Johann Franz Paur [Bauer] berichtet dem Fürsten Johann Adam Andreas von Liechtenstein über seinen Umzug von Buchhorn nach Feldkirch, welches Haus er bei Feldkirch gemietet hat, und dass der Vogteiverwalter Kurz Grundstücke aus der Herrschaft Schellenberg widerrechtlich verkauft hätte.


Durchleuchtigester fürst.

Gnädigester fürst und herr, herr, etc.[1] 

Vorgesteren spaten abendts bin ich nit ausser verunglickhung aufm See[2] hier angelangt, und auß mangel quartiers necessitiert[3] worden, in einem würthßhauß abzuestehen. Die aufzugs-cösten habe ich mit thaylß hinderlassenen mobilien best möglich restringiert[4], gleichwohlen aber nit verhindern können, daß dise nit über 50 fl.[5] ausmachen. Von dem tobendten gewell[6] haben die kauffs-acta und neben anderen meinem geräth, die bücher daß mehreste gelitten. Die erstere aber bey gesterigen sonnenschein widerumb ausser allem schaden gesetzt worden. Das schiff ist von Buchhorn[7] 7 stund weegs biß nacher Hart[8] in anderhalb stunden fortgeloffen. Die herrschafft Schellenberg[9] finde nach denen gemachten verahnstalltungen in gueten stand und wünsche alleinig, daß ewr hochfürstlich durchlaucht gnädigeste intention[10] mittels gemessener instruction underthänigst assequieren[11] könte. Gleich vor einer halben stund penetriere[12] von einem veldkhürchischen rathsfreund nit ohne sattsamen grund, das die herren von der statt mir præmeditate[13] ahn allen quartiersbestellungen verhinderlich gewest, derowegen habe ich nolens / volens[14] ab des würths cost zue kommen, und seines infamen[15] haußes loß zue werden, dass Brilisawerische[16] häusel und garthen auf ein jahr gegen versprochenen 130 fl. zünß conducieren[17] müeßen. Der garthen gibt etwa gegen 30 fl. hew und 6 fl. für die sogenante herbstwayd, welliche in erkauffung besoldung-hews erspart werden können. Zue ewr hochfürstlich durchlauchtigkeit dinsten habe ich gleich nach meiner gnädigsten reception zwey pferd ahn mich gebracht, ohne das ich wusste, ob dieselbe nach anzaig meiner ehemahligen besoldung, oder wie sonsten mich gnädigst zue salarieren[18] gemeint weren. Ohnahngesehen dises so starkhen zünßes ist der keller nit capabl[19] 5 in 6 fueder[20] wein zue fassen, vollglich necessario noch einen zue bestellen, welliches wenigstens auch 15 fl. erforderet, und bin von darumben der nochmahlingen underthänigsten, threw, gehorsamsten, iedoch ganz unmasgäblichen meinung, ewr hochfürstlichen durchlaucht werden gegen etwa 3, 4 in 5.000 fl. leuchter und nützlicher eine aigenen ambtswohnung kauffen, als auf vorbeschribene orth allerdings 3.000 fl. verzinsen, den wein in frembden kelleren einlegen laßen, zuemahlen die ihrige keine commodität[21] haben. Daß häußel hat 2 enge stübel, 3 cämmerl, 2 kücherl und ist der s. v.[22] stall bey 800 schritt – der bronnen aber noch weither darvon abgelegen. Wan ich kinder hette, were ohnmöglich, darinnen zue wohnen. Was in disem passu[23] under der hand weithers zue thuen, bette, gnädigst zue befehlen. Allte, gleichwohlen aber noch guete fass finde zue kauffen, und werde in underpleibung anderwertigen gnädigen befelchß, / eine bestellung von 20 bis 26 fueder thuen, mit underthanigst und geborsamster meiner empfehlung verbleibendte.

Ewr hochfürstlich durchlauchtigkeit.

Veldtkhürch[24], den 8. Maii 1699.

Post Scriptum.

Sogleich vernemme, das der alte stattman bey rath die widerige motus[25] erwekht habe, und einige wohl oder besser gemeinte zue excipieren[26] seyn. Der verstorbene rentmaister zue Vaduz[27] ware sein dochterman. Wan er im schellenbergischen hillff brauchet, so werde ichs gedenkhen zue anden. Eß solle der hiesige vogteyverwalther Kurtz verwichens ein præiudicierlichen actus[28] vorgenommen und ville grundtstücke, im schellenbergischen situiert, einem in Austriaco[29] gelegen hauß kauff incorporiert[30] haben. Deme ich mit nachtrukh begegnen werde.

Underthänigster, threw, gehorsamster diener.

Johann Franz Paur[31], manu propria[32]. /

[Rubrum]

Præsentatum[33], den 19. Maii 1699.

Schellenbergischer ambtmann. Er seye in Veldtkirch ankommen; item ratione seines quartiers und daß der dortige vogteyverwalter gewisse im schellenbergischen situirte grundstücke verkauffet.

[Adresse]

Dem durchleuchtigesten fürsten und herren, herren Johan Adam Andreas, deß Heyligen Römischen Reichs[34] fürsten und regierern deß hauses Lichtenstein zue Nickholspurg[35], in Schlesien[36] herzogen zue Troppaw[37] und Jägerndorff[38], ritteren des Guldenen Flusses[39], der römisch kayserlichen mayestät[40], etc., etc. würkhlichem geheimen rath und cammerern, etc., ihro hochfürstlichen durchlauchtigkeit, meinem gnädigesten herren, etc.

