Der Amtsbote Johann Rheinberger äussert sich kritisch über die absolutistischen Reformen in Liechtenstein.


Auszug aus dem politischen Tagebuch des im Jahr 1828 zu Vaduz verstorbenen Amtsbothen Johann Rheinberger.[1] [2]
o.D. [ca. 1810], Fragment

1.) Das souveraine Fürstenthum Liechtenstein besteht aus den zwei uralten Graf- und Herrschaften Vaduz und Schellenberg, deren erste Besitzer — in wie weit zurück gesehen werden mag — schon Anfangs des 14. ten Jahrhunderts die Grafen von Wertenberg und Freiherrn von Schellenberg waren. Im Jahre 1466 kamen sie pfandweise an die Grafen von Brandis und wurden nach der Ledigsagung der schweizerischen Eidgenossenschaft im Jahre 1499 in den Reichsverband- aufgenommen. Im Jahr 1507 kamen selbe durch Heurath an die Grafen von Sulz, von diesen im Jahr 1613 durch Kauf um die Summe von 200/m Gulden an die Grafen von Hohen-Ems und endlich von diesen die Herrschaft Schellenberg im Jahr 1699 um 150/m — und die Herrschaft Vaduz im Jahr 1712 um 250/m — Gulden an den durchlauchtigsten Fürsten Johann Adam Andrä von Liechtenstein.

2.) Schon in eben diesem Jahr 1712 kamen diese zwei Herrschaften durch Testament an den minderjährigen Prinzen Joseph Wenzel Laurenz Liechtenstein, welcher sie nach erlangter Grossjährigkeit im Jahr 1718 an seinen Schwiegervater Anton Florian von Liechtenstein gegen die Herrschaft Rumburg vertauschte.

Unter der Regierung dieses Fürsten wurden diese zwei Herrschaften dem fürstlichen Majorate — oder wie sich dort ausgedrückt wurde, «dem Liechtenstein'schen Herzogenhut als ein unablösliches höchst schätzbares Kleinod incorporirt» und von Kaiser Karl dem VI. im Jahr 1719 zu einem neuen Fürstenthum erhoben und dem Besitzer desselben im Jahr 1723 Sitz und Stimme im Fürstenrathe oder Reichsversammlung zu Regensburg verliehen.

Dem Fürsten Anton Florian folgten in der Regierung im Jahr 1721 Johann Adam, diesem im Jahr 1732 Johann Nepomuk Karl, diesem im Jahr 1748 Johann Wenzel Laurenz, diesem im Jahr …. Joseph Alois und endlich diesem im Jahr 1805 der nunmehrig regierende Fürst Johann Joseph von Liechtenstein.

3.) Nach dem vorliegenden sulzischen Urbario stand einem jeweiligen Besitzer dieser zwei Herrschaften — wie sich in selbem ausgedrückt wird — «alle hohe und niedere Obrigkeit samt dazu gehörigen Hochgericht, Strafen und Freveln wie sie genant werden mögen» zu.

Daher werden auch in diesem Urbarium alle Hochheitsgefälle, selbst Steuer und Schnitzgelder neben den würklichen Rentgefällen als ein Eigentum bezeichnet. Jedoch war die Steuer bestimmt, und durfte die Summe von 174 Pfund oder 201 fl. 39 Kr. nicht überschreiten. Selbst das sogenannte Schnitzgeld wurde in der bestimmten Summe von 1’276 fl. 26 Kr. laut Vertrag mit Graf Kaspar von Hohenems vom Jahr 1614 gegen dem abgeführt, dass die Unterthanen mit Entrichtung dieses Pauschale aller Anlagen des römischen Reichs enthoben werden wollen.

4.) Rücksichtlich der Gerichtsverwaltung spricht sich das Urbarium folgend aus: «Die Besatzung Ammann und Gerichts, allda schlägt die Herrschaft der Gemeind 3 Mann für, aus denen erwählen sie die Amen mit dem Mehr». Ferner: «Von wellichem Gericht die Appellation vor der Herrschaft Hofgericht gehörig».

