Erklärung von Fürst Alois betr. Erlass einer konstitutionellen Verfassung


Versprechen Fürst Alois zum Erlass einer konstitutionellen Verfassung [1]
vom 7. April 1848

Ich habe aus der am 24. vorigen Monats von einem berathenden Ausschusse, der sich in meinem Fürstenthume gebildet hat, und von den Vorstehern und Ausschußmännern sämmtlicher Gemeinden gefertigten, an mich gerichteten Eingabe mit Vergnügen und Beruhigung ersehen, daß die Zusicherungen dankbar aufgenommen worden sind; welche ich durch Erlaß vom 19. März d. J. ausgsprochen habe, sobald es mir möglich war, dieß im Einklange mit den Beschlüssen Sr. Majestät des Kaisers, meines erlauchten Bundesnachbarn, zu thun, und noch ehe mir die dießfälligen Wünsche bekannt sein konnten.
Um nun diesen Wünschen, wo es jetzt schon möglich ist, mit jenen landesväterlichen Gesinnungen, welchen ich bisher immer als Leitfaden meines Verfahrens in Sachen des Fürstenthumes gefolgt bin, nachzukommen, um andererseits über jene Punkte, die noch der Vorbereitung oder Verhandlung bedürfen, nach Möglichkeit volle Beruhigung zu geben, wird jetzt schon Folgendes bekannt gemacht:
1. Die Ertheilung eines Verfassungsgesetzes nach constitutionellen Grundsätzen ist, als durch meinen Erlaß vom 19. März d. J. rechtsverbindlich zugesichert anzusehen.
2. Die freie Wahl der Volksvertreter wird, auf Besitz und Bildung gegründet, statt zu finden haben.
3. Dem sonach zusammengesetzten Landtage wird die Bewilligung aller neu einzuführenden Steuern, die Berathung aller neu zu erlassenden Gesetze zustehen.
 4. Das Haupt der fürstlichen Regierung im souverainen Bundesgebiethe wird von nun an statt der Benennung Landvogt, jene eines Landesverwesers zu führen haben.
5. Dem auf Grund der neuen Verfassung und des neuen Wahlgesetzes im Fürstenthume in möglichst kurzer Frist einzuberufenden Landtage wird vorgelegt werden:
a) Vorerst eine Landtagsordnung, durch welche über den Vorsitz beim Landtage, im Einklange mit den Wünschen des Landes, bestimmt werden wird.
b) Eine Umarbeitung des bisherigen Gemeindegesetzes, namentlich auch was die freie Wahl der Gemeindevorstände betrifft.
c) Der Entwurf eines neuen Triebrechtes mit möglichster Berücksichtigung der Wünsche des Landes und der in den Verhältnissen und auf bestimmte Rechte gegründeten Uebung.
d) Die Umarbeitung des Forstgesetzes, damit den Gemeinden und den Privatbesitzern jene Freiheit der Verwaltung eingeräumt werde, welche mit dem öffentlichen Wohle verträglich erscheint.
e) Der Entwurf eines neuen Steuergesetzes mit Berücksichtigung der Wünsche des Landes.
f) Eine klare Darstellung des öffentlichen Haushaltes im Fürstenthume, bei welcher sich das Volk überzeugen wird, daß es nie an meiner Bereitwilligkeit gefehlt hat, auch ferner nicht daran fehlen soll, den Liechtensteinern zu beweisen, daß, wenn ihnen durch meine Verhältnisse auch der Vortheil entgeht, ihren Fürsten für gewöhnlich in ihrer Mitte zu sehen, ich andererseits auch gern in diesen Verhältnissen die Möglichkeit finde, sie, wo es Noth thut, thatkräftig zu unterstützen.
6. Um die möglichst billige Vertheilung aller Lasten über die Grundstücke nach Maßgabe ihres Werthes durchzuführen, werde ich, so viel an mir liegt, die bereits beabsichtigte Bearbeitung eines Landes-Catasters mit Beschleunigung vornehmen lassen.
7. Ueber die aus der Atzungsauflösung fließenden Gelder und sogenannten Maiengüter wird nach den Bestimmungen des neu zu berathenden Gemeindegesetzes den Gemeinden die Verfügung zustehen.
8. Der nächste Landtag, oder ein Ausschuß aus seiner Mitte, wird zu berathen haben, was für Hebung der Gewerbe, des Handels, der Handwerke und namentlich des dem Lande in allen seinen Zweigen so wichtigen Ackerbaues geschehen kann; bis diese Berathungen zu einem Beschlusse über den Hausierhandel geführt haben werden, wird die Landesregierung auf möglichste Beschränkung dieses Handelszweiges, dem ausgesprochenen Wunsch gemäß, hinzuwirken haben. Von Auswanderern, welche allen ihren Verpflichtungen genügt haben, sollen fortan keine Abzugsgelder gefordert werden.
