Brief Joh. Ev. Perstenfeld an Johann Peter Rheinberger
15. März 1855, München
Euer Hochwohlgeboren!
Nach mehrmonatlichern Stillschweigen erlaube ich mir, dasselbe zu unterbrechen, und Euer Hochwohlgeboren mit diesen Zeilen zu behelligen. Dass in Ihrer Familie Alles im besten Wohlseyn sich befindet, hat mir Pepi schon gerneldet, und ich danke Ihnen für die herzlichen Grüsse, die Sie mir durch denselben mitbringen liessen. -
Auch in unserer Familie ist - Gott sey es gedankt, Alles sehr gesund, und ich habe Ihnen herzliche Grüsse an Sie und die Ihrigen von meiner Frau und meinem Ludwig entgegen zu biethen. -
So viel ich wahrnehme., wird Pepi's Aufenthalt in München nicht mehr von sehr langer Dauer seyn, und ich denke daher jetzt schon mit bangem Herzen an die Scheidestunde, wo ich diesen mir so lieb gewordenen Sohn - denn als solcher galt er in unserer Familie - verlieren soll. Er ist mit den zunehmenden Jahren liebenswürdiger geworden, und sein edles Herz spiegelt sich in seinem Äusseren, sein Charakter ist fest, sein Benehmen äusserst solid, sein ganzes Wesen flösst Zuneigung und Wohlwollen auf seine Umgebung ein.
Wenn es nicht Sünde wäre, so würde ich Sie um das Glück, einen solchen Sohn zu besitzen, beneiden.
Dass er eine Zierde - ja vielleicht der Glanzpunkt Ihrer Familie wird, ist fast ausser allem Zweifel, denn sein Name wird vielleicht bei der Nachwelt so ehrenvoll klingen, wie die Harmonien, die sein junger schöpferischer Geist schafft. Die Verehrung, die ihm hier durch ausgezeichnete Männer gezollt wird, ist mir Bürgschaft für den eben ausgesprochenen Satz, und Sie werden einst an meine Worte denken, wenn auch durch die Länge der Zeit mein Name anfängt sich in Ihrem Gedächtnisse zu verwischen. -
Uns wird sein vierjähriger Aufenthalt in unserer Mitte unvergesslich bleiben, und ich habe den sehnlichsten Wunsch, wieder - nach seiner dereinstigen Abreise - einen jungen Menschen zu bekommen, der ihm doch nur einigermassen gleicht.
Haben Sie vielleicht in der Folge einmal Gelegenheit, mir einen Knaben oder Jüngling, der aber katholisch seyn muss, zukommandiren zu können, so wird es mich recht freuen; ich habe gerne junge Leute um mich, die Kopf und Herz auf dem rechten Fleck haben.
Freilich müsste es ein ganz gut erzogener Junge seyn, damit er es auch behaglich bei uns finden kann; denn ein Schwindler: würde es bei uns nicht aushalten können, dem wäre es zu langweilig. In den langen Winterabenden z.B. wird zur Erhebung aus irgend einem guten Buche vorgelesen, und an Sonn- und Feyertagen Nachmittags begnügt man sich mit einem Spaziergange auf ein nahegelegenes Dorf. Kameradschaften werden in der Regel nicht, sondern nur ausnahmsweise geduldet, wenn nämlich unzweideutige Beweise von Rechtschaffenheit vorhanden sind. -
Das Honorar richtet sich nach den Zeitverhältnissen. Es wird mir sehr angenehm seyn, wenn Sie mich mit einem Briefe beehren, und in Erwartung dessen empfehle ich mich mit der vollkommensten Hochachtung,
und nenne mich
Euer Hochwohlgeboren! ergebensten Freund
Joh. Ev. Perstenfeld
München, den 15ten März 1855.
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