - Buchs erst 1870 erteilt wurde. Die Paket- wie die Reisepost ging deshalb bedeutend rascher über Rorschach als über Feldkirch.
[2] "... an Sotza schecka thät" = ein grosses Stück schicken würde" (mundartlich)
[3] Rh. bezog damals in der BLumenstrasse 16, II eine neue Wohnung.
[4] Seffa = Rh's Schwester Josefa