Entscheidung des Staatsgerichtshofes, gez. Josef Ospelt und Alois Sele [1]
29.12.1938
Entscheidung
Der fürstlich liechtensteinische Staatsgerichtshof als Verwaltungsgerichtshof hat in seiner heutigen nicht öffentlichen Sitzung, an welcher teilnahmen der Präsident fürstl. Rat J. [Josef] Ospelt als Vorsitzender, Dr. F. [Franz Josef] Erne, Dr. W. [Wilhelm] Künzle, David Beck und Joh. G. [Johann Georg] Helbert als Richter, Alois Sele als Schriftführer, über die Beschwerde des N1, aus Triesenberg (Nr. ...), wohnhaft in Vaduz Nr. ... und vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Schwendener in Buchs, gegen die Entscheidung der fürstl. Regierung vom 11. Mai 1938 entschieden:
Die Beschwerde wird abgewiesen und die angefochtene Entscheidung bestätigt. [2]
Der Beschwerdeführer ist schuldig, binnen 14 Tagen bei Zwangvollstreckung eine Entscheidungsgebühr von 5 sFr. und 30 sFr. als Beitrag zu den Tageskosten des Gerichtes an die Landeskasse zu bezahlen.
Tatbestand:
Die Gemeindevertretung von Triesenberg verweigerte dem Beschwerdeführer N1 die Ausfertigung der für die Erteilung des Ehekonsenses erforderlichen Bestätigung. [3] Mit der angefochtenen Entscheidung wies die fürstl. Regierung die dagegen gerichtete Beschwerde N1 [4] mit der Begründung ab, dass N1 in den letzten 3 Jahren 3 mal um Unterstützungen und 2 mal um ein Darlehen angesucht habe [5]; damit sei bewiesen, dass N1 sich schon als lediger Mann nicht ohne Unterstützung habe durchbringen können und nun, um heiraten zu können, Schulden machen müsse; er sei daher ein schlechter Haushalter und nicht in der Lage, eine Familie durchzubringen, ohne dass sie der heimatlichen Armenversorgung zur Last fallen müsse. N1 bringt nun in seiner an den Staatsgerichtshof gebrachten Beschwerde [6] vor, dass er allerdings 2 mal vom Lande Unterstützungen von zusammen 35 sfr. bezogen habe, es seien dies aber keine eigentlichen Armenunterstützungen gewesen, sondern Subsidien, die ihm aufgrund der Notlage infolge seiner Arbeitslosigkeit gewährt worden seien. Die Unterstützung von 15 sFr. sei auch als „Arbeitslosenfürsorge" verrechnet worden. Schliesslich habe er auch die bezogenen Beträge zurückbezahlt. Dass er ein schlechter Haushalter sei, sei nicht richtig und gar nicht bewiesen. Nach den Zeugnissen seiner Arbeitgeber sei er ein fleissiger, solider und tüchtiger Arbeiter, der nur infolge Arbeitslosigkeit vorübergehend in eine gewisse Notlage gekommen sei. Wenn er zur Bestreitung der notwendigen Kosten der Heirat um ein Darlehen ansuchen habe müssen, so sei dies darin begründet, dass er infolge Arbeitslosigkeit seine Ersparnisse aufgebraucht habe. Aus dieser Tatsache könne aber nicht geschlossen werden, dass er ein schlechter Haushalter sei. Er hätte auch zur Bestreitung der Heiratskosten seine Braut in Anspruch nehmen können, die ein kleines Vermögen besitze. Dass er dies nicht getan habe, vielmehr für die Kosten selber aufkommen wolle, zeige seinen guten Charakter. Es lägen deshalb die Voraussetzungen für die Verweigerung des Ehekonsenses nicht vor, weshalb beantragt werde, die angefochtene Entscheidung der fürstl. Regierung aufzuheben und die Bestätigung für die Ausstellung des politischen Ehekonsenses zu erteilen.
