Brief Josef G. Rheinberger an seinen Vater
1. März 1857, München
Theuerster Vater!
Obschon ich eigentlich wenig oder nichts Neues zu schreiben weiss, so weiss ich nichts destoweniger viel zu fragen, wenn anders etwas Wichtiges darunter ist.
I Ist Herr Wagus schon in Vaduz gewesen?
II Hat Peter meinen Brief erhalten?
III Hat Hr: Tichy die gewünschten Blechpatronen, und Toni mit denselben die Fileten erhalten?
IV Hat der Toni seine Lettern mit Schriftkasten erhalten?
Theuerster Vater! meinem Versprechen gemäss, werde ich im Laufe dieses Monats meine Fiesko=Ouverture aufführen, und zwar 2mal. Einmal im Privatmusikvereine und einmal in einem neugegründeten Orchestre=Vereine, dessen Director, Herr Seidel, ein guter Freund von mir ist. Für den Beifall will ich gutstehen, wenn die Aufführung entsprechend ist.
Auch habe ich im Sinne, im philharmonischen Verein einmal als Klavierspieler aufzutreten, und zwar mit einer schon fertigen Concert=Sonate; jedoch weil die Sache noch nicht bestimmt ist, so habe ich noch niemand etwas davon gesagt. Vor den hiesigen Pianisten scheue ich mich, beiläufig gesagt, durchaus nicht. Die Herren Maier und Schafhäutl lassen Sie schön grüssen, sowie auch den Peter.
Seitdem ich wieder hier bin, habe ich schon vieles componirt, um für Alles gerüstet zu sein.
Von Hr. Prof. Herzog babe ich letzthin einen Brief erhalten. Die erste Aufführung meiner Ouverture wird, wenn kein Hinderniss eintritt, am 15ten sein. Gleich nach der Aufführung werde ich Ihnen, Bester Vater! berichten.
Der Winter ist heuer wunderschön; ich habe seit November den Regenschirm nur an zwei Tagen gebraucht.
Sind Sie, Theuerste Eltern! immer wohl? indem ich diess hoffe verbleibe ich auf immer Ihr dankbarster Sohn
Jos. Rheinberger
München, den 1.3.57.
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