Leitartikel im "Liechtensteiner Volksblatt" [1]
11.6.1941
Bekenntnis zum Glauben
Zum Fronleichnamsfest
Als unser Herrgottstag wird im Volksmunde das Fronleichnamsfest bezeichnet. Es ist der Tag, an welchem Christus in wunderbarer Verwandlung, in Brotgestalt, im Triumphzuge segnend durch die Welt schreitet. Es ist ein liebstes Hochfest der katholischen Welt, die sich herrlich freut, an diesem Tage dem Wundergeheimnis der Liebe öffentlich huldigen zu können. Und es ist das Fest des Bekenntnisses des Glaubens an Christi Wort. "Dies ist mein Leib…"
Wo immer Katholiken leben, in allen Zonen, sie werden an unserem Herrgottstage, an Fronleichnam anbetend, niederknien vor dem Allerheiligsten, sie werden in Dank- und Lobgesang preisen die Huld und Güte, die Gnade und Wundertat Jesu Christi. Hunderttausende von Männern und Frauen und Kindern, Europäern, Afrikaner, Eskimos, Chinesen und Indianer, Japaner und Australier, Rote Schwarze, Gelbe und Braune, bekunden an diesem Tage in Treue: "Wir glauben, wir lieben, wir verehren, wir beten an Christus unsern Gott und Herrn im allerheiligsten Sakrament des Altars. Millionenfach entsteigt gottgläubigen Herzen der Jubelruf: "Hosanna unserm König aller Welten, Dein Reich, dein Segen komme zu uns!"
In das Jubelklingen des Fronleichnamsfestes 1941 wird dumpf u. traurig mitschwingen der Schmerz und das Leid, die Not und das Elend eines furchtbaren Weltkrieges. Der Ungeist regiert heute die Welt, der in ärgstem Widerspruch steht mit der Liebe des göttlichen Königs. Eine Riesenprozession von Toten, Verwundeten, von Krüppeln, Witwen und Waisen, von Hungernden, von Heimatlosen, von in Knechtung und Verbannung lebenden Menschen zieht an unserm geistigen Auge vorüber und weiter geht das Rasen in Hass und Vernichtung. Weg mit Fronleichnam, Kanonen und Bomben sind dringlicher als diese Festfeier, die uns nichts zu sagen hat, die unserem Machtwissen im Wege ist; das ist eine erschreckende Parole unserer Zeit. - Wäre es da nicht besser, still und ohne äusserliches Gepränge ohne Prozession still auf unserer lieben Friedensinsel Fronleichnam zu begehen?
Mit aller Wucht aber drängt sich uns heute bei Prüfung der Frage auf: Wir stehen in einer Zeit der Scheidung und Entscheidung. Auch der Geisteskampf ist entbrannt. Jetzt gilt es die Fahne des Kreuzes zu entfalten und vor aller Öffentlichkeit das Bekenntnis des Glaubens abzulegen. In der Zone des Friedens hatte Kalt und Warm Platz in einer Seele; jetzt zucken aber die Blitze eines Gottlosen- und Neuheldentums über Länder und Völker weg und bedrohen die ganze Christenheit. In flammenden Aufleuchten vieler Zeitgeschehen erscheint die Frage: Mit Christus oder ohne Christus? Mit Gott oder ohne Gott? Ist es da nicht ein Gebot der Stunde, offen zu bekennen: Wir stehen zu unserem Führer, zu Christus dem König, zum Friedensfürsten, dessen Güte und Milde so unerschöpflich ist, dessen Gesetze allein gerecht sind, die allein Menschenwohlfahrt und Frieden bringen werden. Wie Raubtiere stürzen die Menschen heute gegeneinander, um sich zu zerfleischen und alle Kultur zu vernichten. Und Gott lässt diesen Wahnsinn der Menschen austoben. Gott weiss warum! Die Welt scheint dem Chaos verfallen zu sein, losgelöst vom tieferen Sinn der Gottesgebote machen sich brutaler Menschenwille und Vernichtung breit. O wie gut ist es da, wenn heute Christus wie einstens in Palästina segnend und beruhigend durch Dorf und Stadt geht. Wir dürfen uns nicht auf die selige Insel des inneren Friedens zurückziehen. Wir haben eine heilige Aufgabe, unsern alles durchwirkenden Glauben zu bekennen. Der hat einstens die christliche Kultur geformt, die zerstörenden Kräfte, die nun wie wilde Furien losgelassen sind, kommen nicht von ihm. Ist das nicht unser Elend, dass alle Einheit auseinanderfällt, dass der eine Mensch nicht mehr in Gerechtigkeit und Liebe zum andern steht, dass wilder Egoismus bei den Einzelnen und in den Nationen sich breit macht, dass die zusammengeballte Masse auf die Gegenmasse sich stürzt? Und nun bekennen wir unsern Glauben an das Echte und Tiefe im Menschen, unsern Glauben, dass wir alle eins sind in Gott, dass das Geschöpf nicht gegen das Geschöpf sein darf, dass Christus in derselben Natur uns alle geeint, für uns gestorben ist und uns alle regiert.
Darum folgen wir Katholiken am Fronleichnamsfeste dem Rufe unserer Glocken und verehren in Gebet und Lied das himmlische Manna, das Wundergeheimnis der Liebe, überzeugt, dass
Gott in der Hülle,
Er, sich verkleidend in der blendend Fülle.
Gürtet die Schatten des Brotes sich um;
Er, der gesprochen in Sturmesgebrülle
Predigt stumm!
(Christkönigsruf)
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[1] L.Vo., Nr. 63, 11.6.1941, S. 1. Vgl. auch die Weihe des Landes an die Jungfrau Maria auf Dux durch Fürst Franz Josef II. am Ostermontag 1940 (L.Vo., 1940.03.27).