Brief Julius Maier an Josef G. Rheinberger
12. September 1856, München
Lieber Joseph!
Ich würde Ihr freundliches Schreiben v.25.v.M. sogleich beantwortet haben, hätte ich damals nicht sicher geglaubt, Herrn von Perfall bald hier sehen und sprechen zu können. Ich habe ihn inzwischen 2mal vergeblich aufgesucht und muss Ihnen nun doch zu Ihrer Beruhigung schreiben.
Ihre Vernehmung, dass Sie bei täglich 2 Privatlectionen mit dem Oratorienvereins=Gehalte sich durchbringen könnten, halte ich für richtig. Wenn Sie nun meinen, es würde die Habhaftwerdung von je 2 täglichen Unterrichtsstunden schwer halten, so mögen Sie auch hierin für den Anfang Recht haben. Es ist aber eine alte Erfahrung, dass wenn ein angehender Lehrer, falls er mit Sachkenntniss und innerem Eifer versehen ist, nur erst einige Stunden hat, dann bald deren mehrere bekommt. Dazu gehört nun vor allem ., dass er sich darum bewirbt und möglichst bekannt giebt, dass er die Absicht habe, Privatunterricht zu ertheilen, nicht aber zuwartet, ob und wieviele Stunden ein gütiges Geschick ihm zuwendet. Ich sollte nun meinen, dass Sie, falls die Herren Böhm, Schafhäutl, Perfall etc. um Ihre specielle Verwendung angegangen würden, falls überdiess die Herren Berthold und Pentenrieder von Ihrem Vorhaben in Kenntniss gesetzt werden, dann doch per Tag zwei Unterrichtsstunden erhalten würden. Ich selbst glaubte Ihnen durch Vermittelung des Hr.Heuchemer wenn auch nicht anfangs, so doch im Laufe des Schuljahres Privatstunden verschaffen zu können, da Hr. Heuchemer schon eine Reihe von ihm angebotener Privatstunden bisher, ohne Jemanden an seine Stelle zu empfehlen, zurückweisen musste und, wie ich als wahrscheinlich glaube, gern geneigt sein wird, Sie für derartige Fälle zu empfehlen.
Von vornherein lässt sich mehr nicht sagen. Sie müssten eben in Gottes Namen vor Allem hier anwesend sein u. zwar am zweckmässigsten so von Ende oder Mitte October an, dann muss es sich zeigen, wieviele Schüler sich an Sie adressiren. Ende dieses Monats etwa wird Hr. Schafhäutl zurückkehren, mit welchem ich über Ihre Angelegenheit sprechen werde, so dass ich dann Ihnen oder vielmehr Ihrem Herrn Vater in der ersten Woche des Octobers Weiteres in dieser Sache werde mittheilen können. Das Ihnen von Frankfurt aus zugeschickte Zeugniss ist sehr schätzenswerth. Durch einen Brief von Hr. Hauptmann ist mir ausser Zweifel, dass er derjenige Preisrichter war, welcher sich für Ihre Arbeiten entschieden hat.
Dass Sie fleissig gearbeitet haben freut mich, ich war davon aber ohnehin überzeugt. Bringen Sie seiner Zeit nur recht viel mit hierher!
Den beabsichtigten Besuch in Vaduz konnten wir leider nicht machen, da mich ein in Meran vorgefundener Brief eilig nach Constanz rief.
Nun empfehlen Sie mich allen den Ihrigen und seien Sie herzlichst gegrüsst von
Ihrem treuergebenen
Julius Maier
München 12. Sept. 1856.
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