Das "Liechtensteiner Volksblatt" bezeichnet die Arbeiterdemonstration in Vaduz als sozialistisches "Aufläufchen"


Artikel im "Liechtensteiner Volksblatt" [1]

10.3.1934

Protestversammlung in Vaduz

Von einem gemischtem Komitee erging ein Aufruf an "alle aufrechten liechtensteinischen Werktätigen und Arbeitslosen", sich Donnerstag, den 8. März, morgens 9 Uhr, zu einer Protestversammlung unter freiem Himmel beim Gasthaus zur "Au" in Vaduz einzufinden. Dem Rufe folgten gezählte 75 Mann. Wie verlautet, hätte der Plan bestanden, eine Deputation zur Regierung zu senden und, falls dieser kein Gehör geschenkt worden wäre, mit den erhofften 400 Mann gegen das Regierungsgebäude zu marschieren. Bei der Lage der Dinge aber wurde scheinbar von diesen beiden Schritten Abstand genommen und der Regierung gegen Abend eine Resolution überreicht, in der gefordert wird, dass die Regierung am 18. März eine Volksabstimmung durchführe, die ihr nach Ansicht der Demonstranten das Misstrauen auszusprechen hätte, oder aber abtrete. [2] Also eine kategorische Forderung, obwohl hiezu die Gesetze die Mittel in die Hand geben.

An der Versammlung sprachen Hugo Kindle von Triesen und Josef Vogt, Sohn des Andreas Vogt, von Balzers. Hugo Kindle betonte, dass für die Arbeiter nichts geschaffen worden sei, der Landtag habe wohl dafür gesorgt, dass durch ein Naturgesetz die Frösche im Riet nicht verrecken, [3] ein Gesetz für die Arbeiter habe man nicht geschaffen. [4] Josef Vogt sprach auch für jene, die nicht anwesend seien und das Regierungsgebäude heute räumen wollten, gegen Zeitungsbeschlagnahme u. Versammlungsverbot wurde demonstriert. Das nahm sich sehr selbstverständlich an, wenn man neben Heinrich Gstöhl, Kaminfeger, Balzers (unter Kuratel) in die gezählten 75 Mann andere Gestalten sich mischen sah, die schliesslich von noch ernst zu nehmenden Männern der Volkspartei wie Altvorsteher [Josef] Marxer und Wilhelm Marxer von Eschen überragt wurden.

Wieder ist ein Demonstratiönchen fertig, es kehrte sich ganz offensichtlich gegen Ruhe und Ordnung im Staate. Wir verstehen es ganz gut, wenn die Leute Arbeit wollen, aber nicht das, dass man die Leute unter allerhand nichtigen Vorwänden von der Arbeit wegreisst und sie an einem hellen Märztage in Vaduz zu einer politischen Demonstration zusammen sammelt. [5] Achtbarer Weise sind nur wenige dem Rufe gefolgt, manche erschienen in der Meinung, es handle sich um eine Arbeiterversammlung, während es eine politische Demonstration grossen Stils hätte werden sollen. Sie hat kläglich versagt, die Demonstranten zerstreuten sich bald.

Nun aber das Facit. Die Einladung zur Versammlung rief gegen Redeverbot, Zeitungsbeschlagnahme und Versammlungsverbot auf, alles Dinge, die zum Schutze der Landesinteressen bei Prof. [Johannes] Ude, bei den Nachrichten in einem speziellen Falle und in Gamprin [6] aus Vorsicht gegen Zusammenstösse unternommen worden waren. Es sind dies Massnahmen, die heute zum Teil in der demokratischen Schweiz ergriffen worden sind. Man wird sich auch fragen, wie lange die schaffende u. ordnungsliebende Bevölkerung solchen Demonstrationen noch zuschauen mag, selbst wenn sie sich ins derart Komische ziehen wie die vom Donnerstag! Zum Nutzen und Ansehen des Treibens in Liechtenstein tragen sie sicherlich nicht bei. Wie gesagt, wir verstehen es, wenn man in heutiger Zeit nach Arbeit ruft, Land und Gemeinden spannen auch ihre Mittel aufs äusserste an, dass man aber am hellichten Werktage aus politischen Gründen nach Sozialistenart Aufläufchen macht, will dem Ernst des Liechtensteiners nicht einleuchten.

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[1] L.Vo., Nr. 29, 10.3.1934, S. 2.
[2] LI LA RF 144/086/002r.
[3] Gesetz vom 3.7.1933 über den Schutz der Natur (Naturschutzgesetz) (LGBl. 1933 Nr. 11).
[4] Der Landtag lehnte am 23.3.1933 den Entwurf eines Arbeiterschutzgesetzes ab (LI LA LTP 1933/026, 044).
[5] Diesen Vorwurf wiederholte das "Liechtensteiner Volksblatt" am 13.3.1934, wobei der Schreiber anfügte, es werde "erzählt, dass von den 75 Demonstranten 29 vorbestraft gewesen seien. Da glauben wir es gern, wird gegen Gesetz und Ordnung protestiert" (L.Vo., Nr. 30, 13.3.1934, S. 2 ("Proteste und Arbeit")).
[6] Die Gampriner Gemeindevorstehung hatte eine für den 4.3.1934 geplante Versammlung des Heimatdiensts in Gamprin zunächst verboten (L.Heimatd., Nr. 18, 7.3.1934, S. 1 ("Die 8. Heimatdienstversammlung in Gamprin - verboten!", "Protest"), S. 2 ("Es lebe das demokratische Liechtenstein")).