Zeitungsberichte: Rezensionen über Konzerte vom Oratorien-Verein, Concert des Herrn Christian Seidel.


Niederrheinische Musikzeitung
Januar 1857


Der Oratorien-Verein hat in einem kleinen Concerte am 29. Dezember v.J. die jüngst erlittene Niederlage wieder vergessen zu machen gesucht, und es war uns recht erfreulich, unsere Ansicht bestätigt zu hören, dass mit den vorhandenen Kräften etwas Gutes geleistet werden kann. Der Vortrag eines Madrigals von John Bennett, eines geistlichen Liedes von Eccard und das "Ave verum" von Mozart war recht brav; auch einige Quartette von Hauptmann, Mendelssohn und J. Maier gingen schön; nur die Wahl der Stücke, welche etwas sehr bunt war, konnten wir nicht ganz billigen: uns will bedünken, ein Oratorien-Verein solle sich ausschliesslich der ernstesten Musikrichtung zuwenden. Derselbe Verein wiederholte am Sylvester-Abend in der Bonifacius-Kirche das Dettinger "Te Deum" von Händel, dessen unglückliche erste Aufführung wir neulich rügen mussten. Die Chöre waren dieses Mal besser einstudirt und klangen gut; aber den Uebelständen in der Instrumentation war nicht abgeholfen. Trompete und Contrabass tanzten nach wie vor ihren "Pas de deux", und die armen Solo-oboen waren sehr ergötzlich anzuhören...

Ebenso kritisch lässt sich der Rezensent über ein Konzert vernehmen, bei welchem Rheinberger selbst als Komponist zu Wort kam. [Wanger/Irmen]

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"Mit dieser zweiten Soiree collidirte ein Concert des Herrn Christian Seidel,der sich vorgenonunen hat, das münchener Publikum mit neueren, bedeutenden Compositionen bekannt zu machen. Es wäre das ein vortreffliches Unternehmen wenn es ordentlich angefasst würde. Da wir in der Lauterbach-Wüllner'- schen Soiree waren, so konnten wir uns nicht von der Leistungsfähigkeit des Herrn Seidel und seines Orchesters überzeugen. Sein Programm aber entsprach weder seinen Versprechungen, noch unseren Erwartungen. Er brachte allerdings neuere Compositionen, d.h. eine Ouvertüre von sich und eine von einem anderen hiesigen, recht talentvollen, jungen Componisten, Herrn Rheinberger, ausserdem aber eine bunte Zusammenstellung von Namen, wie Donizetti, Servais u.s.w. Wenn Herr Seidel in diesern Geiste fortfährt, so lässt sich seinem Unternehmen kein günstiges Prognostikon stellen….

Fr. Ihlau schreibt über den Konzertgeber: [Wanger/Irmen]

"Christian Seidel ist die eigenartigste Erscheinung unter allen Künstlern jener Zeit. Seine Bemühungen sollten allerdings besonders in der ersten Zeit (Frühjahr 1857) der Verwirklichung seines Planes nicht restlos anerkannt werden…… Immerhin hatte Chr. Seidel Aufmerksamkeit erregt. Eine lebhafte Reklame der "Neuesten Nachrichten" veranlasste einen zahlreichen Besuch des dritten Konzerts. Nach der beliebten Haydn-Sinfonie in G-dur brachte das Orchester ausschliesslich Werke einheimischer Tondichter, und zwar von Ortner und Rheinberger, der schon damals grosses Anfsehen erregte und ausserordentlich gelobt wurde, Seidel und den bisher unbekannten Komponisten Ludwig."

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