Joh. Perstenfeld schreibt, dass ihm der junge Jos. Rheinberger Sorge bereite, weil er sich mit einem 19jährigen Frauenzimmer angefreundet habe und ständig mit dieser zweifelhaften Person zusammen sei.


Brief Joh. an J.P. Rheinberger
30. Dezember 1852, München


Euer Hochwohlgeboren!
Der herannahende Jahreswechsel legt mir die angenehme Pflicht auf, Ihnen für die erwiesenen Gefälligkeiten des vergangenen Jahres herzlichen Dank abzustatten und Ihnen ein recht gesegnetes neues Jahr zu wünschen. Ernpfangen Sie und Ihr ganzes Haus meine herzlichen Glücks- und Segenswünsche zum neuen Jahre und seyen Sie überzeugt, dass dieselben im Gefühle der reinsten christlichen Nächstenliebe ihren Grund haben. –
Es thut mir zwar sehr leid, dass ich nicht ungetrübt und rein diesen Boten der Segenswünsche Ihnen absenden kann - leider habe ich demselben einige Klagen mitzugeben, durch welche die Neujahrsfreude in Ihrem Vaterherzen etwas gestört werden wird. -
Pepi hat sich gewaltig verändert; er fängt an stolz, zurückhaltend, im höchsten Grade misstrauisch zu werden. Einen grossen Theil der Schuld dieses Missverhältnisses trägt der Umstand, dass er einem Frauenzimmer von 19 Jahren [1], welches bei uns wohnt, Unterricht in der französischen Sprache gibt, wofür er 1 fl 30 xer per Monat empfängt. -
Diese Person hat sich so in sein Herz einzuschleichen gewusst und streut ihm so viel Weihrauch in ihren Lobeserhebungen, dass uns der Knabe ganz entfremdet wurde. - Beide nisten den ganzen Tag zusammen, und wo eines ist, ist auch das Andere; ist sie nicht zu Hause, so hat er auch Gänge zu machen. -
Ich kann erst nicht viel einwirken, denn die Weibsperson kann ich erst im Monate März aus dem Hause entfernen, vielleicht - wenn es mir möglich wird, im Februar, und so müssen wir uns viel ärgern. Diese Person ist erst fast zu fürchten, denn sie hat eine böse schlüpfrige Zunge, und ich habe mich schon überzeugt, dass sie die Nebenmenschen unbarmherzig durchhechelt. Allein, was will ich hier machen, wollte ich ihr gleich aufkünden, so verliere ich zwey Monatsgelder; und da ich mich ohnediess hart thue, so bin ich rathlos. -
Diess der Wahrheit zum Zeugniss. Übrigens - was nämlich das Conservatorium anbetrifft, ist Alles in der schönsten Ordnung, und Pepi ist bei den Professoren sehr beliebt, weil er eminente Fortschritte macht. -
Indem ich Sie ersuche, über eben erwähnte Verhältnisse mir klugen Rath zu ertheilen, wie wir dieses Missverhältniss zerstreuen können, verbleibe ich
Euer Hochwohlgeboren!
ergebenster Diener
Joh. Ev. Perstenfeld, Magistratsfunktionär

München, den 30ten Dezember 1852

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[1] Jos. Rheinberger schilderte diese Beziehung seiner Frau Fanny Rheinberger. Dort wird der Vorname der Frau - Felicia - genannt. Vgl. Wanger/Irmen, Bd. 1, S. 92 ff.