Nach der uralten und durch Urkunden bewiesen vorliegenden Prax wurden die Richter; in den betreffenden Gemeinden, deren in einer jeden der zwei Herrschaften 12 bestanden, auf die oben bezeichnete Art vorgeschlagen und gewählt. Aus ihrer Mitte wurden sodann, und zwar in jeder Herrschaft abermal 3 zum Landammannamt vorgeschlagen, aus welchen sich dann das sämtliche Volk durch Stimmenmehrheit den Landammann auf zwei Jahre wählte. Es bestund sohin ein Landammann mit elf Richtern und für beide Herrschaften ein Landschreiber, welcher von der Herrschaft bestellt und salarirt wurde. Vor welches Forum alle Gerichtszweige gehörten.

Als zweite Instanz wurde von eben diesem Gerichte alle Früh- und Spätjahr das sogenannte Zeitgericht durch 8 Tage unter dem Vorsitze des Landammannes abgehalten. Und von diesem Gerichte stand den Parteyen der letzte Schritt vor der Herrschaft Hofgericht offen.

Das Protokoll führte in jedem vorkommenden Falle der Landschreiber. Auch wurden von selbem alle gerichtlichen Urkunden ausgefertigt und vom Landammann mit seinem Familieninsiegel, welches jedoch in der Umschrift seinen Namen und Charakter bezeichnen musste, besiegelt. Zur Exekution wurde der Landweibel verwendet.

Mit diesen Rechten und Freiheiten wurden die zwei Herrschaften Vaduz und Schellenberg von den Grafen von Brandis an die Grafen von Sulz, von diesen an die Grafen von Hohenems und endlich von diesen an das durchlauchtigste Haus von Liechtenstein abgetretten. Diese Freiheiten verwahrte sich das Volk in öffentlicher Rede durch den Landammann Basillius Hop von Balzers und auf Grundlage dieser Verwahrung legte es am 9 ten Juni 1712 dem durchlauchtigsten Fürsten Johann Adam von Liechtenstein den Huldigungseid ab.

5. ) Bis zum Jahre 1718, als dem Zeitpunkt, wo der Fürst Anton Florian von Liechtenstein die Regierung antrat, blieben die Unterthanen in ihren alten Rechten und Freiheiten ganz ungekränkt. In diesem Jahre aber musste es das Volk zum erstenmal fühlen, was es heisst, einem Fürsten anzugehören, der das Staatsruder wegen Mangel örtlicher Kenntnisse fremden Händen anvertrauen muss. Herr Hofrath und Kassadirektor von Harprecht wurde als Übernahms-Commissär hieher abgeordnet und nachdem er den Unterthanen im Namen des Fürsten den Huldigungseid abgenommen, wurde mit der neuen Staatsorganisation angefangen.

Der Vertrag rücksichtlich der Vertrettung der Reichsanlagen gegen den Pauschalbetrag von 1’276 fl. 26 Kr. — obschon erst noch im Jahr 1688 neuerlich und auf immerwährende Zeiten bestättigt — wurde als unstatthaft aufgehoben, die Gerichtsverwaltung dem Volke abgenommen, sohin das Landammannamt rücksichtlich richterlicher Gewalt cassirt und demselben blos der leere Titl belassen. Dagegen wurde das fürstliche Oberamt als erste und der fürstliche Thron als zweite und letzte richterliche Instanz eingesetzt. Mehrere althergebrachte, durch theures Geld erworbene Rechte und Freiheiten — wenn auch der rechtliche Erwerb derselben durch Siegel und Briefe erwiesen vorlag — wurden den- Unterthanen auf Grundlage des von obengedachten ersten liechtensteinischen politischen Staatsreformators Herrn von Harprecht abgegebenen Reverats, aus Fürstenmacht abgesprochen.

6.) Zwar wollten sich die Unterthanen diese neue, sie aller Freiheiten beraubende Staatsorganisation nicht so leichthin gefallen lassen. Herr Landammann Basilius Hop von Balzers recurirte im Namen des Volkes an den römischen Kaiser als Reichsoberhaupt, durch welchen Rekurs von dem Reichshofkammergericht auf einen Vergleich angetragen wurde, welcher aber nicht zu Stande kam.

