Protokoll der öffentlichen Landtagssitzung, nicht gez. [1]
30.3.1938
Präsident [Anton Frommelt]: Sehr geehrte Herren Abgeordneten! Herr Regierungschef!
Ich begrüsse Sie hiemit zu dieser heutigen öffentlichen Sitzung, in der tiefgreifende Beschlüsse zu fassen sind. Aus der gedrückten Stimmung der letzten Konferenzsitzung ergab[en] sich als Konsequenz die Friedensverhandlungen. [2] Die Vorschläge sind in den Parteileitungen beider Parteien des Landes überlegt und bejaht worden. Sie sind folgendermassen:
In Rücksicht auf die Befriedung des Landes nach innen und unter Berücksichtigung, dass gerade heute unter den besonderen äusseren Verhältnissen eine starke innere Befriedung des Landes notwendig sein muss, um nicht das Höchste im Volke zu gefährden, schlagen die beiden Parteien vor, die Regierung möge umgebildet werden und zwar dahingehend, dass der Vaterländischen Union die Stelle eines Regierungschefstellvertreters zuerkannt würde, dass die Regierungsräte entsprechend den Parteien bestellt würden und dass in späterer Zeit ein entsprechendes Proporzgesetz [3] durchgeführt werde. Das sind die Hauptpunkte der Friedensverhandlungen, die nun heute im ersten Punkte zum Beschluss vorgelegt werden. Wenn es auch wünschbar wäre, dass diese Umgestaltung unter anderen Verhältnissen durchgeführt hätte werden können, so bin ich doch der Meinung, dass in Anbetracht der erwähnten Gründe jeder der Abgeordneten die Situation als solche erfasst und erkennt, dass eine derartige Umgestaltung im Sinne einer Befriedung und damit im Sinne des Wohles des Landes gelegen sei.
Ich möchte als Vorsitzender empfehlen, einer solchen Umgestaltung keine Schwierigkeit in den Weg zu legen und zur Vertiefung des inneren Friedens und zur Bereinigung der Gegensätzlichkeiten der Parteien diesen Schritt zu tun.
Er hat eine gewisse Verantwortung in sich und wir hoffen, dass wir ihn in dieser Stunde verantworten können. Damit wird das Verantwortungsgefühl gehoben und die Freude und Liebe zur Heimat gesteigert werden. Ich empfehle, diesem schwerwiegenden Schritt die Behandlung und Zustimmung nicht zu versagen. Einen Wunsch möchte ich hier beischliessen: Wenn schon diese Konsequenzen gezogen werden, dass die Parteien zu dieser inneren Befriedung kommen sollen, so würde ich empfehlen, die letzten Konsequenzen zu ziehen und dem Parteileben im Lande die Verabschiebung zu geben. Es ist dies nicht eine Sache des Landtages, aber wenn im Sinne dieser Befriedung gearbeitet wird und dieser Gedanke sich in beiden Parteien durchschafft, so ist der Standpunkt der Parteien gegeben, dass heute das Parteileben im früheren Sinn die Bedeutung verloren hat. Aus diesem Gedanken würde erwachsen, dass vielleicht der 2. Punkt in späterer Zeit und auf eine andere Art und Weise gelöst werden könnte. Wenn ich in diesem oder einem anderen Punkte der Vorschläge überhört worden bin, so möchte ich bitten, auf das Ganze hinzuzielen, auf einen Zusammenschluss aller am öffentlichen Leben Verantwortlichen zum Wohle des Vaterlandes hinzuarbeiten. Diesen meinen Wunsch bitte ich nicht überhören zu wollen.
Sodann bitte ich noch eines, dass in der heutigen Sitzung alles das ausser Betracht fällt, was im Sinne einer parteimässigen Behandlung aufscheinen könnte, das heisst, dass Diskussionen irgendwelcher Art, sei es beleidigenden Inhalts oder Erinnerungen, für heute verstummen sollen.
Ich kann den Herren Abgeordneten die Demission der Regierung u. zwar der Gesamtregierung zur Kenntnis geben. Die Herren Regierungsräte und ihre Stellvertreter [4] haben ihre Zustimmung hiezu gegeben. Der Herr Regierungschef und dessen Stellvertreter habe ihre Demission in die Hände des Fürsten zurückgelegt [5] und vom Fürsten die Annahme erhalten mit folgendem Telegramm (Dasselbe wird verlesen). Das heisst in diesem Falle, dass von Seite des Fürsten im Interesse des Friedens eine derartige Vorkehrung im Lande gebilligt wird in der Hoffnung, dass es dem wirklichen Frieden diene.
