Schreiben der Regierung, gez. Regierungschef Josef Hoop, an Albrecht Dieckhoff[1]
25.1.1934
Sehr geehrter Herr Doktor!
Ich komme endlich zurück auf Ihr geschätztes Schreiben vom 18. Oktober 1933 in der Angelegenheit des Abschlusses eines Rechtshilfevertrages mit Deutschland. [2]
Es scheint, dass der schweizerisch–deutsche Doppelbesteuerungsvertrag nunmehr doch in Kraft tritt. [3] Deutschland hat sich zur Ratifikation bereit erklärt, wogegen die Schweiz scheinbar gewisse Konzessionen gemacht hat. Wir haben deshalb heute über den Weg des Politischen Departementes den Antrag an die Deutsche Reichsregierung gelangen lassen, auch Liechtenstein unter den gleichen Bedingungen in den Vertrag eintreten zu lassen. [4] Wir nehmen an, dass die deutsche Regierung hiemit einverstanden sein wird.
Der Abschluss eines Rechtshilfevertrages selber wird von uns in enger Fühlungnahme mit der Schweiz noch geprüft werden. Die Schweiz hat dies ja auch von ihrem Standpunkt aus zu tun, nachdem anlässlich unserer Anwesenheit in Berlin [5] dem Schweizerischen Gesandten [Paul] Dinichert der gleiche Entwurf in die Hand gedrückt wurde. [6]
Hinsichtlich des Einbezugs Liechtensteins in die deutsch–schweizerischen Transfer–Verhandlungen [7] muss ich leider berichten, dass die Angelegenheit noch nicht perfekt ist. Wir haben es als ganz selbstverständlich gehalten, dass Liechtenstein miteinbezogen wird. Nun aber erklärt die Schweiz, dass sie nicht leicht das Risiko übernehmen könne, die liechtensteinischen Holdingsgesellschaften einzubeziehen, da für diese unter Umständen derart beträchtliche Transferierungen vorgenommen werden müssten, wie es der Anteil Liechtensteins an den Zusatzimporten aus Deutschland nicht rechtfertigen würde. [8] Immerhin haben wir, nachdem die Verhandlungen sonst zu keinem Ende führen, jetzt das Ersuchen gestellt, wenigstens die liechtensteinischen Banken und durch sie die hier domizilierten physischen Personen in das Abkommen einzubeziehen. [9] Hoffentlich haben wir nun einen baldigen Erfolg.
Mit besten Grüssen und der Versicherung meiner vorzüglichen Hochachtung
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[1] LI LA RF 136/394/004.
[2] LI LA RF 136/394/002.
[3] Das Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Deutschen Reiche zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der direkten Steuern und der Erbschaftssteuern vom 15.7.1931, ratifiziert am 29.1.1934 (AS 1934, Bd. 50, S. 106-132).
[4] LI LA RF 129/091/010.
[5] Am 6.10.1933 fand eine Besprechung in Berlin zwischen Josef Hoop, Paul Dinichert und Vertretern der deutschen Regierung statt, an der Hoop den Abschluss von Verträgen mit Deutschland über Doppelbesteuerung sowie Rechtshilfe in Steuersachen in Aussicht stellte (LI LA RF 131/409/161).
[6] Es handelt sich wohl um den Entwurf zu einem Vertrag über Rechtsschutz und Rechtshilfe in Steuersachen in LI LA RF 129/091/012.
[7] Deutschland und die Schweiz schlossen am 7.10.1933 ein befristetes Transferabkommen ab (DDS, Bd. 10, Nr. 339). In diesem Abkommen sagte Deutschland der Schweiz zu, die schweizerischen Zinsforderungen trotz des Transfermoratoriums vom 9.6.1933 weiterhin vollständig zu transferieren, sofern die dafür benötigten Devisen durch zusätzliche Exporte deutscher Waren in die Schweiz beschafft werden. Dieses für die Schweiz günstige Sonderabkommen – die übrigen Gläubiger konnten lediglich 75% der Kapitalerträge transferieren - wurde am 16.2.1934 verlängert (DDS, Bd. 11, Nr. 46).
[8] Zu den schweizerischen Vorbehalten vgl. LI LA RF 136/459/017.
[9] LI LA RF 136/459/032-034.