Die Regierungsvorlage betreffend die Abänderung der Landtagswahlordnung wird vom Landtag in zweiter Lesung behandelt und mit Änderungen angenommen


Handschriftliches Protokoll der öffentlichen Landtagssitzung, gez. Landtagssekretäre Alfons Feger und Johann Wohlwend sowie Landtagspräsident Albert Schädler [1]

31.12.1917

II. Regierungsvorlage betreffend Abänderung der Landtagswahlordnung [2]

Fortsetzung aus der letzten Sitzung [3]

Der Präsident stellt den Gesetzentwurf zur Debatte.

Der Regierungskommissär [Leopold von Imhof] macht die Anregung, man solle in den §§ 11 und 14 das Wahlverfahren etwas verkürzen, es gäbe einen zu grossen Wahltermin, er glaube man täte besser, wenn in den genannten Paragraphen statt 14 Tage 8 Tage eingesetzt würde, die Wahlzeit dauerte dann statt 6 Wochen nur 4 Wochen, was wohl angepasster wäre. Ferner macht er auf im Drucke unterlaufene Setzfehler aufmerksam, er wolle sie bereinigen. Weil es [weder] formell noch materiell etwas ausmache, so glaube er, die Regierung könne dies ohne Beschluss des Landtages tun.

Der Präsident stellt die Anregung des Regierungschefs zur Debatte. Er glaubt, dass die angeregte Frist genügt und stellt den Antrag, dass die Termine in den §§ 11 und 14 auf 8 Tage reduziert werden. Der Antrag wird unterstützt und bei der Abstimmung vom Landtage angenommen. Ferner sagt der Präsident, er halte es für selbstverständlich, dass die Regierung Setzfehler berichtige.

Abg. [Wendelin] Kindle bemerkt, nach seiner Ansicht sollte jede Gemeinde einen Abgeordneten haben, so wie es jetzt sei, könne eine Gemeinde ganz durchfallen.

Abg. Dr. [Wilhelm] Beck: Man habe sich in der Kommission so geeinigt. Wenn man das wollte, müsste die Zahl der Abgeordneten auf 20 erhöht werden, es wäre dies eine conditio sine qua non.

Präsident: Er sei nicht dafür, dass man eine Bestimmung in das Gesetz aufnehme, wonach jede Gemeinde einen Abgeordneten haben müsse, dann müsste jede Gemeinde einen Wahlkreis bilden. Dass man aus jeder Gemeinde einen Vertreter wähle, sei früher fast immer gebräuchlich gewesen. Nur bei der letzten Wahl [4] sei es in Schaan nicht der Fall gewesen.

Der Regierungskommissär ist auch nicht für die Anregung Kindles. Wenn jede Gemeinde einen Vertreter haben müsste, dann müssten auch die verschiedenen Stände, wie die der Beamten, Lehrer und Geistlichen je einen haben. Das wären dann Interessenvertreter und nicht Landesvertreter. Der Landtag habe zunächst das Landesinteresse und nicht bloss Gemeindeinteressen zu vertreten. Es wäre dies auch gegen das Wesen des Landtages. 

Abg. [Emil] Batliner will den § 13 dahin ändern, dass amtliche Stimmzettel vorgeschrieben würden.

Abg. [Franz Josef] Marxer ist auch dafür; es könne dann weniger Wahlunfug getrieben werden, nur müsste man die Gemeindestampilie drauf tun.

Regierungskommissär: Es sei das ein in vielen Staaten geübter Vorgang, der manches für sich habe. Wenn es in grossen Staaten gehe, dann gehe es auch bei uns. Deshalb sei die Wahl doch frei. Wenn ein Wahlzettel verlegt worden wäre oder wenn sich der Wähler anders besonnen hätte, müsste er beim Vorsteher einen andern holen. Die Freiheit der Wahl werde durch amtliche Stimmzettel durchaus nicht beeinträchtigt. Er sei mit dem Antrag einverstanden.

Der Präsident meint, nach seiner Ansicht wäre die Sache leicht durchzuführen. Die Gemeinden können, wie es bei Gemeindewahlen in Vaduz schon praktiziert worden sei, die Zettel drucken lassen mit soviel Nummern drauf, als Abgeordnete zu wählen seien; der Gemeindeweibel könne ein paar Tage vor der Wahl die Zettel den Wählern zustellen. Die Gemeindestampilie gehöre darauf, wie schon Marxer angeregt habe. Die amtlichen Stimmzettel böten eine Garantie über richtige Durchführung der Wahl; man brauche in § 13 nur einfügen, „amtliche Stimmzettel“ statt bloss „Stimmzettel“. Der Herr Regierungschef wolle die Vorsteher zu einer gemeinsamen Besprechung über das Wahlverfahren einladen, was er nur für gut finde.

Regierungschef: Wenn wir amtliche Stimmzettel ausgeben, so müssten sie mindestens 3 Tage vor der Hauptwahl zugestellt werden. Man könne die Sache noch im Verordnungswege regeln.