7.) Die Unordnungen welche durch diesen Vorgang nothwendig entstehen mussten, lassen sich leicht denken. Nur Hr. Landammann Basillius Hop von Balzers und Hr. Landammann Thomas Walser von Vaduz, welche einen grossen Einfluss auf das Volk hatten, waren im Stande, dasselbe von grösseren Excessen hindan zu halten. Nachdem aber ersterer gestorben und dem leztern auch nach Verfluss mehrerer Jahre es nicht gelingen wollte, durch Vermittlungen die Sache zu einem gewünschten Ende zu führen, brach auch würklich im Jahre 1731 in Triesen eine Revolution aus, so zwar, dass in den Kirchen zum Sturme geläutet und auf die fürstlichen Beamten geschossen wurde. Zwar wurde auch diese durch einsichtsvolle Männer, an deren Spitze Hr. Landammann Thomas Walser war, wieder beschwichtigt und der leztere wurde als Deputirter nach Wien abgeschickt.

8.) Der als Deputirter nach Wien gesendete Hr. Landammann Thomas Walser wurde von dem damaligen Fürsten Johann Adam von Liechtenstein zu Neuschloss sehr gnädig aufgenommen und seine mündliche, selbst vor dem fürstlichen Throne im Namen der Unterthanen vorgetragene Bitte hatte eine Hofkomission zur Folge und diese endlich im Jahr 1733 folgende Erledigung:

9) «1.mo Kann ein jeweiliger Landammann künftig bei allen Blutgerichten den Beisitz haben und bei vorfallender Execution in Malefizsachen, nachdem vorher von einem jemahligen Landschreiber das Urteil abgelesen, den Stab führen und brechen, auch mit denen übrigen Gerichtsleuten die Malefizperson zur Richtstatt hinausbegleiten ohne dass weiters über die Malefizperson ein Gericht gehalten werden soll.

2.do Solle auch ein jeweiliger Landammann bei denen ordinari Verhören den Beisitz, jedoch nur ad Votum informativum haben».

3.tio Solle auch ein jeder Landammann befugt sein, alle Obligationen und Contracte, nachdem diese vorher in der fürstl. Kanzley vorgezeigt und ad protocollum genommen, zu siegeln.

4.to Damit aber sie Unterthanen die Landesfürstliche Gnade noch mehr in effectu verspüren und erkennen mögen, so solle ihnen auch das Frevelgericht a parte mit Beisitzung der Landammänner und Gerichtsleuten anstatt des Zeitgerichts, zweimal, nämlich im Frühling und Herbst gehalten wobei aber der fürstliche Ländschreiber das Protocoll führen soll» etc.

Diese vier Punkte sind der Commissionserledigung vom 25. Sept. 1733 wörtlich entnommen. Die übrigen sieben enthalten weiter nichts anderes, als eine Vorschrift, wie für Hinkunft die Reichs- oder Kreisanlagen auf den Steuergulden repartirt, beim Landammann abgegeben, von diesem an die Kreiskasse ausgezahlt und unter welchen Formalitäten vom Landammann die Rechnung dem Lande abgegeben werden soll, «damit das Volk auch wissen könne, wohin der gemeine Pfenning verwendet werde».

10.) Auf diese Art endete sich der zwischen Fürst und Volk durch 14 Jahre angedauerte Streit. Das Volk wollte auf seinen erworbenen Rechten und Freiheiten beharren, der Fürst hingegen seinen in Folge des Harprechtischen Reverats einmal gethanen Machtspruch nicht wieder zurück nehmen. Alle möglichen Wege wurden von Seite des Volkes eingeschlagen auf welchen es zum Zwecke zu gelangen glaubte und nur auf dem letzt betretenen rettete es noch ein kleines Andenken seiner früher theuer erworbenen und durch Jahrhunderte froh genossenen Priyilegien. Doch noch immer ein Andenken, welches der Aufbewahrung werth war, indem es dem Land seine Representation in Landammann und Gericht erhielt.

11.) Nachdem nun das Volk den Verlust seiner Freiheiten durch 73 Jahre betrauert hatte und noch immer der frohen Hoffnung lebte, dieselben in der Zeit, wenn auch nicht ganz, so doch theilweise wieder zu erhalten, wurde ihm im Jahre 1806 auch noch diese Aussicht benommen. In diesem Jahre wurde von Kaiser Napoleon das römische Reich aufgelösst und bei dieser Gelegenheit so wie die übrigen deutschen Fürstenthümer auch das. Fürstenthum Liechtenstein zum souverainen Staate erhoben. Als solcher musste es die zweite Organisation und mit derselben-auch den letzten Schlag für seine im Jahr 1733 noch gebliebenen Freiheitsreste erleben.

