Artikel im "Liechtensteiner Volksblatt" [1]
28.4.1945
Das Gebot der Stunde
Jeder Liechtensteiner, der sein Land wirklich aufrichtig liebt, hat die letzten Jahre ausnahmslos viel leiden müssen, er hat viel mitansehen, viel dulden müssen und hat zu allem geschwiegen, weil er wusste, dass Schweigen das Gebot der Stunde war. Der grösste Teil des liechtensteinischen Volkes hat den fremden Ideologien gegenüber standgehalten, insbesondere auch die liechtensteinische Jugend. Nun ist es an der Zeit, vor den Wahlen ein offenes Wort zu reden.
Heute gibt es wiederum ein Gebot der Stunde und das ist das, dass
nicht ein einziger Nationalsozialist oder "Volksdeutscher" [2] oder auch nur einer, der mit diesen Bewegungen sympathisiert od. irgend einen Gewinn daraus gezogen hat, gewählt wird.
Auf der Liste der Bürgerpartei steht kein einziger Mann, dem auch nur der geringste Vorwurf bezüglich seiner vaterländischen Gesinnung gemacht werden kann. Das trifft leider bei der Union nicht zu!
Man muss überhaupt staunen, dass sich einzelne Herren heute noch getrauen, als Kandidaten für den liechtensteinischen Landtag aufzutreten. Man braucht heute nicht nach Rache sinnen oder nach Vergeltung.
Schwere Zeiten kommen, und Liechtenstein kann diese nur überstehen, wenn der Landtag aus charakterfesten Männern zusammengesetzt ist, die nicht mit dem Nationalsozialismus sympathisiert, geliebäugelt haben,
oder unter dem Drucke der Aussenpolitik sich zu unfairen Handlungen gegen das Vaterland verstiegen, sondern nur solche, die uneigennützig zu jeder Zeit für ihr Vaterland eingetreten sind. Wir Liechtensteiner müssten uns schämen, wenn auch nur ein einziger Mann in den Landtag gewählt würde, der diesen Anforderungen, die das Volk in seiner grossen Mehrheit an ihn stellt, nicht entsprechen würde.
Das Volk hat die letzten Jahre nicht vergessen - sondern die Stimme wird immer lauter und lauter - die Stimme, die die einzelnen Führer fremder Ideologien wieder in Erinnerung bringt, die sagt, wie die Herren sich im Jahre 1938 und 1939 benommen haben. Heute sind sie ausnahmslos 150prozentige Patrioten, diese Opportunisten, genau so, wie sie es im Jahre 1938 und 39 auf der andern Seite waren. Kein einziger von diesen darf in den liechtensteinischen Landtag gewählt werden.
Die Wähler haben nur die Gewähr dafür, dass richtig Leute, Männer, die sich in schwerer Zeit bewährt haben, in den Landtag kommen, wenn Sie die Liste der Bürgerpartei stimmen.
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