Die fürstl. Regierung weist in ihrer Gegenschrift [7] darauf hin, dass N1 bei entsprechender Bewerbung in der Landwirtschaft immer hätte Arbeit finden können, da in Liechtenstein ein grosser Mangel an landwirtschaftlichen Arbeitern herrsche, dass N1 nach seinen Zeugnissen von 1932 bis 1935 bei Sulser in Maienfeld in Arbeit gestanden und trotzdem Ende 1935 2 mal um Unterstützung eingekommen sei, dass er sich doch soviel hätte ersparen können, um die kurze Zeit, die er vielleicht arbeitslos geworden sei, aus seinen Ersparnissen leben zu können. N1 habe die erhaltenen Unterstützungen, die von der fürstl. Regierung als Armenunterstützungen betrachtet würden, erst 3 Wochen nach Erlassung der angefochtenen Entscheidung zurückbezahlt. Es liege daher mindestens der Abweisungsgrund des Art. 1 a des Gesetzes vom 15.9.1875 [8] vor, da N1 im Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung die erhaltenen Armenunterstützungen noch nicht zurückbezahlt habe. Die fürstl. Regierung beantrage deshalb, die Beschwerde N1 abzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Im Wesen handelt es sich um die Versagung des politischen Ehekonsenses, wenn auch die angefochtene Entscheidung formell nur die [9] für die Erteilung des politischen Ehekonsenses erforderliche Bestätigung der Gemeinde behandelt. Der Staatsgerichtshof erachtet deshalb die Beschwerde N1 gemäss Art. 55 [lit.] a des Staatsgerichtshofgesetzes vom 5.11.1925, LGBI. Nr. 8, für zulässig. [10] Die Beschwerde ist jedoch sachlich nicht gerechtfertigt.
Nach den Feststellungen der fürstl. Regierung hat N1 3 mal und zwar am 24. Dezember 1935, 20. März 1936 und 20. März 1937 um Unterstützungen angesucht. N1 erhielt am 27. Dez. 1935 15 sFr. und am 27. März 1936 20 sFr. Der erstere Betrag wurde unter „Arbeitslosenfürsorge" und nur der zweite Betrag unter „Armenfond" verrechnet, doch stellen beide Beträge nach den Angaben der fürstl. Regierung Armenunterstützungen dar. Diese Unterstützungen wurden erst am 25. Mai 1938 zurückbezahlt. Zur Zeit der Erlassung der angefochtenen Entscheidung (5. Mai 1938) war daher der Tatbestand nach Art. 1 [Abs. 1 lit.] a des Gesetzes vom 15.9.1875 gegeben, nach welcher Bestimmung der politische Ehekonsens solchen Landesangehörigen vorenthalten werden darf, welche eine Armenunterstützung genossen, dieselbe jedoch nicht wieder zurückvergütet haben. Nach dem der fürstl. Regierung vorliegenden Sachverhalt war daher die Versagung des politischen Ehekonsenses begründet und da der Staatsgerichtshof nur von der Sachlage ausgehen kann, die einer angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegt ist, muss die Beschwerde N1 schon auf Grund des Art. 1 [Abs. 1 lit.] a des Gesetzes vom 15. September 1875 abgewiesen werden, ohne dass es nötig ist, auf die weitere Begründung der Beschwerde einzugehen.
Die Entscheidung über die Gebühren und Gerichtskosten stützt sich auf Art. 22 des Gesetzes über den Staatsgerichtshof sowie auf die Bestimmungen des Gesetzes vom 1. Juni 1922 LGBI. Nr. 22. [11]
Vaduz, am 29. Dezember 1938
Für den fürstl. liechtenst. Staatsgerichtshof
Der Vorsitzende: gez. Ospelt
Der Schriftführer: gez. Alois Sele
Rechtsmittelbelehrung: Gegen diese Entscheidung können gemäss den Vorschriften über das allgemeine Verwaltungsverfahren die Vorstellung, die Wiederherstellung, die Einstellung und Erläuterung geltend gemacht werden. [12] Die Vorstellung ist innert 14 Tagen nach Zustellung dieser Entscheidung zu erheben.
Verfügungen:
Diese Entscheidung geht an:
1.) die fürstl. Regierung unter Rückschluss der Akten,
2.) N1 in Vaduz Nr. ... zu Handen seines Vertreters Dr. [Johann Jakob] Schwendener, Rechtsanwalt, Buchs.