Schreiben der Regierung, gez. Regierungschef-Stellvertreter Ferdinand Nigg, an die liechtensteinische Gesandtschaft in Bern [1]
14.11.1945
Euer Durchlaucht [Prinz Heinrich],
Die fürstliche Regierung beehrt sich die Gesandtschaft zu bitten beim Eidgenössischen Politischen Departement unter Bezugnahme auf die Besprechungen vom 27. Juli 1945 [2] mit Herrn Abteilungschef Jetzler [Robert Jezler] des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes in der Angelegenheit der Aufhebung des Visumszwanges für den Verkehr von Drittausländer von Liechtenstein nach der Schweiz vorstellig zu werden. Die fürstliche Regierung darf auf die bei der genannten Besprechung bei Herrn Abteilungschef Dr. Jetzler vorgebrachten Gründe hinweisen, die heute in vermehrtem Masse zutreffen. Dabei darf die fürstliche Regierung besonders darauf hinweisen, dass sich die fürstliche Regierung eine grosse Reserve in der Anerkennung von Grenzkarten aus dem benachbarten Vorarlberg auferlegt und ängstlich bemüht ist, alle unerwünschten Elemente vom Lande fern zu halten. Ferner ist die fürstliche Regierung damit beschäftigt, die noch im Lande befindlichen Internierten nach und nach ausserhalb des schweizerisch–liechtensteinischen Gebietes zu bringen. Auch in der Neuzureise von Ausländer wird die fürstliche Regierung einen strengeren Masstab anlegen. Diesbezüglich sei darauf hingewiesen, dass alle Einreisen nach dem Fürstentum Liechtenstein von Ausländer nur unter Zustimmung der Eidgenössischen Fremdenpolizei erfolgen können und dass gerade diese Behörde jede Möglichkeit hat, die Neuzureisen nach Liechtenstein zu kontrollieren.
Im Hinblick auf die Entwicklung der Grenzverhältnisse seit der Aufhebung des Aktivzustandes der Schweizerischen Armee darf erwartet werden, dass die Schweizerischen Fremdenpolizeibehörden dem Ansuchen keinen Widerstand mehr entgegensetzen. Schliesslich erklärt sich die fürstliche Regierung bereit, die ganze Angelegenheit im Verhandlungswege mit den schweizerischen Behördevertretern zu besprechen.
Genehmigen Euer Durchlaucht, die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.
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[1] LI LA RF 232/166 (b). Handschriftlicher Vermerk: "Abschreiben".
[2] Siehe hiezu den Amtsvermerk vom 27.7.1945, LI LA RF 232/166 (a).