Josef G. Rheinberger schickt seinem Bruder Anton die bestellten Buchbinderstempel zum Aufdrucken von Goldverzierungen. Zu seiner Sonate op. III fehlt nur noch der Schlusssatz und er hat eine Mottete komponiert.


Brief Josef G. Rheinberger an seinen Bruder Anton
o. O. [vermutlich München]


den 8ten Nov. 1853
Lieber Anton!
Endlich bekam ich die Fileten, die Du Dir gewünscht - auch die Stempel, welche, wie ich glaube, gut gravirt sind. Alles mitsammen kostet 12 fl 33+er - wie Du aus der Rechnung ersehen wirst. Die Fileten schickte ich auch heute fort - aber nach Sevelen, lauten St. Gallen im Rheinthal - an Hr. Peter Rheinberger, post restande.
Weil nun die Fileten bezahlt sind, dichtete ich mir ein Lied, das wahrscheinlich so heisst:
'Ach liebes Goldbeutelein,
Warum so klein,
Warum denn gleich
so mager sein?!
Ach liebes Buchbinderlein,
Erbarm Dich mein
      "      "        " !’

Doch muss ich Dir sagen, dass es hier sehr kalt ist - den ganzen Tag liegt der Nebel so dicht, dass man oft Tags Licht brauchen könnt. -
Mein Paletot ist nun schon abgeschossen, zu klein und die Trauben waren gut - die 'hen mer gschmeckt'[1].-
Die hiesigen Trauben werden erst um Heiligdreikönig reif. -
Meine Messe gab ich Hr. Prof. Schafhäutl an seinem Namenstag - er hatte eine ungemeine Freude.
Zu meiner Sonate op. III fehlt nur noch der Schlusssatz, welcher aber noch bisschen braucht. Dann habe ich noch eine Mottete gemacht, welche Hr. Prof. Maier korrigirte, und wenn sie in den Proben gefällt, an dem Namenstage des Hr. Directors aufgeführt. -
Hr. Falk spielt gewiss die Orgel immer noch meisterhaft, ich werde nächstens ihm u. seinem Chore eine Messe widmen, welche er mit oder ohne Register spielen kann, - doch die Trauben waren gut u. das Papier wird gar - grüss mir die lieben Eltern herzlich u. ich verbleibe
Ihr dankbarster Sohn
Joseph Rheinberger, Director des Moz.V.
NB. Notabene. Dem Mali schicke ich sein Stück, wenn es mir geschrieben hat.

Lieber Toni!
Ich schreibe Dir nochmal diesen Monat, aber Du musst auch schreiben!

Nachschrift: Grüss mir die Mutter u. ich lass ihr vielmals danken für die Trauben u. die 2 Nuss u. die dürre Zwetschk."

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[1] die 'hen mer gschmeckt' = die haben mir gut gemundet (Mundart)