Protokoll der Trauersitzung des Landtags, gez. Protokollführer Vinzenz Kaiser [1]
12.2.1929
Präsident [Anton] Frommelt eröffnet die aus Anlass des Hinschiedes des Durchlauchtigsten Landesfürsten Johannes II. stattfindende Trauersitzung und ersucht den hohen Landtag die schmerzliche Trauerbotschaft stehend zur Kenntnis nehmen zu wollen.
Regierungschef Dr. [Josef] Hoop: Gestern abend noch langte folgendes Telegramm von der fürstlichen Kabinettskanzlei in Wien ein:
"Seine Durchlaucht der Landesfürst am 11. halb 6 Uhr abends sanft verschieden." Am 8. ds. Mts. kam die erste Meldung von der Krankheit unseres Fürsten. Ein Telegramm, das kurz besagte, dass Seine Durchlaucht der Landesfürst ernstlich an bronchitischen Erscheinungen und Herzkomplikationen erkrankt sei. Ich erkundigte mich sofort telephonisch über das Befinden Seiner Durchlaucht und erhielt die Mitteilung, dass der Zustand Seiner Durchlaucht stationär sei. Abends 5 Uhr erkundigte ich mich nochmals und es wurde mir das von Prof. Chwostek [Franz Chvostek] ausgegebene Bulletin mitgeteilt, das dahin lautete, dass der Fürst die Nacht von Donnerstag auf Freitag recht gut verbracht habe und dass die Herzaktion ruhiger sei und die bronchitischen Erscheinungen einen Rückgang zu verzeichnen hätten. Tags darauf kam die willkommene Mitteilung, dass die Besserung fortgesetzt anhielte und auch die Herztätigkeit und Nahrungsaufnahme besser seien. Gestern abends kam nun wider Erwarten die besorgniserregende Kunde, dass eine Entzündung den linken Lungenflügel ergriffen habe und das Befinden Seiner Durchlaucht sehr besorgniserregend sei. Kaum eine Stunde später traf die traurige Botschaft vom Tode unseres Fürsten ein.
Stumm in unserem Schmerze stehen wir im Geiste am Totenbette unseres Landesvaters. Was wir in den letzten Tagen so oft befürchtet, ist zur bitteren Wahrheit geworden. Gestern Abend um 6 Uhr kam die unheilvolle Botschaft und als um sieben Uhr alle Glocken das bittere Ereignis klagend verkündeten, da fühlten wir, dass wir arme Waisen geworden waren.
Wir stehen stumm und hadern nicht mit dem unerbittlichen Schicksal, das uns den guten edlen Fürsten geraubt hat. Worte vermögen den Schmerz nicht auszudrücken, denn wir haben unsern Vater verloren. Nach einem Leben unermesslich reich an guten Taten, für die wir am Totenbette nochmals weinend danken, ist er gestern sanft zur ewigen Ruhe eingegangen. Beklagen wir uns, nicht ihn, denn der Fürst ist im Himmel. Die Trauer lässt uns keine Worte finden, ein stummes, inbrünstiges Gebet steigt einzig aus unserer Seele. Der Herr im Himmel gebe ihm die ewige Ruhe.