Es wird nun folgendes notwendig sein. Nachdem die Regierung ihr Mandat niedergelegt hat, haben wir dieselbe neu zu bestellen und ich bitte die Herren Abgeordneten, ihre Wünsche in schriftlicher Abstimmung zur Kenntnis zu geben. Unter Bezugnahme auf die Konferenzsitzung [6] herrscht das grundsätzliche Einverständnis der Herren Abgeordneten. Ich möchte aber doch noch formell über diese Sache abstimmen lassen und sage: Wer unter Berücksichtigung der obwaltenden Gründe damit einverstanden ist, dass heute die Umbildung der Regierung durchgeführt werden soll, möge dies mit Handerheben kundtun.
Die Abstimmung erfolgt einstimmig.
Präsident: Wir schreiten nun zum Vorschlag an unseren Landesfürsten bezgl. der Wahl des Regierungschefs. Aus den Verhandlungen ist hervorgegangen, dass für diese Stelle der bisherige Reg.Chef Dr. Jos[ef] Hoop neu vorgeschlagen wird.
Die Abstimmung ergibt 15 Stimmen für Dr. Hoop.
Präsident: Ich freue mich, diesen einstimmigen Vorschlag des Landtages an den Landesfürsten zur Kenntnis geben zu können und ersuche um entsprechende Weiterleitung dieses Vorschlages an Seine Durchlaucht den Landesfürsten.
Präsident: Wir kommen nun zur Wahl des Regierungschefstellvertreters, der ebenfalls über Vorschlag des Landtages vom Landesfürsten bestellt wird. Aus den Friedensverhandlungen und der Konferenz hat sich ergeben, dass für diese Stelle Dr. Alois Vogt vorgeschlagen wird.
Dr. A. Vogt wird einstimmig, d.i. mit 15 Stimmen gewählt.
Präsident: Ich bitte, diese Wahl dem Herrn Dr. Vogt zur Kenntnis zu bringen und ich wünsche ihm Glück zu seiner künftigen Arbeit.
Wir schreiten nun zur Wahl der beiden Regierungsräte.
Dr. [Otto] Schädler: Aufgrund der zwischenparteilichen Besprechungen und der Vorbesprechung in der Konferenz ist als Novum die Stelle eines ständig amtierenden Regierungsrates geschaffen worden. Nach den Besprechungen der Parteien schlage ich für diese Stelle den Präsidenten [Anton] Frommelt vor.
Präsident: Ist noch ein anderer Vorschlag? Es scheint nicht der Fall zu sein. In diesem Falle wird separat gewählt werden müssen. Wir stimmen vorläufig ab über die Stelle des ständig amtierenden Reg.Rates.
Es wird mit 14 Stimmen gewählt Hochw. Präsi. Anton Frommelt.
Als zweiter Regierungsrat wird mit 15 Stimmen gewählt Altwaldaufseher Arnold Hoop in Eschen.
Als Regierungsratstellvertreter werden mit je 15 Stimmen gewählt:
Jakob Schurte, Altkassier in Triesen und
Eugen Meier, Schreinermeister in Mauren.
Präsident: Damit ist die Umbildung der Regierung, soweit es sich um die Beschlussfassung des Landtages handelt, vollzogen und ich möchte nicht verfehlen, bei diesem Anlasse den ausscheidenden Mitgliedern der Regierung von Seite des Landtages den allerherzlichsten Dank auszusprechen. Es ist mit Rücksicht auf das Wohl der Heimat für die Scheidenden kein schweres Opfer und ich freue mich, dass das Resultat des Landtages in einer solchen Geschlossenheit vorliegt.
Reg.Chef [Josef Hoop]: Meine Herren Abgeordneten!
Ich danke vorerst dem Hohen Landtage für das Vertrauen, das er mir schenkte und danke für die freundlichen Glückwünsche des Präsidenten. Ich werde mich bemühen, das in mich gesetzte Vertrauen zu rechtfertigen. Wenn ich mich nun infolge der Umbildung der Regierung auf breiterer Grundlage von meinen bisherigen Mitarbeitern verabschieden muss, ist es mir ein Bedürfnis, ihnen von Herzen zu danken. Herr Reg.Rat Peter Büchel ist seit 1926 Mitglied der Regierung. Mit den schicksalschweren Jahren 1927 und 1928 und dem darauf folgenden Wiederaufstieg unseres Landes wird die Geschichte für immer auch seinen Namen vermerken, denn Reg.Rat Büchel hat mit einer an Erfahrung reichen und seltenen Sachkenntnis, mit einer vorbildlichen Gewissenhaftigkeit und mit unermüdlichem Eifer mitgearbeitet, unsere Heimat über die vielen Fährnisse hinweg einer besseren Zukunft entgegenzuführen.
