Josef G. Rheinberger erzählt vom grossen Erfolg der Aufführung vom Streichquintett in D-dur.,im Privat-Musikverein erfolgten Erstaufführung seiner I. Sinfonie.


Brief Josef G. Rheinberger an seinen Vater
16. September 1855, München


Theuerster Vater!

Ihrem Wunsche gemäss beeile ich mich, sogleich nach der Aufführung meiner Symphonia zu schreiben. Als die Probe (Letzten Freitag) war, bekam ich wohl etwas Angst: nicht wegen der Symphonie, sondern wegen den Musikern, welche gewöhnlich die Werke jüngerer Compositeurs nicht gern und auch schlecht spielen; als sie aber das Werk in der Probe kennengelernt, spielten sie mit Eifer und Liebe; schon in der Probe klatschten mir die Musiker zu, als ich dirigierte. Gestern holte ich mir vom Kleiderverleiher einen passenden Ballanzug, der mir ausgezeichnet gut stand, und begab mich in den Concertsaal "zur Tonhalle". Als es nun halb 8 Uhr war und der ganze Saal voll Leute, sprang ich voll Freude auf die Erhöhung, wo das Dirigentenpult steht, machte dem Publico eine Verbeugung und fing an. Es ist ein erhebender Gedanke, so an der Spitze von 80 Musikern zu sein, wenn sie alle auf das Zeichen zum Anfangen warten. Nun, alles ging gut, nach jedem der 4 Sätze stieg der Beifall und zuletzt wurde ich, weiss Gott wie oft, gerufen: mit dem Orchestre bin ich sehr zufrieden. Ich versichere Sie aber, Theuerster Vater! dass ich. bei der Aufführung nicht eine Spur von Angst hatte, denn ich war meiner Sache gewiss, was mir Herr Schafhäutl sagte, welcher die grösste Freude hatte, mich. als Dirigent und Componist zugleich auftreten zu sehen. Ala ich nun nach der Symphonie, welche 3/4 Stunden dauerte, zu den Zuhörern herabkam, drängte alles zu mir, um mir zu gratulieren, Bekannte und Unbekannte; besonders das Adagio entzückte Alles; es hätte mich aber noch mehr erfreut, wenn Sie, Theuerster, bester Vater! anwesend gewesen wären. Hr. Schafhäutl hörte ich hernach zu einem andern Professor sagen, es sei dies ein Werk, wie es nicht ein Knabe, sondern ein Mann von 30 Jahren mache. Dieses Urtheil freute mich am meisten. Auch Hr. Herzog war anwesend. - Ich danke Gott, dass alles so gut gegangen. -
Gestern erhielt ich einen Brief von Hr. Pfarrer Wolfinger: er schreibt: zwei Balzner Studenten Nigg seien bei ihm gewesen.-
Er selbst ist gesund und freut sich auf Peters Ankunft. Peter soll vorerst nur bei Perstenfelds seine Wohnung nehmen. Das Zimmer wird schon renovirt - und gefallt es ihm nicht da, so können wir dann noch immer ausziehn. - Peters Brief hat mich wirklich aufs Angenehmste Uberrascht und ich freue mich ungeheuer auf seine Ankunft. -
Hr. Prof. Maier ist noch in Karlsruhe und war leider an einer Lungenentzündung krank; jetzt soll es besser sein. Ich konnte seine Adresse nicht bekommen, sonst hätte ich ihm geschrieben. - Herrn Salis meine Empfehlungen und es sei schade, dass er gestern nicht anwesend gewesen. -
Und nun, Theuerste Eltern! leben Sie wohl, grüssen Sie mir die lieben Geschwister, ich verbleibe Ihr dankschuldiger Sohn
Jos. Rheinberger
München, 16.9.55.

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