Josef G. Rheinberger schreibt seinem Bruder gereimt Ungereimtes.


Brief Josef G. Rheinberger an Bruder Anton
31. Mai 1856, München


Mein lieber Tone!
Sieh! ohne
Auch nur einen Brief von
Dir abzuwarten, schreib' ich Dir schon!
Verdient das nicht 50 Prügel
Mit einem Ochsen=Striegel?
Ich dhua d'r schrieba, welle nut wäss [1],
(Im Monat Mai ist's förchtig häss)
Desswegen schreib ich Dir in Hemd=
Ärmel, ohne dass i mi hätt gschämt
Vor Dir. Mündlich will ich Dir dann mehr noch sagen,
Du sollst nicht über Mangel an Neuigkeiten klagen.
(Sieh, ich gehöre auch zu dem Gelichter
Schlechter Wasser=Dichter).
Weiss schon:
Später mehr davon!
Jetzt bitt i um Pardo,
ich muass uf an -- go!
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Jetzt bin ich schon wieder da,
Foha mer weeder vo forna a [2]!
Wie geht Deine Buchbinderei,
Tragts' viele Batzen [3] ei?
Bist Du immer gesund
Gewesen – und
Ist d'Mutter schö,
dhua'ts viel Kriasi ge?
Git's Öpfl i der Esla?
(Jetz han i müasa bschnesla!)
I ha denkt an a guata Schnopftabak,
und ha net amol a Prisle im Sak,
(well i säga) i der Böx,
ja, do ist o nix!---
Jetzt will i Dir a Gschechtle verzella [4]!

Einmal sind zwei Handwerksburschen nach Türkenfeld gekommen und haben dort einen Balzner getroffen, welcher sie nicht kannte. (Dia Gschecht ist wohr [5]!)
Der Balzner hat geglaubt, es seien 2 Herren aus München.
Er hat nicht glauben wollen, dass sie schon in Liechtenstein gewesen seien:
Balzner: Jo, wenn lar scho z'Liachtaschtä gse sind, so duan der Nama von a ma Liachtaschtäner sega.
I. Handwerksbursch: Der Rentmeister!
Balzner: Jo, das isch an grossa Ma, der dhuat ma öberal kenna.

II. Handwerksbursch: Der Balzner Müller!

Balzner: Jo, das hat ne der Pfarrer gset!

I. Handwerksbursch: Aber dr Egidi z Balzers met sina Koga!

Balzner: Jez glob is aber, dass er düart gse sind;
aber mine Herra! Sind sie net d'Rempmästers Buaba?
I han is doch grad am Modl a kennt.

Dia Gschecht is wohr [6],
schreib mir bald, mein lieber Bruder,
Euer Hochwohlgeborn
inalleruntherthänigkeitganzergebenster Diener
Jos. Rheinberger
München 31.5.56

P. Peter erwartet, dass man ihm das Geld schicke, welches die Eschner bezahlen sollen.

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[1] Ich dhua dr schrieba... = Ich schreibe Dir, weil ich nichts weiss, (im Monat Mai ist es fürchterlich heiss)
[2] Foha mer weeder vo forna a = fangen wir wieder von vorn an.
[3] Batzen = Geldstücke
[4] ist d'Mutter schö...= ist die Mutter schön, gibt es viele Kirschen? Gibt es Aepfel in der Esla (=Isla, Flurnamen in Vaduz)? (Nun musste ich niessen.') Ich habe an einen guten Schnupftabak gedacht, dabei habe ich nicht einmal eine kleine Prise in meiner Tasche, (ich wollte sagen) in der Dose, ja, da ist auch nichts--- Jetzt will ich Dir eine kleine Geschichte erzählen!
[5] (Dia Gschecht ist wohr!) = Diese Geschichte ist wahr!
[6] Uebertragung: Balzner: Ja, wenn Sie schon in Liechtenstein waren, dann sagen Sie mir doch den Namen eines Liechtensteiners.
1. Handwerksbursch: Der Rentmeister
Balzner: Ja, das ist ein grosser (-berühmter) Mann, den kennt man überall.
II. Handwerksbursch: Der Balzner Müller
Balzner: Ja, das hat Euch der Pfarrer gesagt!
I. Handwerksbursch: Aber der Egidi (=Egidius) in Balzers mit seinen Koga (-mundartlich derb für unfolgsame Haustiere, auch Kinder)
Balzner: Jetzt glaube ich aber, dass Ihr dort wart, aber meine Herren Seid Ihr denn nicht die Söhne des Rentmeisters? Ich habe Euch doch an Eurem Aussehen erkannt.
Diese Geschichte ist wahr...