Das "Liechtensteiner Volksblatt" berichtet über die Landeswallfahrt zur Kapelle Dux


Artikel im "Liechtensteiner Volksblatt" [1]

23.5.1945

Die Landeswallfahrt auf Dux

Ein Land vom Kriege verschont, nicht eine Bombe fiel auf diesen Boden, keine Hütte litt Schaden. Und das in einem Kriege, der die Länder wie eine Seuche erfasste, weil im Organismus ein kranker Herd gebrütet. Unser Liechtenstein blieb verschont. Wohl erzitterten die Fensterscheiben, wenn im benachbarten Gebiet die Bomben ihr Zerstörungswerk vollbrachten; dem Liechtensteiner geschah kein Leid an Leben und Gut. Da durfte Liechtensteins Volk denn ausser dem Danksonntag dem Herrgott für die wunderbare Bewahrung in Dankbarkeit einige Stunden opfern in der Wallfahrt des Landes zur Schützerin hin zum Wallfahrtsort Dux.

Klarer konnte die Dankbarkeit dieses gemeinsamen Dankes kaum zum Ausdruck gebracht werden, als dies HH. [Hochwürdiger Herr] Generalvikar Benedikt Venzin von Chur in der Dankpredigt im Kirchlein Dux es getan hat. Vor fünf Jahren habe Seiner Durchlaucht unser Landesfürst [Franz Josef II.] seine Person, seine Familie, sein Land und Volk an diesem Orte unter den Schutz Mariens gestellt. [2] Das liebe Heimatland und das katholische Volk sei von den Greueln des Krieges bewahrt und ihm das kostbare Gut des Friedens erhalten. Ein Meer von Tränen und Blut, eine Welt voll Leid habe der Krieg zurückgelassen, der Wohlstand der Nationen sei zerschlagen, auf den Ruinen trauerten die Witwen und Waisen. Der Prediger fuhr dann sinngemäss fort:

Es ist wohl wie ein Wunder zu betrachten, dass Euer schönes, teures Heimatland wie unsere liebe Schweiz vom Greuel der Verwüstung unversehrt geblieben ist. Wir müssen es sagen: nicht etwa weil wir besser gewesen sind, sondern weil es besondere Fügung und Güte Gottes war. Wahrhaftig Grund genug, dass das Volk Liechtensteins heute nach 5 Jahren wieder hinaufzieht zur Friedenskönigin, um für den Frieden zu danken und zu bitten, dass wir den Frieden hüten und bewahren, denn es sind der Gefahren noch viele.

Die Hand Gottes hat sichtbar über Eurem Land gewaltet. Vor fünf Jahren hieltet Ihr nicht ohne Bangen und Sorgen hier Einkehr. Leute, die um die damalige Situation wussten, sagten, nur noch ein Wunder kann uns retten. Dieses Wunder ist geschehen, ohne Heer, ohne Bomber, ohne Militär, am Rande des brandenden Meeres gelegen, ist Euer Land unversehrt davongekommen. Das können wir uns nur erklären mit dem sichtbaren Schutz der göttlichen Vorsehung. Der liebe Gott hat die Fürbitte der Gottesmutter angenommen.

Wir wollen danken, dass wir unsere Heimat und unsere schmucken Dörfer unversehrt sehen, dass unsere Väter und Brüder der Familie erhalten blieben. Dann aber sollen wir auch denen danken, denen der Herrgott die Führung und Regierung des Landes anvertraut hat, die diesen Gefahren mit Klugheit und Festigkeit das Schifflein des Landes durch das stürmische Meer geleitet haben. Da ist es das Ansehen der Familie des Landesfürsten und seiner Klugheit, die Umsicht Eurer Regierung, dann aber auch das heimattreue Volk, die zu dieser Bewahrung beitrugen und fest blieben im Vertrauen auf die göttliche Vorsehung.