Abg. Dr. Beck: Man habe sich in der Kommission für freie Stimmzettel entschieden. Sie nähmen das Wagnis auf sich, wenn die Vorlage noch falle. Er weise es zurück, dass man mit freien Stimmzetteln gut Wahlmanöver treiben könne, dies sei mit amtlichen Stimmzetteln noch besser möglich. Wie er sehe, nehmen die Herren die Änderung nur schmunzelnd entgegen.

Präsident: Er wisse wirklich nicht, wie man mit den amtlichen Stimmzetteln Missbrauch treiben könne.

Abg. Dr. Beck: Die Gemeindeväter hätten nicht zwei Seelen in der Brust, es heisse immer, das Volk sei bei uns politisch unreif. Man wolle sich heute nicht auf Jahrzehnte hinaus binden lassen mit den amtlichen Stimmzetteln. Die Gesetze mancher Staaten schreiben für die Stimmzettel eine gewisse Farbe vor.

Abg. Batliner: Ihm könne es gleich sein, ob freie oder amtliche Stimmzettel gefordert werden. Er empfehle die amtlichen der Ordnung wegen, mit einer Partei hätten diese nichts zu tun, es bekämen ja alle die gleichen Stimmzettel.

Abg. Dr. Beck: Für Stimmzettelvogtei gebe er sich nicht her.

Abg. Batliner: Der Gemeindeweibel stelle ja die Zettel schon 3 Tage vor der Wahl jedem zu, da hätten denn alle Zeit genug zum Schreiben, es sei da niemand gevogtet.

Regierungskommissär: Er sehe es auch nicht ein, wie durch amtliche Stimmzettel jemand in der Wahl beeinflusst werden könne; wenn er nicht irre, habe man auch in der Schweiz diese Einrichtung. Wenn dadurch eine Beeinflussung der Wahl möglich wäre, hätte man es in andern Ländern gewiss nicht eingeführt. Sonst nehme der eine Wähler einen grössern, der andere einen kleinern Papierbogen, ein Dritter am Ende noch eine Visitenkarte und die Wahluntersuchung würde dadurch nur erschwert. Es sei durchaus kein Grund wegen der amtlichen Stimmzettel Vorlage fallen zu lassen.

Präsident: Wir kämen da zu Schwierigkeiten, an die kein Mensch gedacht habe. Schon wegen der Reinheit der Wahl sei es notwendig, dass man amtliche Stimmzettel ausgebe. Sonst könnte eine Partei für sich eine Farbe bestimmen und die Parteileute hätten dann eine Kontrolle bei der Wahl, ob ein Wähler pariert habe. Man würde es ja an der Farbe des Stimmzettels von weitem sehen, für wen er stimme. Und doch solle die Wahl geheim sein.

Abg. Dr. Beck: Das seien Wahlpraktiken, darüber streiten sie nicht.

Abg. [Meinrad] Ospelt: Der Antrag Batliners habe nicht im geringsten etwas Verfängliches an sich. Nach diesem wäre es für den Wähler nur einfacher. Wahlmanöver können wohl bei beiden Arten vorkommen. Zum mindesten könne man den Gemeinden freie Wahl lassen zwischen amtlichen oder freien Stimmzetteln. Er unterstütze Batliner.

Abg. Dr. Beck: dafür wäre er auch, dass man freie Wahl liesse zwischen amtlichen und freien Stimmzetteln.

Abg. Batliner: In dieser Sache sei er ganz gegen Beck.

Regierungskommissär: Auch er halte es für möglich, wie der Herr Präsident schon gesagt habe, dass Parteien mit farbigen Stimmzetteln eine Kontrolle über die Wähler ausüben und dadurch die Wahl beeinflussen können. Schon dies allein spreche dafür, dass wir auf die Anregung Batliners eingehen. Er erkenne an, dass der Antrag stichhältig sei.

Abg. Dr. Beck: Er müsse die Sache noch überlegen, heute komme man mit etwas anderem her, er könne es auch machen, wenn er nicht mehr in dieses Haus komme. Die Regierung wolle die Wahlmanöver umgehen und doch seien sie dieselben bei amtlichen Zetteln.

Präsident: Er müsse offen gestehen, er habe über diese Sache in der Kommission nicht nachgedacht. Er sehe es aber jetzt ein, dass die freie und geheime Wahl am besten gesichert sei, wenn im ganzen Lande amtliche Stimmzettel verwendet werden müssen. Er könne es nicht begreifen, dass der Abgeordnete Dr. Beck mit solchen Nebensächlichkeiten noch Schwierigkeiten mache und die Vorlage zu Fall bringen wolle.

Abg. Dr. Beck: Man habe in der Kommission die Sache einhellig so gemacht. Jetzt wolle man es anders. Er könne sich auch heute noch nicht für die Vorlage erwärmen, obwohl er sie nicht fallen lasse.

Präsident: Man habe in der Kommission die Sache nicht so überlegt, heute erst dämmere es einem auf, dass amtliche Stimmzettel sicherer seien. Diese müssten aber im ganzen Lande eingeführt werden und überall gleich sein.

Abg. Dr. Beck: Er lasse sich vom Präsidententisch aus nicht zweideutig behandeln. Heute komme man daher und rede anders.