12.) Mit der Aufhebung der Reichsverfassung verschwanden auch deren Gesetze, an welche Fürst und Volk gebunden waren. Und mit der Erhebung zum souverainen Staate ward der Fürst unumschränkter Gesetzgeber und als Souverain niemandem verantwortlich.

Bald wurden Gebrechen in der Staatsverwaltung entdeckt, welche eine neue Organisation derselben notwendig machten. Der zu diesem Ende schon im Jahre 1807 als Untersuchungs-Commissar hieher gesandte fürstliche Hofrath Georg Hauer, ein Mann, der die fürstlichen Schaafe so gut zu bescheeren wusste, als den besten Fürsten selbst um die Wolle zu betrügen, schuf die Pläne hiezu. Um diese aber in Ausführung bringen zu können, musste mit der Pensionierung des damaligen Landvogts Menzinger und mit der Auffindung eines anderen an seine Stelle und dem vorhabenden Zwecke anpassenden Individuums der Anfang gemacht werden. Die von Hauer getroffene Wahl wurde in der Person des Joseph Schuppler nicht verfehlt. Denn nur ein junger, rascher, unter sclavischen Völkern erzohener Mann, dem es nie einfallen konnte, dass auch dem Unterthan Rechte zustehen könnten, dass diese untersucht werden sollten und wenn selbe erprobt gefunden, eben so wenig vom Fürsten, wenn auch Souverain, als die des Fürsten vom Volke ohne Verletzung des Völkerrechts verletzt werden dürfen, nur ein solcher Mann konnte zum vorhabenden Zwecke taugen.

Dieser in seiner Art ebenso .tätige als eigenmächtig vorgreifende Mann bezoh im Spätjahr 1808 mit dem vollen Vertrauen seines Senders des Hofrath Hauers und durch diesen mit jenem des Fürsten ausgerüstet seinen neuen Posten. Ohne sich erst von dem abgetrettenen Landvogt Menzinger — ein in jeder Hinsicht kenntnisvoller und ebenso gerechter Mann — in den hier bestehenden Rechtsverhältnissen unterrichten zu lassen oder sich erst in den vorhandenen Akten derselben zu überzeugen, ohne alle Lokalkenntnisse, fieng derselbe gleich mit der Niederreissung des uralten, schon im Jahre 1619 ziemlich Schaden gelittenen Staatsgebäudes das vorhabende Werk an.

14.) Das Landammannamt wurde nun gänzlich aufgehoben und so das Volk seiner Representation vollends beraubt. Die Richter, deren in jeder Gemeinde zwei bis vier aus den angesehensten und einsichtsvollsten Bürgern zur Verwaltung des Gemeindevermögens als Representanten der betreffenden Gemeinde und als Räthe des aus ihrer Mitte gewählten Landammannes hervorgezohen, wurden abgeschafft und statt diesen in jeder Gemeinde ein sogenannter Richter, der aber im wesentlichen nichts anderes als der Trabant des Amtes, ein exponirter Gerichtsdiener ist, bestellt, welcher die amtlichen Befehle den betreffenden Gemeindegliedern zur Kunde zu bringen hat.

Wenn also früher das Amt eines Richters würklich als Ehrenamt anzusehen war, wenn der Gewählte, stolz, auf die ihn getroffene Wahl, es sich streng angelegen sein liess, seine mit dem Amte übernommenen Pflichten getreu zu erfüllen, um sich des von der Gemeinde in ihn gesetzten Zutrauens würdig zu machen, so wurde nun die Sache auf einmal ganz umgekehrt. Der ordentliche, schlichte und verständige Bürgersmann findet sich mit einem solchen Dienste — wenn schon mit dem schönen Namen eines Richters verkleistert — nicht mehr beehrt. Und wenn er auch auf die Dauer von zwei Jahren hiezu gezwungen wird, so wird er sich als Gezwungener in der Hoffnung einer baldigen Erlösung und wenn auch mit dem Opfer seines eigenen Besten, blos auf die ihm von Zeit zu Zeit vorkommenden nothwendigsten Gegenstände beschränken und die Sorge zur Erzielung allenfalls möglicher Gemeindevortheile seinem Nachfolger aufbewahren.

