Der Landtag formuliert seine Wünsche für den mit Österreich abzuschliessenden Postvertrag


Handschriftliches Protokoll der Landtagssitzung, gez. Schriftführer Alfons Feger und Landtagspräsident Albert Schädler [1]

10.12.1910

III. Zum 1. Punkt der Tagesordnung verliest der Präsident den folgenden Kommissionsantrag: [2] "Der Landtag nimmt mit Befriedigung zur Kenntnis, dass die fstl. Regierung nach den von ihr in der Finanzkommission erteilten Aufklärungen bereits die nötigen Schritte eingeleitet hat, um das Zustandekommen eines Postvertrages mit der k.k. österr. Regierung zu erwirken.

Bei diesem Anlasse ersucht der Landtag die fstl. Regierung, sich mit aller Tatkraft dahin zu verwenden, dass in dem Vertrage insbesondere folgende Grundsätze verwirklicht werden:

  1. Es sollen die landesherrlichen Hoheitsrechte des Landesfürsten in ähnlicher Weise zum Ausdrucke gebracht und gewahrt werden, wie seinerzeit beim österr. liechtenst. Zoll- und Steuervereinsvertrage, [3] insbesonders in Bezug auf die Bezeichnung bestehender, auf die Errichtung neuer und auf die Auflassung alter Postämter und dgl., sowie auf die Anstellung, Beeidigung und Bezeichnung der Organe des Postdienstes im Fürstentum Liechtenstein.
  2. Das Recht der fstl. Regierung, eigene Postwertzeichen unter öffentlicher, jeden Missbrauch ausschliessenden Kontrolle wo immer herstellen zu lassen, auszugeben und der österr. Postverwaltung zu liefern, sowie die Verpflichtung zur Verwendung liechtenst. Postwertzeichen in Liechtenstein soll ausdrücklich anerkannt werden.
  3. Die dem k.k. österr. Postärar jährlich zu leistende Vergütung für Versehung des Postdienstes im Fürstent. Liechtenstein soll nach einem der Billigkeit entsprechenden Schlüssel unter Berücksichtigung des bisherigen durchschnittlichen Jahresaufwandes und der bisherigen durchschnittlichen Jahreseinnahmen ausgemittelt werden.

Falls es nicht möglich wäre, ein diesen Grundsätzen entsprechendes Abkommen zu treffen, wäre von liechtenstein. Seite die Übernahme des Postbetriebes in eigene Regie in Aussicht zu nehmen." [4]

Zum Gegenstande spricht der H. Regierungskommissär [Karl von In der Maur]: Die fstl. Regierung werde bestrebt sein, diese höchst wichtige Frage im Interesse des Landes zu lösen; es sei bereits der Entwurf eines Vertrages [5] fertiggestellt und werde dem österr. Handelsministerium unterbreitet werden; der Reg. Kommissär begrüsst und befürwortet den Kommissionsantrag und erwartet, ohne aber Prophet sein zu wollen, einen günstigen Erfolg.

Der Herr Präsident dankt vorab dem H. Regierungschef, dass er sich dieser Angelegenheit, die ein gründliches Studium erforderte, so energisch angenommen habe; diese Frage, deren Lösung sich nicht aus dem Ärmel schütteln lasse, schwebe seit einigen Jahren [6] und es sei Hoffnung vorhanden, das gewünschte Ziel zu erreichen; es handle sich nicht so sehr um den allenfalls zu erwartenden finanziellen Vorteil, sondern in erster Linie um die noch nicht allgemein gekannte Selbständigkeit unseres Landes, die auch von den Fürsten, wie der geschichtliche Überblick in der Tagesordnung der heutigen Sitzung nachweise, [7] stets betont und gewahrt wurde; eine Nachsicht in Fragen unserer Selbständigkeit könnte der Anfang vom Ende unseres Bestandes sein; was Italien der Republik S. Marino [8] und Frankreich dem Fürstent. Monaco [9] zugestehe, werde uns Österreich, mit dem wir seit 60 Jahren in verschiedenen befreundeten Vertragsverhältnissen stehen, nicht vorenthalten, widrigenfalls die Übernahme des Postbetriebes in eigene Regie angestrebt werden müsste.

Der Kommissionsantrag wird einstimmig angenommen.

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[1] LI LA LTA 1910/S04/2. Ebd. eine maschinenschriftliche Abschrift.
[2] LI LA LTA 1910/L01, Tagesordnung für die Landtagssitzung vom 10. und 12.12.1910.
[3] Vertrag zwischen Seiner Majestät dem Kaiser von Österreich und apostolischen König von Ungarn und Seiner Durchlaucht dem souverainen Fürsten von Liechtenstein über die Fortsetzung des durch den Vertrag vom 5. Juni 1852 gegründeten Österreichisch-Liechtenstein'schen Zoll- und Steuervereines vom 2.12.1876, LGBl. 1876 Nr. 3.
[4] Der Beschluss wurde der Regierung mit Schreiben vom 10.12.1910 zur Kenntnis gebracht (LI LA LTA 1910/L12, Landtagspräsidium an Regierung, 10.12.1910).
[5] LI LA SF 03/1910/16/2242 ad 418, Vertragsentwurf der Regierung, o.D. (vor 6.12.1910).
[6] Der Landtag hatte bereits 1905 den Abschluss eines Postvertrags gefordert (LI LA LTA 1905/L14, Landtagspräsidium an Regierung, 5.12.1905).
[7] LI LA LTA 1910/L01, Tagesordnung für die Landtagssitzung vom 10. und 12.12.1910. Zur Entwicklung des Postwesens vgl. auch LI LA LTA 1910/L12, Promemoria der Regierung, o.D. (31.10.1910).
[8] Italien und San Marino hatten am 20.11.1895 einen Postvertrag abgeschlossen, von dem die Hofkanzlei eine beglaubigte Übersetzung anfertigen liess (LI LA SF 03/1910/16/2098 ad 418, Hermann von Hampe an Karl von In der Maur, 19.11.1910).
[9] Die Convention de voisinage zwischen Frankreich und Monaco vom 9.11.1865 enthielt auch Bestimmungen zum Postverkehr. Der Hofkanzlei gelang es nach längeren Bemühungen, eine Abschrift zuhanden der Regierung zu beschaffen (LI LA SF 03/1910/16/2165 ad 418, Hampe an In der Maur, 26.11.1910; LI LA SF 03/1911/17/0207 ad 65, Hampe an In der Maur, 13.1.1911; vgl. auch LI LA SF 03/1911/17/0390 ad 65, Hampe an In der Maur, 16.2.1911).