Das Liechtensteiner Volksblatt berichtet vom ersten Schauturnen des Turnvereins Schaan, an dem auch auswärtige Vereine teilgenommen haben


 Zeitungsbericht, gez. "Einges." [1]

31.7.1926

Schaan. Schauturnen.

(Einges.) Auf unserer lieben, runden Erde ist man schon längst bemüht, eine allgemeine Sonntagsruhe einzuführen, doch vergebens! Wie könnte dies aber auch besonders in diesem Jahre anders möglich sein; denn will der Bauer unter der Woche heuen, so fängt es an zu regnen und dann ist der Sonntag der einzige Tag, an welchem es ihm möglich wird, das Heu heimzubringen, und oft ungern macht er als Feind aller Ruhestörung von den Worten: „Heute ist das Heuen erlaubt", Gebrauch. Ei, was? Wollen wir es auf der Welt anders haben als St. Petrus? Hat doch auch er oftmals Sonntags über zu schaffen, besonders dann, wenn in der Woche ein oder gar zwei schöne Tage gewesen sind.

Früher hiess es, wie der Freitag so der Sonntag und heute? Dass die Wettermacher auch Sonntags in der Wind-, Wetter-, Donner- und Gewitterkammer schaffen und manches Mal ziemlich tüchtig, besonders dann, wenn ein Fest, das zu Nutz und Frommen einer guten Sache ist, bewies das am letzten Sonntag-Nachmittag abgehaltene Schauturnen in Schaan.

Gegen Mittag strahlte die Sonne wie am letzten Freitag, so schön und warm, einen guten Verlauf des Schauturnens verheissend. Doch es kam anders. Bald regierte Oberluft, bald Unterluft und zuletzt strich von St. Johann ein Lüftlein, sodass der Himmel bald bewölkt, bald klar und wieder regnerisch sich zeigte, ganz sowie bei uns auf der Erde ein steter Kampf zwischen Gut und Böse, Heiter und Trübe, Wahrheit und Lüge.

Doch unerschrocken, schnell entschlossen und mutig gewagt, wie es sich für Turner geziemt, erklangen gegen 2 Uhr nachmittags die Weisen der Harmoniemusik Schaan und in ihrer schmucken weissen Tracht marschierte ein stattlicher Zug Turner im Gleichschritt der Linde zu.

Recht rasch füllte sich die Hälfte der vorgesehenen Plätze mit den Besuchern, welche meistenteils mit ihren, dieses Jahr unzertrennlich vereinten „Dach" bewaffnet, erschienen waren. Ja, nennt man Heuer einem treueren Freund sein Eigen, ausser dem „guten, wasserdichten Regenschirm". Nein!

Kaum, dass jeder Teilnehmer sich ein schönes Plätzchen gesichert hatte, wurde auch schon mit den Übungen begonnen und begeistert grüsste man die aufmarschierende Turnerschar. Mit steter, sich steigernder Aufmerksamkeit wurden die Vorführungen wie Freiübungen, Stab- und Keulenübungen der Gruppen mit lebhaftem Beifall bewundert. Überraschend wirkten die Stab- und Keulenübungen, welche ein Durchgreifen und Erfassen der ganzen Übung von jedem einzelnen Turner verlangte. Auch hier war lebhafter Beifall der Dank.

Auch die Übungen an den Geräten boten manchen schönen Anblick, zeigten sie doch, dass Turnen kein einseitiger Sport [ist] und stets auch an den Geist und Körper gewisse Anforderungen stellt. Allgemein wunderte man sich darüber, dass dieser junge Verein solche Fortschritte in der kurzen Zeit gemacht hat.

Ein hübsches Bild boten auch die Vorführungen der Zöglingsgruppe, bei welcher man beobachten konnte, dass es von grossem Wert, wenn die Schuljugend schon frühzeitig in das Turnen eingeführt wird und man muss jenen Lehrern dankbar sein, die das Turnen als etwas Wertbeständiges in der Jugenderziehung betrachten.

In freundnachbarlicher Weise bot auch der Turnverein Vaduz durch Vorführung einer gut durchgearbeiteten Freiübung und den Übungen an den Geräten den Beweis seines Könnens und die Lust und die Liebe zur guten Sache.

Auch einige Turner aus Feldkirch und Rankweil leisteten an den Geräten ganz Erstaunliches, und mancher Zuschauer dürfte gefunden haben, dass man beim Turnen auch „Schneid" braucht.

Wenn man sich nun ein Urteil über den Verlauf des Schauturnens bilden will, muss man die Zuschauermenge beobachten und da sieht man, wie manche Mutter oder Vater mit Spannung und Verwunderung den Aufführungen und mit elterlichem Stolz den Bewegungen des mitturnenden Sohnes aufmerksam folgt. Man kann beobachten bei den „Schauen des Turnens", wie rasch sich Gegner als Freunde der Turnsache verwandeln. Wer sollte auch noch gegen eine vielseitige, erzieherische Leibesertüchtigung und Geisteserziehung sein.

Ein gesunder Körper, ein gesunder Geist! Welke Blumen geben keinen frischen Duft. Turnen macht beweglich u. Bewegung heisst wieder Leben.

Dies schienen die Turner und Zuschauer im vollsten Sinne des Wortes erfasst zu haben, denn selbst der wiederholte Male einsetzende Regen vermochte dieselben nicht dauernd vom Platze zu bringen. Ja, nicht nur einmal spannten die Zuschauer ihren diesjährigen treuen Begleiter und steten Beschirmer auf und unter Dach folgten ihre Blicke gespannt den Übungen. Einmal sah ich auch ein Bild, das erheiternd wirkte, zugleich aber auch die Beharrlichkeit und gesunden Humor der Turner bewies und zwar: Ganz mächtig schüttete es auf den Festplatz herab, da sitzen auf einer aufgeschlagenen Bank einige Gestalten, man sieht es auf den ersten Blick, dass es Turner sind. Trotz dem Regenguss sitzen sie unter dem Schirm, und während der eine einen Aufschnitt verzehrt, hält der andere das „Dach" über ihm. Kaum hatte der eine den Teller gelert, ruft er dem Beschirmer zu: „Gib nun mir das Dach, dann kannst du essen!" Wie gesagt, selten habe ich unter solchen Umständen einem so gediegenen Festchen beigewohnt. Auch die Linden-Wirtschaft bot zum Essen und Trinken das Beste!

Den Schluss bildete dann noch eine recht gemütliche Unterhaltung bei den Weisen der bestbekannten Schaaner Streichmusik, und jung und alt schwang in fröhlichster Stimmung das Tanzbein.

Wenn auch das Schauturnen für den Verein keinen geldlichen Gewinn brachte, so sei der Leitung und den Turnern versichert, dass das Gebotene später reichlich Zinsen tragen wird. Nur immer so fort, der Weg führt, wenn auch schwierig, so doch zur Höhe, heisst es doch im Turnerliede: Ja zu hohem Ziel führet unser Spiel! — selbst auch dann, wenn es Euch das erste Schauturnen verregnete. Gut Heil!

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[1] L.N. 31.7.1926, S. 2.