Präsident Frommelt: Wir haben soeben die erschütternde Nachricht vom Hinschiede unseres allgeliebten Landesvaters, unseres hochgeehrten Fürsten Johann II. [vernommen]. Nicht anders als die Kinder an der Totenbahre ihres Vaters, so stehen wir heute an der Bahre unseres allgeliebten Landesvaters. Waisen hat uns der Herr Regierungschef genannt und Waisenkinder sind wir nun tatsächlich geworden, Tränen stehen in unser aller Augen. Es sind genau drei Monate her, dass wir hier standen zu anderem Tun. [2] Ein schwerer Gegensatz ist es zwischen damals und heute. Stumm sind wir heute, keine Zunge ist unter uns, die unseren Gefühlen Ausdruck geben könnte. Wir alle wissen, was wir an unserem Landesvater verloren haben. Ich habe vor drei Monaten hier gesagt, dass das schönste, was wir an Ihm gefunden, sein väterliches Herz gewesen ist. Mit geistigem Weitblick hat er für uns alle gesorgt. Wir konnten und wollten das so überaus schmerzliche Ereignis nicht fassen. Unter seiner segensreichen Herrschaft ist unser Volk aufgewachsen, unter der Obhut seiner Milde hat sich unser Land erholt, wir hofften, dass die schwere Zeit unserer Tage unter seiner väterlichen Sorge wieder neu erblühen werde. Unser Volk ist eins geworden mit seinem Fürsten, eins im Herzen. Mit einem dankbar liebevollen Herzen stehen wir heute gebeugt und niedergeschlagen an der Trauerbahre.
Ein Trost ist uns geblieben. Derjenige, der uns durch 70 Jahre hindurch den Fürsten geschenkt, der 70 Jahre väterlich von oben auf uns herabgeschaut hat, in dieser schmerzlichen Stunde wird er uns nicht verlassen. Wenn die Stunde auch schwer und schmerzlich für uns zu tragen ist, der ihn uns gegeben, der ihn uns genommen, der wird auch in Zukunft für uns sorgen. In die Hände des gleichen Blutes empfehlen wir die Schicksale unserer Heimat. Dieser Trost lässt uns wieder aufatmen, die gleichen Gefühle fürstlicher Weitsicht, die gleichen Gefühle väterlicher Huld werden uns auch in Zukunft regieren. Diese Zuversicht sei unser Trost.
Präsident Frommelt erinnert sodann an die Worte des Hochseligen Monarchen: "Das Streben meines Lebens war, mein Volk glücklich zu sehen und einen Wunsch habe ich noch, dass mein Volk wieder glücklich sei und werde."
Dieses väterliche Fürstenwort wollen wir als Gedächtnis in unser Herz einschreiben. Wir wollen ihm in unserem Herzen ein ewiges Denkmal errichten und hoffen, dass dieser geistige Ausdruck unserer Verehrung einst auch in einem Denkmal aus Stein oder Erz einen würdigen Ausdruck finden werde. Sein Fürstentum war seine Liebe, Liebe erfordert Gegenliebe, wollen wir dankbar sein im Gebet und in der Arbeit. - Unser Landesfürst war kinderlos, leibliche Kinder stehen keine an seiner Bahre, wir aber waren seine Kinder. Tausende sind es, denen er Vater gewesen; als seine Kinder wollen wir am Totenbette des Hochseligen stehen, als seine treuliebenden, von tiefstem Schmerze ergriffenen Kinder.
Sodann wird die Absendung nachstehenden Telegrammes an die fürstl. Kabinettskanzlei beschlossen:
"Fürstlich liechtensteinische Kabinettskanzlei Feldsberg CSR.
Landtag und Regierung bitten Seiner Durchlaucht dem regierenden Fürsten Franz den Ausdruck tiefgefühltester Anteilnahme am Hinschiede unseres allverehrten Hochseligen Fürsten Johann II. übermitteln zu wollen. Schmerzgebeugt steht das Volk von Liechtenstein am Totenbette unseres unvergesslichen Fürsten. Seine Durchlaucht Fürst Franz I. versichern wir unentwegter Treue und Ergebenheit.
Frommelt Landtagspräsident. Regierungschef Dr. Hoop."
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[1] LI LA LTP 1929/003. Es existieren zwei leicht voneinander abweichende Fassungen des Protokolls. Als Editionsvorlage verwendet wurde das unsignierte Zweitexemplar im Liechtensteinischen Landesarchiv.
[2] Vgl. das Protokoll der Landtagssitzung vom 11.11.1928 betreffend das siebzigjährige Regierungsjubiläum von Fürst Johann II. (LI LA LTP 1928/100).