Die Regierung bereitet eine Verordnung betreffend Vorkehrungen bei Bombenangriffen vor


Verordnungsentwurf der Regierung, nicht gez. [1]

o.D. (vermutlich Oktober 1943)

Vorkehrungen bei Bombenangriffen

Art. 1

Um einen geordneten Gang der Rettungsarbeiten bei allfälligen Bombenangriffen zu gewährleisten, verfügt die fürstliche Regierung wie folgt:

Die Oberleitung der Rettungsarbeiten wird von der Regierung besorgt (Regierungschef [Josef Hoop], Regierungschef-Stellvertreter [Alois Vogt], Regierungsrat [Anton] Frommelt).

Diese begeben sich an Ort u. Stelle mit dem nötigen Kanzleipersonal und treffend die erforderlichen Anordnungen.

Art. 2

Für die Rettungsarbeiten werden ungesäumt, je nach Bedarf, einzeln oder gesamthaft zugezogen:

  1. die Polizei, nötigenfalls verstärkt durch Hilfspolizei,
  2. die Feuerwehren,
  3. die Ärzte,
  4. die Sanitätsgruppen,
  5. die technischen Hilfsdienste.

Art. 3

Bis zum Eintreffen der Regierung trifft der Ortsvorsteher die nötigen Anordnungen. Zu letzteren gehören:

  1. Verständigung der Regierung und der Nachbargemeinden wegen Hilfe, entweder telefonisch oder durch Boten (Glockenzeichen?),
  2. Absperrung der Unfallstelle und Leistung erster Hilfe.

Art. 4

(Aufgaben der Polizei:)

Die ständige Polizei hat mit allen zur Verfügung stehenden Schutzmännern sich sofort auf der Unfallstelle einzufinden.

Über den bedarfsweisen Beizug von Hilfspolizisten entscheidet die Regierung.

Erste Aufgabe der Polizei ist die Absperrung der Unfallstätte und die Verhinderung des Zutrittes Unbefugter. Über ihre weitere Verwendung entscheidet die Regierung am Platze.

Art. 5

(Aufgaben der Feuerwehren)

Die freiwillige Ortsfeuerwehr hat sofort auf der Unfallstelle zu erscheinen.

Über den Beizug der Nachbarfeuerwehren entscheidet der Ortsvorsteher bezw. nach ihrem Eintreffen die Regierung.

Erste Aufgabe der Feuerwehr ist die Rettung von eingeschlossenen Personen und die Bekämpfung von Bränden.

Art. 6

(Ärzte)

Der Landesphysikus [Martin Risch] und die in der Unfallgemeinde stationierten Ärzte haben ungesäumt auf der Unfallstelle zu erscheinen. Trifft der Unfall eine Gemeinde, in der keine Ärzte sind, haben die Ärzte der Nachbargemeinde an der Unfallstelle zu erscheinen. Der Beizug weiterer Ärzte ist der Regierung vorbehalten.

Art. 7

(Sanitätsgruppen)

Für die erste Hilfe für Verunfallte, deren Abtransport und Betreuung wird in jeder Gemeinde eine Sanitätsgruppe aus männlichen und weiblichen Personen gebildet und ausgebildet.

Der Sanitätsgruppe steht ein Sanitätschef vor.

Die Sanitätsgruppe hat sofort an der Unfallstelle zu erscheinen und arbeitet nach den Weisungen der Ärzte.

Art. 8

(Die technischen Hilfsdienste)

In jeder Gemeinde wird eine technische Hilfsdienstgruppe gebildet, die aus Elektrikern, Installateuren, Schlossern, Spenglern u.ä. zu bestehen hat.

Art. 9

(Ausrüstungsmaterial)

Den liechtensteinischen Ärzten werden vom Lande die erforderlichen Medikamente (Katastrophenkasten) zur Verfügung gestellt. Dieser darf nur angebrochen werden in Katastrophenfällen.

Ein ebensolcher Kasten wird unter den gleichen Voraussetzungen dem Chef der Sanitätsgruppe der Gemeinde zur Verfügung gestellt.

Den Sanitätsgruppen wird das weitere Sanitätsmaterial von den Gemeinden zur Verfügung gestellt (Bahren, Decken etz.).

Art. 10

(Autosicherstellung)

Sämtliche in der Gemeinde fahrbereiten Autos werden mit dem Zeitpunkte des Unfalleintrittes für Rettungszwecke beschlagnahmt.

Die Fahrer haben mit den Wagen an der von der Rettungsleitung bezeichneten Stelle unaufgefordert zu erscheinen. Für die Fahrten wird der Treibstoff zur Verfügung gestellt bezw. ersetzt.

Art. 11

(Unterbringung zur Spitalbehandlung)

Die Regierung trifft Abmachungen mit den in Frage kommenden Krankenhäusern wegen Unterbringung von Verletzten: Vaduz, Grabs, Altstätten, Walenstadt.

Art. 12

(Blutspender)

Die Regierung fordert die in Frage kommenden Personen auf, sich als Blutspender zur Rettung der Verunglückten zur Verfügung zu stellen. [2]

______________

[1] LI LA RF 220/187b/j. Ein weiterer Entwurf mit handschriftlichen Änderungen bzw. Ergänzungen enthält die Bemerkung (vermutlich des Regierungschefs) vom 14. Oktober 1943, dass die Angelegenheit mit den Ärzten besprochen wurde. Der Entwurf ging am 26. Oktober 1943 an den Grabser Spitalsarzt Dr. Werder mit der Bitte um Begutachtung (LI LA RF 220/187b). Anlass war wohl die Bombardierung Feldkirchs am 1. Oktober 1943.   
[2] Eine entsprechende Verordnung im Liechtensteinischen Landesgesetzblatt ist nicht ergangen.