Es ist für uns schwer, seine bewährte Kraft im Rate der Regierung zu vermissen. Meinem treuen Mitarbeiter von 10 Jahren danke ich an dieser Stelle herzlichst für die stets hingebungsvolle Arbeit, deren reicher Erfolg ihm der schönste Lohn ist. Es gebührt ihm aber auch der Dank des ganzen Landes und ich freue mich aufrichtig, dass Seine Durchlaucht der regierende Fürst ihm in Würdigung seiner vieljährigen verdienstvollen Tätigkeit und zum Zeichen des Dankes und der Anerkennung die Auszeichnung eines fürstlichen Rates verliehen hat.
Mit Herrn Regierungsrat Alois Schädler scheidet ein Kollege aus der Regierung, dessen klares Verständnis für die Bedürfnisse und Nöte und das Wohl unseres Landes und dessen offener Charakter unsere Sympathie erworben hat. Mit ganz besonderer Freude lernten wir ihn in den letzten Tage als einen der aufrechtesten und treuesten Liechtensteiner kennen.
Es freut mich nicht minder, auch ihm mitteilen zu können, dass Seine Durchlaucht der regierende Fürst ihm gleichfalls den Titel eines fürstlichen Rates verliehen hat. Ich beglückwünsche ihn, wie auch Herrn Regierungsrat Büchel zu dieser Ehrung.
Meine kommenden Mitarbeiter in der Regierung, unter denen ich mit grosser Genugtuung wieder den bisherigen Regierungschefstellvertreter, Herrn Landtagspräsidenten Pfarrer Frommelt weiss, lade ich zu loyaler Zusammenarbeit ein. Einträchtige Zusammenarbeit nicht nur im Volke, sondern ganz besonders unter seinen Führern ist heute mehr denn je nötig. Soweit es an mir liegt, soll es daran nicht fehlen.
Ich hoffe zuversichtlich, dass nunmehr alle Voraussetzungen für eine gedeihliche und fruchtbringende Arbeit zum Wohle unserer lieben kleinen Heimat geschaffen sind. Wenn Gottes Segen, um den ich bitte, unsere einmütige Arbeit begleiten wird, darf unser Völkchen, beschirmt wie bisher vom Wohlwollen unseres Fürstenhaues ruhig und getrost in die Zukunft blicken. Möge der heutige Tag der glückliche Ausgangspunkt in sie sein.
Präsident: Ich danke dem Herrn Reg.Chef. für die schönen Ausführungen und auch dem Landtage für die durchgeführten Beschlüsse. Wir sind einstimmig der Überzeugung, dass durch diese Beschlüsse die Befriedung auch geschaffen sei. Wir sind der Meinung, dass die mit den neuen Ämtern betrauten Männer ihre Aufgabe ganz und bedingungslos in den Dienst der Heimat stellen. Es wird notwendig sein, dass das Ausland darauf schaut, was das kleine Völklein in Liechtenstein vorkehren wird. Die Vorkehrungen sind derart, dass sie so ausschauen, wir wollen unserer Heimat den besten Dienst tun und unter uns bleiben, was wir sind in einer Freiheit, Unabhängigkeit, Selbständigkeit und unsere Geschichte in unsere Hände nehmen. Wir dürfen es heute von jedem Liechtensteiner, der auf Geschichte und Heimat etwas gibt, erwarten, dass dieses Gefühl, das an und für sich nie kontrolliert werden musste, weil kein Anlass da war, heute in besonderer Weise erneuert wird. Dazu gehört vor allem auch die Treue und Ergebenheit zum Fürstenhause. Ich möchte die Herren Abgeordneten ohne Ausnahme ersuchen, sich durch Erheben von den Sitzen in meine Erneuerung einzustimmen, dass wir alle einstimmig zum Besten unseres Volkes, treu zur Pflicht und treu zum hergebrachten Fürstenhause halten.
Sämtliche Abgeordneten erheben sich von ihren Sitzen.