Freides Feiwel wird vernommen über seine illegale Einreise in die Schweiz


Einvernahmeprotokoll der Kantonspolizei St. Gallen, Posten Buchs, gez. Wachtmeister Ferdinand Gabathuler und Freides Feiwel, zuhanden des Bezirksamts Werdenberg, als Durchschlag weitergeleitet an das Sicherheitskorps [1]

9.4.1938, Buchs

Wegen illegaler Einreise wird polizeilich einvernommen:

Freides Feiwel, des Lezer & der Leji geb. Mandel, geb. 29.10.1911 in St. Semdon, Polen, dorthin zuständig, Schneider, ledig, unstet

& es deponiert derselbe auf Vorhalt, nach Ermahnung zur Wahrheit was folgt:

Ich bin in Polen geboren & aufgewachsen. Mein Vater ist im Weltkrieg gefallen. Die Mutter starb mir ebenfalls früh & ich wurde in der Folge von fremden Leuten aufgezogen. Zuletzt wohnte & arbeitete ich in Krakau, Polen, d.h. bis zum Frühjahr 1937. Dann wurde ich zum Militärdienst einberufen, desertierte aber dort nach kaum 2 monatlicher Dienstzeit. Ich flüchtete vorerst nach der Tschechoslowakei & verblieb dort bis Montag den 4. April 1938. Dann reiste ich nach Wien, verblieb aber nur 1 Tag dort. Die Polizei gab mir den Rat weiter zu fahren, nachdem ich erklärt hatte, ich beabsichtige nach Frankreich zu fahren. Von der Kulturgemeinde (ich bin nämlich Jude) in Wien habe ich dann etwas Geld erhalten, aus welchem ich mir dann eine Fahrkarte bis Feldkirch löste. Dort bin ich gestern Abend angekommen & begab mich zu Fuss bis zum Strassenzollamt in Tisis, wo ich von den österreichischen bezw. deutschen Beamten angehalten wurde. Es mag dies um ca. 19,30 Uhr gewesen sein. Nachdem ich von denselben zu Protokoll einvernommen worden bin, wurde mir von den Zoll- bezw. Polizei-Beamten der Rat erteilt, mich nun schwarz über die Grenze nach Lichtenstein bezw. der Schweiz zu begeben. Zu diesem Zwecke hat mich ein Polizei-Beamter in blauer Uniform zuerst etwas rückwärts, dann im Bogen um das Zollamt herum, nach der Schweizergrenze begleitet & mir den Weg gezeigt & gesagt wie ich am besten durchkommen werde.

Heute morgen in der Frühe kam ich zu Schneidermeister [Christoph] Kaufmann in Schaan, Lichtenstein & nahm dort das Morgenessen ein. Kaufmann anerbot sich, mir den Weg nach der Schweiz zu zeigen. Er gab mir das Velo seines Sohnes & fuhr mit seinem eigenen Velo mit mir nach der Schweiz. Aber schon in Trübbach sind wir von der Polizei angehalten worden. Während Kaufmann wieder frei nach Schaan zurück reisen konnte, wurde ich polizeilich zur Rücklieferung nach Deutsch-Österreich nach Buchs abgeschoben.

Ich besitze keine Schriften & nur noch Fr. 2.- Barschaft. Fr. 5.- musste ich an Kaufmann für den mir erwiesenen Dienst abgeben. Auch ein Köfferchen mit einem Hemd habe ich ihm hiefür belassen. [2]

Vorgelesen und bestätigt:

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[1] LI LA RF 179/455/001. Eingangsstempel des Sicherheitskorps: Eingelangt am 11.4.1938. E.Nr. 456. Handschriftlicher Vermerk von Gabathuler: "Geht unter Hinweis auf unsere heutige teleph. Besprechung zur Kenntnisnahme an die fürstl. Lichtensteinische Polizei in Vaduz. Das Vorgehen des Kaufmann ist unkorrekt u. sollte geahndet werden."
[2] Das Sicherheitskorps nahm in der Folge weitere Ermittlungen vor und erstattete der Regierung am 16.4.1938 Bericht. Diese erteilte Christoph Kaufmann eine Busse von fünf Franken (LI LA RF 179/455/002).