Einen Monat nach Semesterbeginn schreibt Jos. Rheinberger, wie er in München angekommen ist und dass er Orgelunterricht bekomme.


Brief Jos. Rheinberger an die Eltern


München, 29.10.1852
Theuerste Eltern!
Nun ist bereits wieder ein Monat verflossen, seitdem ich von Ihnen fort bin, und verging mir die Zeit sehr schnell - ich will Ihnen nun in Kürze erzählen, wie es mir in dieser Zeit ergangen:

Hr. Fetz wird Ihnen die Reise beschrieben haben u. hat Ihnen gewiss auch gesagt, dass ich nicht Abschied von Ihm nehmen konnte. Nämlich an dem Tage, als er verreiste, hatten wir im Conservatorium eine kleine Prüfung zu bestehen, bei welcher wir auch unserm Clavierlehrer vorgestellt wurden. Seit meiner Anwesenheit bei Ihnen wurde vieles geändert, so zum B. müssen alle Wochen einmal alle Conservatoristen zusammen kommen, wobei unter der Leitung des Hr. Direktor's Ensemble-Übungen abgehalten werden. -
Hr. Direktor Hauser veranstaltete letzten Montag ein Concert, wo jedoch nur Gesang für Violin und Violoncello, - unter andern erschien auch dabei König Ludwig u. Königin Therese, Prinz u. Prinzessin Luitpold. - Alles war mit der Leistung vollkommen zufrieden, besonders König Ludwig; - durch dieses Concert hat das Conservatorium viel gewonnen. Es werden im Laufe dieses Jahres noch 3 Concerte von den Zöglingen gegeben. -
Meine Orgelstunden nehmen ihren erfreulichen Fortgang, da ich wöchentlich 3 Orgelstunden habe, wodurch meine Zeit ganz ausgefüllt wird. Herr Pfarrer Wolfinger besuchte mich vor 14 Tagen u. sagte, dass es ihn kränke, dass Hr. Fetz ihn nicht besucht. Dass auch Hr. Lampert mich mit einem Besuch erfreut, werden Sie auch wissen. - Warum schreibt mir der Peter nicht? Was macht der Toni? Treibt er noch wacker die Buchbinderei? Das Heft, das er mir gemacht, ist schon mehr als halb voll Orgelstücke.
Grüsst mir den David u. auch alle andern Geschwisterten u. vorzüglich die liebe Mutter.
Ich verbleibe Ihr dankbarster Sohn
Joseph Rheinberger

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