Der Industrielle Emil Bührle spricht sich gegen die Anwendung der eidgenössischen Kriegsgewinnsteuer in Liechtenstein aus


Schreiben von Emil Bührle an Regierungschef Josef Hoop[1]

31.5.1944, Zürich

Sehr geehrter Herr Regierungschef,

ich beehre mich, Ihnen in der Anlage [2] eine Zusammenstellung von Argumenten gegen die von der Eidgenössischen Steuerverwaltung angeregte Übernahme der eidgen. Kriegsgewinnsteuer durch das Fürstentum Liechtenstein zu übermitteln.

Es wirkt eigentlich grotesk, dass die Eidgenössische Kriegsgewinnsteuer-Verwaltung ausgerechnet zu einem Zeitpunkt mit ihrem Antrag herausrückt, da diese Steuer in weitesten Kreisen der Schweiz in stärkster Weise beanstandet wird wegen ihren zunehmend offenbar werdenden schädlichen volkswirtschaftlichen Auswirkungen. Nicht nur Kreise der Wirtschaft, sondern auch eine grosse Anzahl von Parlamentariern und selbst kantonale Regierungen, die ja bekanntlich 10 % von dem Kriegsgewinnsteueraufkommen des betreffenden Kantons erben, verlangen in dringendster Weise mindestens vernünftige Abänderungen. Diese aus vielfachen Ausführungen in der Presse hervorgehende Situation dürfte ein weiteres wichtiges Gegenargument darstellen. Es ist ferner klar, dass das Fürstentum sich niemals auf eine Basis-Berechnung analog der Eidgen. Kriegsgewinnsteuer einlassen könnte. Dies würde von vornherein den Ruin der wenigen, während der Kriegsdauer im Fürstentum aufgeblühten Unternehmen bedeuten. Zudem ist zu sagen, dass diese schweizerischen Unternehmungen keine Konkurrenz machen.

Ich frage mich aber, ob es überhaupt zweckmässig ist, dass Ihre Regierung sich schon bei der Beantwortung des Berner Antrages im voraus in eine ausführliche Argumentierung ihrer Ablehnung einlässt. Es scheint mir vielmehr zweckmässiger, die strikte Ablehnung möglichst kurz zu halten, und darin nur zum Ausdruck zu bringen, dass das Fürstentum nicht eine Steuer übernehmen könne, die schweizerischerseits auf dem Vollmachtenwege mit einer ausdrücklichen Zweckbestimmung (Deckung der Mobilisationskosten) zur Einführung gelangt sei, die daher von Regierung und Volk von Liechtenstein als überflüssig empfunden werden müsse, und die für die ohnehin bescheidenen Unternehmen des Landes gefährliche Schädigungen zur Folge haben müsste. Der schweizerischerseits geäusserten Befürchtung von Gewinnverschiebungen nach dem Fürstentum könne durch entsprechende Kontrolle der schweizerischen Unternehmen begegnet werden, ganz abgesehen davon, dass die stark rückläufige Konjunktur der schweizerischen Wirtschaft solche Gewinnverschiebungen derzeit ohnehin ziemlich illusorisch machen dürfte.

Mit der Bitte um streng vertrauliche Behandlung dieser Auslassungen empfehle ich mich, sehr geehrter Herr Regierungschef, unter Versicherung meiner vorzüglichen Hochachtung.

gez. Bührle

Beilage: erwähnt

 

 

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[1] LI LA RF 224/460f. Regierungschef Josef Hoop bedankte sich mit Schreiben vom 2. Juni 1944 bei Emil Bührle für dessen Ausführungen (fälschlicherweise auf den 2. Mai 1944 datiert).
2] Siehe LI LA RF 224/460e.