Protokoll der Vorsprache von Regierungschef Josef Hoop vor dem Landgericht, gez. von Landrichter Julius Thurnher und Josef Hoop [1]
8.4.1939
Vor dem f.l. Landrichter Dr. Julius Thurnher und dem Schriftführer Marcel Sele.
Es erscheint Dr. Josef Hoop, Jahre [2] alt, fürstl. Regierungschef in Vaduz.
Er ersuchte, seine Zeugenaussage schriftlich niederlegen zu dürfen und überreicht sie nun dem Gerichte.
Meine Bemerkungen über die Ereignisse vom 24./25. März [3]
Ich war am 23. u. 24. März in Lugano und hatte die Absicht, über den 25. März, der Feiertag war, dort zu bleiben. Am Freitag früh telefonierte mir Regierungssekretär [Ferdinand] Nigg, es seien wieder Gerüchte über den Einmarsch der Deutschen herum. Nachmittags erhielt ich ein Telegramm von Dr. [Ludwig] Marxer, in dem ich ersucht wurde, sofort nach Vaduz zurückzukehren, sowie einen Telefonanruf von Dr. [Alois] Vogt, der beinhaltete: "Die liechtensteinischen Anschlussfreunde möchten auf heute Abend einen Rummel inszenieren und hätten die Gewissheit, dass deutsche SA und NSKK [Nationalsozialistisches Kraftfahrkorps]-Formationen ihnen Hilfe leisten würden." Auf meine spontane Äusserung, das sei doch nicht möglich, erklärte Dr. Vogt, doch es sei etwas daran, aber er sei in Feldkirch gewesen und Landrat Dr. [Ignaz] Tschofen und Landrat [Alfons] Mäser von der Landesregierung hätten ihm versprochen, sofort der Sache nachzugehen und jede Aktion von Deutschland her abzustoppen. Es passiere also von Feldkirch her nichts. Ich fuhr dann sofort weg und kam nachts 1/2 2 Uhr in Schaan an. Im Café Risch in Schaan waren zahlreiche Leute aus verschiedenen Gemeinden versammelt, die alle erklärten, es sei ein regelrechter Putsch beabsichtigt gewesen, und man müsse nun endlich einmal Ordnung schaffen. Ich suchte sie zu beruhigen und verbot ihnen jedwede Gewalttätigkeit, denn die Regierung werde schon Ordnung schaffen.
Dort hörte ich auch, dass vor dem Hause des Malers Josef Frick eine grosse Menschenansammlung sei, die gegen die im Hause versammelten Anschlussfreunde eine sehr drohende Haltung einnehme. Ich fuhr dorthin und traf dort Landtagpräsident [Anton] Frommelt, der auf die Menge beruhigend einwirkte. Er erzählte mir die Vorgänge des Abends und der Nacht, deren Wiederholung wohl überflüssig ist, da Herr Landtagspräsident wohl selber vor dem Gericht aussagen wird. [4] Ich begab mich teils allein, teils mit Landtagspräsident Frommelt mehrmals zu den Leuten im Hause Frick hinein, ersuchte sie, ruhig heimzugehen, machte sie auf das Unmögliche ihres Handelns aufmerksam und fragte u.a. auch, was sie eigentlich wollten. Hierauf erklärte sowohl Frick als Ing. [Theodor] Schädler: "Wir wollen einen Wirtschaftsanschluss mit Deutschland." Auf meine Bemerkung, das gehe doch nicht, sie kännten die Stimmung in der liechtensteinischen Bevölkerung und mit Gewalt gehe es ebenso wenig, gaben sie keine Antwort.
Unsere wiederholten Ersuchen, heimzukehren, lehnten sie ab, während draussen die Menge erklärte, dass sie nicht vom Platze gehe, solange die Leute im Hause seien, sondern im Gegenteil, sie würden auch Samstag und Sonntag hier bleiben. Um den Rummel nicht in den folgenden und vielleicht nächstfolgenden Tag hineinziehen zu lassen, beschloss Landtagspräsident Frommelt und ich im Interesse der Sicherheit der im Hause befindlichen, die Leute in einem Autobus nach Vaduz zu führen und in Schutzhaft zu nehmen.
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[1] LI LA J 007/S 072/064/Fasz. 2/045.
[2] Es ist kein Alter verzeichnet.
[3] Die Zeugenaussage trägt den Eingangsstempel des Landgerichts vom 8.4.1939. Sie ist von Hoop handschriftlich auf den 8.4.1939 datiert und von ihm unterschrieben.
[4] Vgl. LI LA J 007/S 072/064/Fasz. 2/050.