15.) Die Besoldungen der Staatsbeamten, welche mit Einschluss des fürstlichen Rheinbundgesandten und des Referenten in Wien auf die Summe von 3’500 fl. berechnet wurden, wurden als eine reine vom Volke zu tragende Staatslast declarirt und demselben als solche überbunden. Zwar würde sich über diesen Gegenstand, jedoch abgesehen von dem eigenmächtigen Eingriff in die uralt hergebrachten und wohlerworbenen Rechte der Unterthanen, nicht viel einwenden lassen. Denn dem Reichsfürsten kann rechtlich nicht zugemuthet werden, dass er mit seinen Privatrenten die Staatslasten bestreite. Er ist immerhin berechtigt, dieselben auf den Staat zu überweisen, dagegen aber auch schuldig, dem Staate die Staatsgefälle zu verrechnen.

16.) Dieser Gegenstand scheint von unseren Herren Staatsreformatoren Hauer und Schuppler entweder nicht genau erwogen worden zu sein oder sie waren zweifache Schurken, die den Staat um sein Eigenthum zu betrügen und auf Rechnung desselben die fürstlichen Privatrenten in einen höheren Ertrag zu bringen suchten.

Mit redlichen Augen mag einmal dieser Gegenstand nicht überblickt worden sein, sonst hätte denselben doch unmöglich entgehen können, dass die Zölle, die Weggelder, die Umgelder, die gemeine Landes- und Behöbte-Steuer Gefälle sind, welche schon durch ihre Natur mit dem Gepräge der Staatsgefälle versehen wurden und dass wenn selbe dem Staate in ihrem wahren Erträgnis zu 6000 fl. verrechnet werden sollten, ein sichtlicher Vorteil an Seite des Staates wäre, indem demselben nur bei diesen Gefällen nach Abschlag der oben gezeigten Staatslast zu 3'500.- fl. noch ein Überschuss .von 2’500.- fl. zu guten gehen müsste.

17.) Zwar will hier die Einwendung gemacht werden, dass diese Gefälle bei dem Ankauf der Herrschaften erkauft worden wären und sich hiedurch aus Staats- in Privatgefälle umgewandelt hätten.

So sehr sich die Vernunft einer solchen, allen staatsrechtlichen Grundsätzen zuwiderlaufenden Behauptung entgegensträubt, so dürfte es hier doch am rechten Platze sein, das im übrigen in sich selbst zerfallende Gebäude etwas näher zu betrachten.

Angenommen, dass in dem Kaufsakt, welcher nie anders als auf Grundlage des sulzischen Urbariums abgeschlossen werden konnte, dieser Gefälle nebst noch mehr andern speziell erwähnt wurde, so ist dies noch keine Folge, dass sie hiedurch von dem Staate, welcher in seinem ganzen Umfange und durch alle seine Zweige verkauft worden, getrennt worden wären sondern es wurde nur das Kaufsobjekt mit den demselben aus der Natur untrennbar anklebenden Rechten und Vortheilen von dem Verkäufer an den Käufer abgetretten.

18.) Da nun einmal der Kauf auf Grundlage des vorliegenden Urbariums abgeschlossen worden, warum werden denn nicht auch die in demselben als ein Eigenthum der Herrschaft bezeichneten Gemeindgüter, Auen, Weiden, Sträucher und Wälder als ein solches reclamirt? Wenn durch eine mehrjährige Staatsverwaltung das genossene Staatseinkommen auf das verwaltende Oberhaupt übergehen kann, so können ja auch im vorliegenden Falle die Gemeinden, von gedungenen Vorstehern verwaltet und nach einer Zeit von den. Gemeinden die Verwaltungskosten gefordert werden, indem das Gemeindvermögen im Urbarium als Eigenthum der Herrschaft bezeichnet ist.