Den Frieden nun können wir auf zweifache Weise hüten. Einmal durch Gottestreue. Ernste Männer sind heute überzeugt, dass dieser furchtbare Krieg ein Strafgericht Gottes gewesen ist für den Abfall vom Christentum. Nur noch wenig Regierungen trugen ein christliches Gepräge, die Literatur verkündete den Unglauben und von den Lehrstühlen der Universitäten erklang die Gottesleugnung. Der Herr liess diese Menschen an ihren eigenen Lehren zugrundegehen. Die letzten Jahre waren ein eindrücklicher Anschauungsunterricht, dass die Völker ohne den Herrgott zugrundegehen.

Ein Arbeiterführer sagte einst vor hundert Jahren in Deutschland: Wir überlassen den Himmel den Engeln und den Spatzen, wir bauen hier auf Erden das Paradies. [3] Wir haben die Kultur und die Technik und den Fortschritt, sagten andere. Der Herrgott hat die Illusionen zerschlagen und auch das Dogma von der Staatsallmacht vernichtet. Der Philosoph des letzten Jahrhunderts, der den Staat den „präsenten Gott“ nannte, [4] wurde ins Unrecht versetzt. Diese Auffassungen sind zur Geissel geworden für die Menschheit.

Warum diese Gedanken? Sie wollen Euch überzeugen, dass die Völker ohne den Herrgott und den Glauben zugrundegehen. Das ist auch das Ergebnis des Anschauungsunterrichtes der Zeit, die wir durchgemacht haben. Gottestreu sollen wir deshalb bleiben in der Familie, im Land, im privaten Betrieb, überall, dann hüten wir den Frieden.

Weiter lässt uns Heimattreue den Frieden bewahren. Was ist die Heimat? Wo unser Leben erwachte, wo die Wiege stand, wo ein treuer Vater für die Familie sorgt, ein liebes Mutterherz schlägt und der Boden uns das tägliche Brot gibt. Für diese Heimat wollen wir einstehen, wie sie ist. Wir wollen keine Heimat mit Kanonen und Bombern, sondern eine Heimat, wie sie unsere Väter geliebt und gepflegt haben. Für diese Heimat wollen wir leben und dafür arbeiten, den Frieden und die Wohlfahrt zu bewahren. Wir fahren nicht nach Norden und nicht nach Osten, sondern nach oben und stehen zu unserer Regierung, die für die Heimat arbeitet und ein offenes Auge hat für die Bedürfnisse des gesamten Volkes aller Klassen und Stände.

Im Anschlusse an die Dankpredigt sprach Seine Durchlaucht Fürst Franz Josef den Dank an die Gottesmutter für den Schutz und wiederholte die Weihe an die Friedenskönigin.

Die Dankandacht in der Wallfahrtskirche, wie auch die Ansprachen wurden durch Lautsprecher übertragen, sodass die ganze Feier von dem um das Kirchlein versammelten Volk trotz des starken Föhns miterlebt werden konnte.

Anschliessend nahmen das Durchlauchtigste Fürstenpaar, die Mitglieder des fürstlichen Hauses, die Geistlichkeit und die Regierung Platz auf der mit den Farben des Landes drapierten Bühne.

HH. Pfarrer Johann Tschuor sprach hier zum versammelten Volke:

Es erscheine ihm eine hohe Ehre, heute die vaterländische Ansprache zu halten dürfen. Er sei zwar Schweizer, aber es möge bedacht werden, dass das Wort aus vollem Herzen komme. Das mögen auch die überlegen, denen das Wort gar zu voll erscheinen könnte, was er heute aus Überzeugung sage, habe er auch damals öffentlich bekräftigt, als der liechtensteinische Kurs auch bei liechtensteinischen Bürgern nicht allzu hoch stand.

