Artikel in den "Liechtensteiner Nachrichten" [1]
3.3.1931
Demonstration der Triesner Arbeiterschaft am Samstag, den 28. Februar vormittags 9 Uhr
Freitagabend war im Schulhause in Triesen Arbeiter-Versammlung, welche von 63 Arbeitern besucht wurde. Gegenstand dieser Versammlung war die endgültige Festsetzung der Löhne bei dem Kanalbau zu fordern, sowie dahin zu wirken, dass eine möglichst grosse Anzahl Arbeitsloser beschäftigt werden solle und endlich gegen die Vergebung der bereits ausgeschriebenen Grabarbeiten beim Kanalbau im Heilos in Triesen Stellung zu nehmen.
Es wurde mit 58 Stimmen beschlossen, am Samstagmorgen gemeinsam nach Vaduz zu gehen und bei der Regierung in Sachen genannter Forderungen vorzusprechen.
Am Samstagmorgen versammelten sich 80 Arbeiter an der Landstrasse in Triesen und marschierten geschlossen nach Vaduz zum Regierungsgebäude. Dort angekommen begab sich eine von den Arbeitern bestimmte Delegation zur Regierung, um derselben die Forderungen vorzulegen und dieselben zu begründen. Nach ca. 3stündiger Verhandlung mit der Regierung einerseits und der Arbeiter-Delegation andererseits sind die im Nachhang bekanntgegebenen Verhandlungs-Ergebnisse erzielt worden. Kurz vor Torschluss ist die Delegation vor dem Regierungsgebäude erschienen und gab diese der dort harrenden Arbeiterschaft das Verhandlungs-Ergebnis bekannt, mit welchem die Arbeiter sich zufriedengaben und sofort den Platz vor dem Regierungsgebäude verliessen und wieder Triesen zu marschierten.
Zwischen Vaduz und Triesen auf der Landstrasse hielten dann die Demonstranten nochmals unter freiem Himmel eine Versammlung ab, bei welcher die Delegierten nochmals erschöpfenden Aufschluss über den Erfolg der heutigen Aktion gaben. Es wurde dabei ein dreifaches Hoch auf die Solidarität der Arbeiterschaft ausgebracht.
Die Triesner Arbeiterschaft dankt ihrer Delegation für ihre energisch und sehr geschickt geführten Verhandlungen mit der Regierung. Auch gebührt allen denen, die an der Demonstration teilgenommen haben, volle Anerkennung.
Es hat sich bei diesem Anlasse gezeigt, dass geschlossenes Auftreten der Arbeiterschaft unter guter Führung etwas zustande bringen kann; man ziehe darum daraus die Lehre, dass nur ein einmütiges Zusammenwirken von Erfolg sein kann, darum trete jeder dem Arbeiter-Verbande bei, denn nur ein starker Arbeiter-Verband wird deine Interessen restlos vertreten können.
Im Nachstehenden geben wir das Verhandlungsergebnis bekannt:
Protokoll
über die Konferenz vom 28. Februar 1931.
Anwesend: Regierungschef [Josef Hoop], Landestechniker [Josef Vogt], Julius Kindle von Triesen, Gebhard Banzer, Hugo Kindle, Johann Banzer und Alois Sprenger.
Die Vertreter der Arbeiterschaft werden vorstellig wegen Abstandnahme von Akkordarbeiten beim untern Teil der Mühlebachregulierung in Triesen.
Seitens der Vertreter des Landes wird zugesagt, diese Arbeit nochmals in Regie auszuführen, wobei vorbehalten bleibt, dass für die nächstjährige Etappe des Kanalbaues, wenn diese Form der Arbeit nicht befriedigt, zwischen der Arbeiterschaft und der Regierung wegen einer andern Form der Unternehmung das Einvernehmen gepflogen wird.
Bezüglich der Löhne wird folgendes vereinbart: Als Grundlohn bleibt der bisherige und gestern konzedierte Ansatz von 90 bzw. 95 Rp. mit Abstufungen bis 80 Rp. zugestanden. Sollte nach Abschluss der Arbeit festgestellt werden, dass bei der fraglichen Arbeit der dem Kostenvoranschlag zugrundeliegende Ansatz von Fr. 2.- pro Kubikmeter Aushub nicht erreicht werden, so wird jedem Arbeiter pro Stunde 5 Rp. nachbezahlt. Erreicht die Differenz von den ausbezahlten Löhnen und dem voranschlagten Ansatze von Fr. 2.- pro Kubikmeter nicht die vollen 5 Rp., so wird die Differenz von z.B. 2, 3 oder 4 Rp. nachbezahlt, wobei zugrunde gelegt wird, dass in 10stündiger Arbeitszeit 5 Kubikmeter herausgebracht wird.
Bezüglich der Einstellung von Arbeitern auf dieser Strecke wird vereinbart, dass der Präsident der Ortsgruppe Triesen mit dem Ortsvorsteher [Adolf Frommelt] die Leute bezeichnet, die nach ihrer Ansicht nach die Arbeit am meisten bedürfen. Als höchste Zahl kommen 60 Leute einschliesslich der heute Beschäftigten in Betracht.
Das Gebiet, auf welchem gegenwärtig Arbeiter von Triesen in Arbeit stehen, würde den Balznern, welche ebenfalls in einer Gruppe von höchstens 60 Mann beschäftigt werden dürfen, eingeräumt werden.
gefertigt
Dr. Hoop
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[1] L.Na., Nr. 26, 3.3.1931, S. 2.