Nachruf im "Liechtensteiner Volksblatt" [1]
12.2.1929
An der Bahre unseres Landesvaters
Die Seele ist erschüttert, die Zunge bebt, die es aussprechen soll, es zittert die Hand, die es niederschreibt: unser Fürst, unser Landesvater lebt nicht mehr. Gestern Abend ist die kummervolle Befürchtung schmerzvolle Wahrheit geworden. In seinem Schlosse Feldsberg verschied gestern halb sechs Uhr der greise Monarch, unser Landesfürst Johann II. von und zu Liechtenstein im hohen Alter seines 89. Lebensjahres. Wie eine Ampel die mählich abbrennt, auslöscht im leisen Windstoss, so erlosch dies jahrmüde Leben im Andrang seiner letzten Krankheit, einer Lungenentzündung.
Das ist die Wehmut am Schönen, dass es nicht bleiben kann, das ist das Schreckliche am Tod, dass er nicht Schonung kennt und unerbittlich fordert, wo Tausende im wehren wollen. Nicht Hoheit und Grösse, nicht Tugend und Güte, die Liebe nicht einmal vermag ihn abzuhalten den harten Tod. Fast möchten wir es furchtbar nennen heute, dieses eherne Gesetz vom Sterben, wenn nicht ein ewiges Wollen und Sorgen es so bestellt. Und wie furchtbar schroff wirft uns das Leben seine Gegensätze auf. Mitten in die Freude der Tage dieser schmerzliche Schlag. – Es ist nur zu begreiflich, dass das Volk diese Trauerbotschaft kaum zu fassen vermochte, im ersten Vernehmen kaum glauben wollte, bis das erste Trauerläuten im ganzen Lande herum die unabweisbare Botschaft dem Volke zur Kenntnis gab. Wie ein schwerer Bann liegt nun dies Bewusstsein auf dem Volke Liechtensteins, wie ein Alp auf seinem Gemüt, denn unser Volk weiss wohl, dass mit seinem Fürsten ein Vater ihm weggestorben und nicht anders als eine trostlose Familie am Todbett des Vaters stehen wir heute an der Bahre unseres allgeliebten Fürsten und Landesvaters.
Dies Unglück trifft uns umso schwerer, als wir die letzte Zeit durch von andern schweren Unglücksschlägen getroffen, gerade in dem nun verschiedenen Hinschied heute beklagen müssen, hilfreichen Vater und Tröster gefunden und nun als schmerzliches Unglück seinen Hinschied heute beklagen müssen. Wenige Monate sind es, dass wir uns mit unserm hohen Jubelmonarchen so aufrichtig gefreut und Ihm unsere ergebensten Glückwünsche dargebracht [2] und heute müssen wir uns bewusst werden, dass er nicht mehr lebt und müssen in tief bewegtem Gemüt unserer Trauer Ausdruck geben. Es hat wohl kaum eine schmerzlichere Erregung unser allgemeines Volksempfinden so tief erfasst.
Heute erfasst von dieser tiefinnersten Trauer wird uns wieder so ganz lebendig, was der Grosse Verstorbene in den vollen 70 Jahren seiner glorreichen, gottgesegneten Regierung für Volk und Heimat getan, wie Fürst und Volk ein so unzertrennbares Eins geworden, wie unser ganzes Auf- und Fortkommen an seine hochfürstliche Person geknüpft und gebunden gewesen, wie Sein hoher, weitblickender Geist, Seine besorgte Liebe für allen gesunden Fortschritt seines kleinen Volkes bedacht gewesen und wie Seine allbekannte Menschenfreundlichkeit und Mildtätigkeit mit wahrhaft fürstlichem Grossmut das Volk und den Einzelnen gestützt und gehoben. All dessen gedenken wir heute in dankbarer Liebe. Wir danken der Vorsehung, die uns einen solchen Fürsten geschenkt und so lange erhalten, aber man verstehe unsern Schmerz, wenn wir klagen, dass obwohl wir lange unseren gütigen Fürsten und Herrn uns freuen durften, Er dennoch zu früh uns weggestorben.
Ein kleines Volk nur ist unseres Fürsten Volk. Sein Herz war gross genug, ein grösseres zu beglücken, doch umso mehr ist dieses Mass der Liebe uns, seinem kleinen Völklein zugeteilt worden. Kinder seines Blutes hatte unser Landesvater keine, dafür stehen Tausende an Seiner Bahre, denen Er Vater gewesen und es nun nicht mehr sein kann. Die Tränen, die unseres hochseligen Fürsten Liebe getrocknet, die fliessen heute wieder in ernster Trauer um den geliebten Verstorbenen und die tiefen Empfindungen unseres Volkes formen sich heute zu einem dankbaren ernsten Gebet, dass Derjenige, der unserm verstorbenen Fürsten Macht, Reichtum, Grösse und Liebe gegeben und ein Herz, all dies für unser Wohl einzusetzen, dass Er der Fürst der Fürsten, dem verstorbenen Landesvater jede und alle Wohltat hundertfältig vergelte mit ewiger Wohltat.
Unseres greisen Fürsten Bekenntnis und unvergängliches Testament an sein Völklein, das Er die letzten Monate seines irdischen Daseins für uns ausgesprochen, war: „Es war je in meinem Leben mein Bestreben, mein Volk glücklich zu machen, und nun habe Ich auch nur den einen Wunsch, mein Volk möchte glücklich sein." Beten wir, dass Der, der um unser Glück so sehr bedacht gewesen, des einen höchsten Glückes teilhaftig sei.
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[1] L.Vo., Nr. 20, 12.2.1929, S. 1. Vgl. das Protokoll über die Trauersitzung des Landtags vom 12.2.1929 (LI LA LTP 1929/003).
[2] Siehe das Protokoll der Landtagssitzung vom 11.11.1928 zum siebzigjährigen Regierungsjubiläum von Fürst Johann II. (LI LA LTP 1928/100).