19.) Nehmt euch in Acht, ihr Herren Staatsverderber! Wenn ihr einmal vorhabt zu Gunsten der fürstlichen Renten den Staat um seine Rechte zu betrügen, so suchet euch andere Wege auf, um zu euerem schändlichen Ziele zu gelangen! Mit dem angeregten Kauf reicht ihr nicht aus! Sagt lieber: der Staat ist schuldig, den Staatshofhalt zu bestreiten und nur auf Rechnung dieser Schuldigkeit werden diese Gefälle in die fürstlichen Renten einbezohen. So macht ihr die Sache doch in etwas anschaulicher. Ihr rechtfertigt eure Handlungsweise doch wenigstens vor dem Volke, wenn auch nicht vor dem Besten des Fürsten, der sich durch euch und bei jeder andern Gelegenheit wiederholt aussprach, dass er für seine Person von seinen lieben Unterthanen nichts verlange, sondern sich von denselben bloss der schuldigen Treue und Anhänglichkeit versehe!

Machet den edelsten und hochherzigsten Fürsten, der seinen Stolz darin setzt, seine Unterthanen unter seinem Scepter überglücklich zu wissen, nicht zum unwissenden Heuchler. Denn er lebt und stirbt in dem edlen Wahn, stets das Wohl seiner Unterthanen in dem Herzen getragen zu haben, während dem ihn dieselben durch eure Veranlassung eines an ihnen verübten Unrechtes beschuldigen.

Um den Faden der eigentlichen Organisationsgeschichte wieder aufzugreifen, waren nach Ansicht dieser weisen Herren keine Staatsgefälle vorhanden. Es musste also nothwendig ein Fond creirt werden, um hieraus die Kosten der neugeborenen Staatsregie, welche — mit Vorbehalt des Militäretats, der ohne dies früher schon so wie die Interessen der Staatsschulden durch Steuerumlagen gedeckt wurde — nebst den obengezeigten Besoldungen der Staatsbeamten per 3’500.- fl. noch an weitere verschiedene Ausgaben 500.- fl., zusammen auf jährliche 4’000.- fl. projectiert wurden, bestreiten zu können. Dieser fand sich auch noch so bald in nachstehenden, bisher unbekannt gebliebenen Hülfsquellen, deren Auffindung abermals nur den staatswirtschaftlichen Kenntnissen des Hauer und Schupplers zu verdanken kommt.

21.) So z.B. ertrugen bis anher die Gerichtstaxen, aus welchen der Landschreiber salarirt wurde jährlich bloss 500.- fl., diese auf das Dreifache erhöht machen schon 1’500.- fl. ein mässiges Stempelpatent, welches je nach Umständen in der Folge erhöht werden könnte, erträgt sichere 500.- fl.

Die Taferngerechtigkeiten — wenn auch die meisten reduzierte Gewerbe — wurden aufgehoben und den Schankwirten statt früher von ihnen erhobenen 1 fl. Taferngeld, eine jährliche Taxe, je nach Umständen, bis auf 30 fl. aufgelegt, welche zusammen 300.- fl. ausmachen. Ebenso wurden den Krämern Handels- und Hausiertaxen aufgelegt, den Spenglern und Jaunern das Schleifen, Kesselflicken, Sagfeilen und Korb flechten verpachtet, welches ebenfalls einen jährlichen Ertrag von 500.- fl. abwirft.

Zu diesen 2’800.- fl. dürfen ja nur noch der ohnedies zur Bestreitung des Militär- Etats und der Interessen für die Staatsschulden jährlich anzulegen kommenden Steuer noch 1’200.- fl. Zugeschlagen werden so finden sich obige 4’000.- fl. vollkommen gedeckt».

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[1] Kein Originaltitel. Herausgegeben von Rudolf Rheinberger im Historischen Jahrbuch für das Fürstentum Liechtenstein, Vaduz 1958, S. 228 ff. Die Textwiedergabe erfolgt nach dieser Edition.
[2] Johann Rheinberger wurde am 20. 6. 1764 in Vaduz geboren und starb ebenda am 16. 2.1828. Er war Zeit seines Lebens mit dem öffentlichen Leben verbunden. Mit 25 Jahren wurde er «Oberamtsbote», weitere Verwendung, als «Hauptzoller» ferner als Schreiber beim  Oberamt und als Oberaufseher über das Strassenwesen.