Regierungschef Josef Hoop bespricht mit Vertretern der deutschen Regierung Probleme im Verhältnis zwischen Deutschland und Liechtenstein


Protokoll, ungez. [1]

6.10.1933, o.O., wohl Berlin

Niederschrift

über die Besprechung vom 6. Oktober 1933 zwischen Vertretern der Deutschen und der Liechtensteinischen Regierung.

Auf Anregung der Fürstlich Liechtensteinischen Regierung fand am 6. Oktober 1933 im Auswärtigen Amt zu Berlin eine Besprechung statt, an welcher teilnahmen:

Herr Regierungschef Dr. [Josef] Hoop, als Vertreter der Fürstlich Liechtensteinischen Regierung,

Herr Gesandter [Paul] Dinichert, als Vertreter des Schweizerischen Bundesrates,

sowie als Vertreter der Reichsregierung die folgenden Herren:

Vortragender Legationsrat [Paul] Barandon, Auswärtiges Amt

Wirklicher Legationsrat [Adolf] Siedler, Auswärtiges Amt

Generalkonsul [Joachim] Windel, Zürich

Legationssekretär [Werner] von Bargen, Auswärtiges Amt

Legationssekretär [Richard Otto] Hertz, Auswärtiges Amt

Ministerialrat [Wolfgang] Mettgenberg, Reichsjustizministerium

Gerichtsassessor Reisner, Reichsjustizministerium

Ministerialrat [Johannes] Schwandt, Reichsfinanzministerium

Ministerialdirigent [Hermann] Hering, Reichsministerium des Innern

Landgerichtsrat Grossendorf, Preussisches Justizministerium.

Herr Regierungschef Dr. Hoop legte im Namen seiner Regierung Verwahrung ein gegen Vorwürfe, die in der deutschen Presse gegen sein Land erhoben worden sind und die namentlich dahin gehen, dass das Fürstentum durch seine Gesetzgebung die Kapitalflucht und die Steuerhinterziehung zum Nachteil anderer Länder begünstige und sich sogar zum Zufluchtsort internationaler Verbrecher mache. Die Einzelheiten seiner Ausführungen ergeben sich aus der "Kapitalflucht" überschriebenen Aufzeichnung, die dieser Niederschrift als Anlage beigefügt ist. [2]

Nach einer eingehenden Aussprache, die die liechtensteinische Gesetzgebung und Verwaltungspraxis insbesondere auf dem Gebiete des Einbürgerungsrechts, des Gesellschaftsrechts und des Steuerrechts zum Gegenstand hatte, waren sich sämtliche Anwesenden über das folgende Ergebnis einig:

Verschiedene im Laufe des letzten Jahres erfolgte Veröffentlichungen der deutschen Presse über das Fürstentum Liechtenstein entsprechen teils nicht den Tatsachen, teils sind sie stark übertrieben. Die Vertreter der Deutschen Regierung nehmen davon Kenntnis, dass die Fürstlich Liechtensteinische Regierung seit einiger Zeit Einbürgerungen fremder Staatsangehöriger nicht mehr vornimmt und im übrigen im Begriffe steht, ihre Gesetzgebung über den Erwerb der Staatsangehörigkeit zu ändern, wobei ein mehrjähriger Aufenthalt im Fürstentum zur Voraussetzung für die Einbürgerung gemacht werden soll. [3] Der Herr Vertreter der Fürstlich Liechtensteinischen Regierung erklärt, dafür Sorge tragen zu wollen, dass die Behörden seines Landes Ersuchen um Auskunft über Eintragungen in das Handelsregister in liberaler Weise entsprechen. Er erklärt ferner, die Frage des Abschlusses von Verträgen mit Deutschland über Doppelbesteuerung sowie Rechtshilfe in Steuersachen und in Steuerstrafsachen seiner Regierung zur Prüfung unterbreiten zu wollen. Alle Beteiligten sind darüber einig, dass die stattgehabte offene und vertrauensvolle Aussprache und die gewonnene Aufklärung die aufgetretenen Missverständnisse beseitigt haben, und dass die in Aussicht genommenen Massnahmen geeignet sind, noch bestehende Schwierigkeiten zu beseitigen.

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[1] LI LA RF 131/409/161. Das Protokoll wurde Josef Hoop übersandt durch Paul Barandon mit Schreiben vom 7.10.1933 (LI LA RF 131/409/160). 
[2] LI LA RF 131/409/163.
[3] Tatsächlich hatte Josef Hoop bereits im Mai 1933 einen Entwurf für ein neues Staatsbürgerschaftsgesetz erarbeitet (LI LA LTP 1933/068). Das Gesetz, das am 14.11.1933 vom Landtag verabschiedet wurde (LI LA LTP 1933/131; Gesetz vom 4.1.1934 über den Erwerb und Verlust des Landesbürgerrechtes, LGBl. 1934 Nr. 1), machte eine dreijährige Wohnsitznahme in Liechtenstein zur Voraussetzung einer Einbürgerung. Allerdings konnte nach § 6 Bst. d "von diesem Erfordernis [...] in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen und ausnahmsweise Umgang genommen werden."