Durch den Mund des Landesfürsten hätten wir vernommen, dass Maria es gewesen ist, die ihren Schutzmantel über Land und Volk ausgebreitet hat. Unser Land wurde bis zum letzten Augenblick bewahrt. Unser Herrgott hat uns vor der blutigen Karte des Krieges ausgespart und ich glaube, dass er dies tat für seine Zwecke, dass dieses Liechtenstein nun bemüht sein muss, zu Werke des Friedens seinen Teil beizutragen. Ihr Männer und Frauen von Liechtenstein, Eure Hände und Eure ganze liechtensteinische Seele ist einzusetzen in der kommenden Aufbauarbeit. Glaubt nicht, dass Liechtenstein da nichts zu tun hat, denn Liechtenstein und die Weltgeschichte hängen zusammen. Wie jeder Mensch im Leben eine Rolle zu spielen hat, so auch jedes Land. Nicht die Bevölkerungsanzahl und nicht die Quadratmeter, sondern der Geist ist es, der lebendig macht. Die Seele Liechtensteins muss eingesetzt werden für das Aufbauwerk. Das erwartet Gott von Euch. Jeder Teil der Volksgemeinschaft ist gerufen, mitzuarbeiten. Gebt Liechtenstein hinein in das Aufbauwerk, die gleichartige Struktur der Bevölkerung, das gleiche religiöse Bekenntnis, die freiheitliche Verfassung und die monarchische Führung sind die ausgezeichneten Grundlagen, auf denen wirksam gebaut werden kann. Ich bin der Meinung, es gibt auch eine liechtensteinische Schwäche, und das ist zu wenig Stolz auf Euer Land.

Die schönste und grösste Möglichkeit bietet die Gemeinsamkeit Eures Glaubens. Jede Idee ist eine politische Macht, aber die Wahrheit ist eine politische Grossmacht. Die Waffen der Technik vermögen nichts gegen die Wahrheit. Nur wenn der Ungeist oder die Unwahrheit Einzug hält, dann aber ist der Staat in seinem Grundgefüge gefährdet.

Die Welt ist voll sozialer Probleme. Aber ich bitte Euch, schaut hin auf die Männer an der Spitze eines zweitausendjährigen Reiches, auf die Päpste, die für das politische und für das soziale Leben Richtlinien geben. Baut Ihr auf jenen Grundlagen, die in den Rundschreiben der Päpste gegeben sind, dann baut Ihr auf guten Grundlagen auf. Wen einem Arbeiter im Lande der Aufstieg gesichert ist, wenn der Adel der Gesinnung ausschlaggebend ist, dann ist dem Kommunismus der Nährboden entzogen. Die Politik soll Realpolitik sein, liechtensteinische Realpolitik, nicht ein System, sondern die Politik, die gründet auf der katholischen Wahrheit. Baut die liechtensteinische Seele aus, holt alle Quadern herbei, dann werdet Ihr auch ein schönes Liechtenstein aufbauen können.

Und der Jugend möchte ich sagen: Schiele nicht über die Grenzen des Landes und versuche nicht einen Grossstaat nachzuahmen. Liechtenstein ist würdig genug, es zu leben, es auszusparen.

Wenn wir alle die wunderbaren Möglichkeiten einsetzen, dann werden die Augen vieler sich auf uns richten, dann werden sich die Augen einer grossen Welt richten auf ein Volk, das seine grosse Seele gefunden hat. Ich glaube daran.

Fürst und Fürstin, die Mitglieder des fürstlichen Hauses, die Geistlichkeit und die Regierung des Landes schritten am Sonntag unter Gebet von der Schaaner Pfarrkirche hinauf zur Landesmutter auf Dux, zu danken und um die Bewahrung des Friedens zu bitten. Ein Atom der grossen Welt, ein winziger Bruchteil der grossen Völkerfamilie, aber es war ein glanzvolles Bekenntnis zum Frieden, der auch der übrigen Welt in vollem Umfange werden möge.

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[1] L.Vo., Nr. 59, 23.5.1945, S. 1f..
[2] Vgl. L.Vo., Nr. 36, 27.3.1940, S. 1f. ("Vaterlandsweihe auf Dux").
[3] Die zitierten Verse stammen ursprünglich von Heinrich Heine: "Wir wollen hier auf Erden schon / Das Himmelreich errichten / [...] / Den Himmel überlassen wir / Den Engeln und den Spatzen" (aus: Deutschland. Ein Wintermärchen. Caput I).
[4] Anspielung auf Georg Wilhelm Friedrich Hegel.