Wien[41].[a]

Franco ½

b--Die instructions puncta den von Zossel unter punct oeconomica ehist senden, auch wohl für besoldung zu geben.--[b] 

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[1] Johann Adam I. Fürst von Liechtenstein (30. November 1656–18. Juni 1712). Vgl. Constant von Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich, Bd. 15, Leon – Lomeni, L. C. Zamarski, Wien 1866, S. 127.
[2]Bodensee.
[3]genötigt.
[4]gebunden.
[5]fl. = Gulden (Florin).
[6]Wellen auf dem Bodensee.
[7] Buchhorn war eine mittelalterliche Freie Reichsstadt am Bodensee, aus deren Zusammenschluss mit dem Kloster Hofen im Jahre 1811 die Stadt Friedrichshafen als württembergischer Bodenseehafen entstand.
[8]Hard in Vorarlberg (A).
[9]Schellenberg (FL).
[10]Absicht.
[11]einholen.
[12][erfahre] eindringlich.
[13]vorsätzlich. Vgl. Karl E. Demandt, Laterculus Notarum. Lateinisch-deutsche Interpretationshilfe für spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Archivalien (Veröffentlichungen der Archivschule Marburg 7, 1998), S. 196.
[14] widerwillig. 
[15]ehrlosen [hier ist „nicht standesgemäß“ eher gemeint].
[16]Brillisauer (Brülisauer; Prilisauer).
[17] mieten. 
[18]entlohnen.
[19]fähig.
[20] 1 Fuder Wein sind zwei Fässer oder 808,348 Liter. Vgl. Christian und Friedrich Noback, Vollständiges Taschenbuch der Münz-, Maass- und Gewichts-Verhältnisse … Bd. 1, Leipzig 1851, A. 121.
[21]Bequemlichkeit.
[22]Salva venia = mit Erlaubnis. Vgl. Laterculus Notarum. S. 259.
[23]Schritt [Punkt].
[24]Feldkirch (A).
[25]Bewegung; Erregung.
[26]herauszunehmen.
[27]Vaduz (FL).
[28]vorgreifende Tat.
[29]Österreich.
[30]einverleibt.
[31]Johann Franz Bauer [Paur] (gest. 1715/16) studierte ab 1670/71 Rechtswissenschaften in Freiburg im Breisgau. Als Dr. beider Rechte machte er Karriere als Oberamtmann des Reichsstifts Rottenmünster und ab 1688 in hohenemsischen Diensten. Von 1699 bis 1715 war er fürstlich liechtensteinischer Amtmann und Verwalter der Herrschaft Schellenberg. Ab 1701 veranlasste er den Kauf zweier Brandstätten in Feldkirch und ließ auf diesen das fürstlich liechtensteinische Haus errichten, in welchem er bis zu seinem Tod wohnte. Vgl. Brief an den fürst-liechtensteinischen Buchhalter Nowak betreffend den Nachlass von Johann Franz Paur und das Haus in Feldkirch, Konz., Schloss Judenau 1716 August 3, SL-HA, unfol.; sowie die gesamte Verwaltungskorrespondenz Paurs mit Fürst Johann Adam Andreas von Liechtenstein von 1699 bis 1712, SL-HA 2609, 2010, 2611; Karlheinz Burmeister, Johann Franz Bauer, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein, Projektleiter: Arthur Brunhart; Red.: Fabian Frommelt ...[ et al.], Zürich 2013, Bd. 1, S. 72.
[32]eigenhändig.
[33]Vorgelegt.
[34] Heiliges Römisches Reich war die offizielle Bezeichnung für den kaiserlichen Herrschaftsbereich vom Mittelalter bis zum Jahre 1806. Der Name des Reiches leitet sich vom Anspruch der mittelalterlichen Herrscher ab, die Tradition des antiken Römischen Reiches fortzusetzen und die Herrschaft als Gottes Heiligen Willen im christlichen Sinne zu legitimieren. Zur Unterscheidung vom 1871 gegründeten Deutschen Reich wird es auch als das Alte Reich bezeichnet. Vgl. Klaus Herbers, Helmut Neuhaus, Das Heilige Römische Reich – Schauplätze einer tausendjährigen Geschichte (843–1806). Böhlau-Verlag, Köln-Weimar 2005.
[35]Nikolsburg (Mikulov), Stadt (CZ).
[36]Schlesien ist eine Region in Mitteleuropa.
[37]Troppau (Opava) war die Residenzstadt des ehemaligen Herzogtums Troppau (CZ).
[38] Jägerndorf (Krnov) war die Residenzstadt des ehemaligen Herzogtums Jägerndorf (CZ).
[39] Der Orden vom Goldenen Vlies (Flüss) ist ein burgundischer Ritterorden.
[40]Leopold I. (9. Juni 16405. Mai 1705) aus dem Hause Habsburg, war von 1658 bis 1705 Kaiser des Heiligen Römischen Reiches sowie König von Ungarn (ab 1655), Böhmen (ab 1656), Kroatien und Slawonien (ab 1657). Vgl. Kerry R. J. Tattersall, Leopold I., Wien 2003.
[41]Wien (A).

 


[a]Über der Adresse ist ein rotes Lacksiegel aufgedrückt.

[b]--bNachtrag mit Bleistift von anderer Hand.