9. Was im Schul- und Erziehungsfache Noth thut, wird in Verbindung mit einem Landtagsausschusse reiflicher Berathung unterzogen werden, und da ich die Wichtigkeit dieses Gegenstandes vollkommen würdige, sichere ich diesfalls mein thätiges Einwirken zu.
10. Mit wahrem Vergnügen sehe ich, daß der Liechtensteiner Wünsche im Sinne meines Erlasses vom 19. v. M., mit meinem übereinstimmend, dahin gehen, daß die Zollschranken zwischen dem Fürstenthume und dem deutschen Bunde, und zwar dem nachbarlichen Oesterreiche, fallen mögen; mein ernstes Streben soll zur baldigen Verwirklichung dieses das wahre Beste des Landes gewiß förderlichen Wunsches gerichtet sein, und ich werde bei den diesfälligen Unterhandlungen nicht außer Acht lassen, wo möglich für den Bedarf des Landes eine Ermäßigung der gegenwärtigen Salzpreise zu erzielen.
11. Es ist uns die Hoffnung gegeben, daß es dem vereinten Streben der Fürsten und Völker Deutschlands gelingen wird, bei größerer Einheit, innigerer Verbindung zwischen den einzelnen Staaten, das gemeinsame Vaterland an Kraft gewinnend, in größerem Wohlstande erblühen zu sehen; an meiner warmen Vertretung soll es dabei nicht fehlen, so wie sie sich schon mehreremal nicht ganz unwirksam erwiesen hat, damit den Verhältnissen des Fürstenthumes die gehörige Berücksichtigung geschenkt werde. Bei Wahrung der Selbstständigkeit des mir durch die Vorsehung anvertrauten Landes möglichst die aus der Verwaltung dem Lande ergehenden Lasten zu erleichtern, erkenne ich als eine heilige Pflicht.
12. Die Errichtung von Ziegelhütten, Mühlen u. s. w. soll nicht durch monopolisirende Privilegien erschwert, sondern diesfalls nur das öffentliche Wohl im Auge behalten werden.
13. Das Zoll- und Weggeldgefälle habe ich schon früher auf eine Reihe von Jahren dem Lande überwiesen, und ich gedachte bereits sie bleibend als Staatseinkommen zu erklären, gerne sichere ich dieß nun für immer zu.
14. Alle den Besitz belastenden Natural-Leistungen, namentlich Frohnen, Zehnten, geistliche wie weltliche, werden gegen billig zu ermittelnde Entschädigungen ablöslich erklärt. Ich werde mit einem Ausschusse, gewählt aus der Mitte des nächsten Landtages, in Berathung ziehen lassen, die diesfalls aufzustellenden Grundsätze und die Mittel, durch welche die Ablösung den Verpflichtungen gesichert und in ihrer Durchführung erleichtert werden kann. Von der Mühlzwangsablösung und dem Novalzehente erkläre ich die Verpflichteten vom 1. Mai d. J. an unentgeltlich befreit.
Gerne nehme ich die Versicherung entgegen, daß ich auf die unerschütterliche Treue der Liechtensteiner, auf ihre wahre Anhänglichkeit an mein Haus fest bauen kann, wie sie auf mein festes Bestreben, auch unaufgefordert zu beseitigen, was zu gegründeter Klage Anlaß zu geben geeignet wäre.
Wenn das im Eingange zugesicherte neue Verfassungsgesetz und das mit selben in Verbindung zu setzende Wahlgesetz nicht sogleich erscheinen, so ist es nur, weil es wesentlich und den ausgesprochenen Wünschen der Liechtensteiner selbst angemessen ist, daß auf möglichsten Einklang mit dem Verfassungswerke hingezielt werde, an welchem allen Ernstes nicht in Oesterreich allein, aber auch für ganz Deutschland an dem durch Volksvertreter zu verstärkenden Bundestage eben gearbeitet wird.
Gott segne das Land, und lasse mich und die Vertreter des Volkes die Mittel erkennen, dessen bleibendes Gedeihen zu fördern.
Wien am 7. April 1848.
Alois Fürst von und zu Liechtenstein.

 

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[1] Kein Originaltitel.