Brief Josef G. Rheinberger an seinen Bruder Anton
2. Oktober 1858, München
Abends 9 Uhr
Lieber an Ton!
Da wir zwei gute, ehrliche, deutsche Michel sind, welche auch ihr Wort halten, so will ich unsere heurige Correspondenz mit einem langweiligen Briefe beginnen.
Hr: Vetter Oberförsterloilzschauer und Herr Adjunkt werden Euch schon gesagt haben, dass ich alles grüssen lasse und mich wohl im bayrischen Bierdampfnudelvaterland befinde; dass wir die siebenhundertjährigeStadtmünchensgründungsjubiläumsfestzugsfeierlichkeiten mitangesehen; es sind und waren zu dieser und der Oktoberfestfeierlichkeit eine solche Masse Menschen hier, wie sie München noch nie gesehen.
So war es für mich ein äusserst angenehmer Contrast, aus dem todten, langweiligen Vaduz in dieses Menschengewühl so "plötzlich" ("spornstreichs" würde Hr: Amtschr. Falk sagen) versetzt zu werden - doch bin ich jetzt froh, dass die Zahl der Fremden wieder in Abnahme begriffen ist - well Alles aus dem alten Geleise war.
Hr: Oberförstervetterloizlschauer wird Dir den R =Stempel bereits gegeben haben - Du kannst ja zum Beweis dessselben Deinen nächsten, an mich gerichteten Brief damit siegeln. Ein Stempel nach Deinem Wunsche in A.R. =Form war leider nicht zu haben. In den Glückshafen habe ich letzten Sonntag 6mal (die Hr: Vaduzer waren Zeugen) und gestern 4mal vergeblich gesetzt. Schoner und Rehster aber gewonnen.
Ich hoffe, dass Üar, Getrewester Bruader! nur noch in diesem Weinmonate, (in München sind alle Monate Biermonate) noch Nachricht geben werde, wie, ob, alsdann, bsunderbaar und wunderbar, und wann und wie der Peter in Vaduz eingerücket, mit seinem riesigen Heerhaufen gar männiglich exerciret, und hernachen wieder von dannnen gefahren - wie Oberbürgermeister Marxer gar päpstlich Hochzeit gehalten, und wie Üar Zimmer und Atelier durch den Michel austapeziret worden ist, und ob Üar Euch wohl befindet.
Diess wünscht zu wissen Üar Liebden trewester Gebrüader und Citherspielergehilfe
Josefusgabrielisrheinberger
bsun = der = bar [1] !
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[1] bsun = der = bar = bsunderbar (sonderbar)