Regierungskommissär: Es scheine da eine falsche Auffassung über Kommissionsbeschlüsse zu herrschen, er halte es nicht für Schwäche oder Charakterlosigkeit, wenn man im Plenum andere Ansichten bekomme und Änderungen anrege, denn die Kommission mache ja noch kein Gesetz.

Abg. Beck: Er habe nicht gesagt, es sei eine Charakterlosigkeit.

Abg. Kindle: Nach seiner Ansicht sei es nicht der Mühe wert, wegen der Stimmzettel so viel zu reden. Das seien doch nur Kleinigkeiten.

Präsident: Da Dr. Beck vielleicht meinen könnte, es habe eine Verabredung hierüber stattgefunden, so ersuche er den Abgeordneten Batliner, zu bezeugen, dass so etwas nicht vorgekommen sei.

Abg. Batliner: Er habe in der Kommission von amtlichen Stimmzetteln geredet, auch Marxer habe es getan, man sei aber drüber weggegangen, habe drüber geschlafen und es dann erst überlegt. Verabredet sei nichts worden. –

Der Präsident lässt nun über die Frage abstimmen, ob man amtliche Stimmzettel wolle oder nicht.

Die „amtlichen Stimmzettel“ werden mit allen gegen die Stimme Dr. Becks angenommen. –

Abg. Dr. Beck: Er stimme nicht gegen das Gesetz, wenn er auch hier durchgefallen sei.

Regierungskommissär: Es müsste auch im § 22 eingefügt werden, dass nur amtliche Stimmzettel gültig wären.

Abg. Beck will darüber abgestimmt haben.

Auf eine Anfrage Batliners betreffend einen Passus im § 22 gibt der Regierungskommissär die nötige Aufklärung.

Hierauf lässt der Präsident darüber abstimmen, ob im § 22 eingeführt werden solle, dass nur amtliche Stimmzettel zulässig seien.

Der Zusatz zu § 22: „Nur amtliche Stimmzettel sind zulässig“ wird mit allen Stimmen gegen die Stimme Dr. Becks angenommen.

Abg. [Josef] Gassner: Es heisse im Gesetz nicht nur von Wahlrecht, sondern auch von Wahlpflicht in jedem Alter. Das scheine ihm zu weit gegangen inbezug auf die Wahlpflicht. Hierfür sollte eine Altersgrenze bestimmt sein. Denn alte Leute könne man doch nicht unter Strafe verpflichten, zur Wahl zu gehen.

Regierungskommissär: Einen 80jährigen Mann würde die Wahlkommission doch nicht strafen, wenn er nicht zur Wahl käme.

Präsident: Er würde das nicht in das Gesetz aufnehmen, denn Wahlrecht und Wahlpflicht gehören zusammen. Ob ein Mann wegen hohen Alters entschuldigt sei oder nicht, das werde die Wahlkommission schon beurteilen können.

Abg. Dr. Beck: Eine Altersgrenze sei überall aufgenommen.

Präsident: Man könne kein bestimmtes Alter fixieren, ein Achtzigjähriger könne manchmal besser zur Wahl gehen als ein Sechziger. Das müsse man der Kommission überlassen.

Abg. Ospelt: Auch er sei der Ansicht, dass man das der Wahlkommission überlassen könne, denn alte Leute habe man immer noch entschuldigt.

Abg. Beck erklärt, nur der Sache zulieb stimme er für das Gesetz, im Grunde sei er gegen die Sache der amtlichen Stimmzettel.

Bei der Abstimmung wird das ganze Gesetz mit den beschlossenen Abänderungen einstimmig angenommen. [5]

______________

[1] LI LA LTA 1917/S04/2. Protokoll abgedruckt in: L.Vo., Nr. 3, 18.1.1918, Beilage („Genehmigtes Protokoll der Landtagssitzung vom 31.12. 1917“).
[2] In der Eröffnungssitzung des Landestags vom 30.10.1917 hatte Landesverweser Leopold vom Imhof eine Regierungsvorlage zur Einführung des direkten und geheimen Wahlrechts angekündigt (LI LA LTA 1917/S04/2). Diese – undatierte – Regierungsvorlage findet sich unter LI LA LTA 1917/S04/1. Vgl. in weiterer Folge den Bericht der Finanzkommission an den Landtag zur Regierungsvorlage betreffend das Landtagswahlrecht (Ziff. 2 der undatierten Tagesordnung des Landtagspräsidiums für die auf den 27.12.1917 und die noch zu bestimmenden Tage anberaumten Landtagssitzungen (LI LA LTA 1917/L01)).
[3] Der Gesetzentwurf war in der öffentlichen Landtagssitzung vom 27.12.1917 in erster Lesung behandelt worden (LI LA LTA 1917/S04/2).
[4] Vgl. die Landtagswahlen vom September 1914.
[5] Vgl. das Gesetz vom 21.1.1918 betreffend die Abänderung der Landtagswahlordnung, LGBl. 1918 Nr. 4. Die ersten Landtagswahlen nach dem neuen Wahlrecht fanden im März 1918 statt.