Brief Josef G. Rheinberger an seinen Vater Johann Peter Rheinberger
5 & 7. April 1859,
Theuerster Vater!
Die letzten Briefe von Vaduz (von Lisi und Mali) haben mich sehr gefreut, besonders durch die Nachricht meiner Befreiung vom Militär. Auch war ich sehr froh zu vernehmen, dass dieselbe unter den Bauern zu keinem missgünstigen Geschwätz veranlasste, wie es sonst bei solchen Gelgenheiten bei uns zu Hause der Fall ist.
Hr. Pfarrer Wolfinger von Türkenfeld lässt Alle, besonders aber Sie, Bester Vater! herzlichst grüssen. Er besuchte mich Mittwoch den 16. März und hat mich am Anfange, (wahrscheinlich wegen meinem grandiosen Schnurr- und Backenbarte) kaum erkannt. Er erzählte mir viel von seinen, seit 2 Jahren durchgemachten, schweren Krankheiten, und dass er Sehnsucht habe, seine alten Tage im Liechtensteinischen zu verleben. Nur seine Verwandten in Balzers schrecken ihn davon ab. Übrigens macht er noch gern Spass, und ist wieder so lustig, als je. Den Peter und Hr. Pf. Wolfinger lässt er hauptsächlich grüssen.
den 5.4.59.
Gestern (Montag) erhielt Ich von Peter einen Brief, woraus ich ersah, dass er wahrscheinlich nach Vaduz und nicht nach Chur übersiedelt; was Ihnen, Bester Vater! weit lieber zu sein scheint.
den 7.4.59.
Heute endlich werde ich den längst angefangenen Brief fertig schreiben können, indem ich Hausarrest habe. Mein linker Fuss schmerzt mich so, dass ich gar nicht ausgehen kann. Seit Jahren wohl das erstemal, dass ich einen ganzen Tag nicht ausgehe. Doch nichts Schlechtes ohne Gutes: nun habe ich doch einmal einen vollen Tag zum ruhigen Componiren.
Verleger Peters in Leipzig [1] hat ein Heft Clavierstücke von meiner Composition zum Drucke angenommen; wir wollen sehen, wie lang er dazu braucht, um es erscheinen zu lassen.
Im nächsten Oratorienvereinsconcert wird ein 6stimmiger Chor von mir gesungen werden.
Sonst weiss ich nichts Neues.
Hier ist das Frühjahr wunderschön, gewiss bei uns auch.
Wann kommt der junge Fürst nach Liechtenstein? Hört man gar nichts von ihm. Die Huldigung muss mir dann der David in einem 6 Ellen langen Briefe beschreiben; auch das Gepränge und die Gewänder: vom Durchlauchtigsten Rocke an bis zu Davids Frackschössen herunter. Ferners auch die Anrede stenografiren, welche der Triesnerberger Gemeindevorstand an seine Durchlaucht halten wird.
Wie geht es der lieben Mutter? Von ihr höre ich gar nichts rnehr. Befolazgrütza! Indem ich hoffe, dass mein Brief Sie, Beste Eltern! in erwünschtem Wohlsein treffe, verbleibe ich wie immer Ihr dankschuldiger Sohn
G.J. Rheinberger.
München, 7.4.59.
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[1] Verleger Peters in Leipzig... = 1859 erschienen bei C.F.Peters in Leipzig Rheinbergers "Vier Klavierstücke" op. 1, Herrn Emil Leonhard gewidmet. Mit diesen ersten gedruckten Kompositionen beginnt der Komponist eine neue Zählung seiner Werke.