Die Regierung erlässt Restriktionen für die Einreise nach Liechtenstein


Verordnung der Regierung, gez. Landesverweser Prinz Karl [1]

11.8.1919

Verordnung

betreffend Einreise nach Liechtenstein

Die fürstliche Regierung sieht sich veranlasst, für die Einreise in das Gebiet des Fürstentums Liechtenstein folgende Bestimmungen zu erlassen:

§ 1

Die Einreise nach Liechtenstein ist nur Personen gestattet, welche mit einem Reisepass versehen sind.

Dieser Reisepass muss bei Reisenden aus dem Gebiete von Deutschösterreich mit dem Sichtvermerk der fürstlich liechtensteinischen Vertretung in Wien (I, Bankgasse 9), bei Reisenden aus dem Gebiete der Schweizerischen Eidgenossenschaft mit dem Sichtvermerke der fürstlich liechtensteinischen Vertretung in Bern und bei Reisenden aus anderen Staaten mit einem Sichtvermerke der fürstlichen Regierung in Vaduz versehen sein.

§ 2

Ferner müssen Personen, die sich länger als 24 Stunden im Gebiete des Fürstentums Liechtenstein aufzuhalten beabsichtigen, vor der Einreise die Aufenthaltsbewilligung jener liechtensteinischen Gemeinde, in welcher sie sich aufhalten wollen, erwirkt haben und bei der Eintrittsstelle vorweisen.

§ 3

Vorstehende Bestimmungen finden keine Anwendung auf den sogenannten kleinen Grenzverkehr, das ist auf Parteien, die in einem Umkreise von 10 Km. von der Grenze wohnhaft sind und am gleichen Tage, an dem sie in das Fürstentum eintreten, dasselbe wieder verlassen.

§ 4

Für die in § 1 vorgeschriebenen Sichtvermerke der fürstlichen Regierung und der fürstlichen Gesandtschaft in Wien ist eine Gebühr von 5 K [Kronen], für jene der fürstlichen Gesandtschaft in Bern eine solche von 5 Franken zu entrichten.

§ 5

Die Durchreise durch das Gebiet des Fürstentums unterliegt keinem Anstande, wenn die betreffenden Reisenden sich im Besitze der erforderlichen Ausweise für die Einreise in das in der Richtung ihres Reisezieles gelegenen Land befinden und der Aufenthalt im Lande nicht länger dauert, als es die Anschlussverhältnisse der Verkehrsmittel bedingen.

§ 6

Übertretungen vorstehender Vorschriften werden gesetzlich bestraft. [2]

 

______________

[1] LI LA RE 1919/2573 ad 2161. Ebd. maschinenschriftlicher Verordnungsentwurf mit handschriftlichen Änderungen bzw. Ergänzungen. Die Verordnung wurde nicht im Liechtensteinischen Landesgesetzblatt kundgemacht, sondern lediglich in den Landeszeitungen publiziert: L.Vo., Nr. 66, 20.8.1919, S. 4; O.N., Nr. 62, 20.8.1919, S. 4. – Mit diesen Einreiserestriktionen kam die Regierung den Bedenken der fürstlichen Hofkanzlei nach, welche befürchtete, dass „zweifelhafte Elemente", vor allem „politisch hervorstechende Personen" nach Liechtenstein kommen könnten. Anlass für diese Befürchtungen war die in Feldkirch verhinderte Ausreise des ehemaligen österreichisch-ungarischen Aussenministers Ottokar von Czernin aus Deutschösterreich (Schreiben der Hofkanzlei an die Regierung vom 26.4.1919, LI LA RE 1919/2161 (Aktenzeichen 4996)). Vgl. in diesem Zusammenhang, dass Vorarlberger Landesregierung schon im April 1919 die Einreisebestimmungen nach Vorarlberg verschärft hatte (Verordnung der Vorarlberger Landesregierung im Einvernehmen mit dem Vorarlberger Landesrate vom 2.4.1919 betreffend die Beschränkung der Einreise nach Vorarlberg und des Aufenthaltes daselbst, Vorarlberger Landesgesetzblatt 1919 Nr. 29).
[2] Die liechtensteinische Regierung präzisierte bzw. änderte die gegenständliche Verordnung am 23.8.1919 in einer weiteren Kundmachung (LI LA RE 1919/4133 ad 2161; L.Vo., Nr. 69, 30.8.1919, S. 4 („Kundmachung"); O.N., Nr. 65, 30.8.1919, S. 4 („Kundmachung"): Zum einen konnten deutsche Staatsangehörige den für die Einreise nach Liechtenstein erforderlichen Sichtvermerk auch bei der liechtensteinischen Gesandtschaft in Wien erwirken, zum anderen wurde die Zone für den kleinen Grenzverkehr festgelegt, innerhalb derer mit Reisepass visafreie Tagesreisen zulässig waren, zum dritten wurden die Sichtvermerkstaxe bei der Gesandtschaft in Wien und bei der Regierung in Vaduz auf 15 Kronen erhöht. - Nach Auffassung des liechtensteinischen Gesandten in Wien, Prinz Eduard, hätte es sich empfohlen vor der Erlassung der Regierungsverordnung vom 11.8.1919 mit den beteiligten Gesandtschaften in Wien und Bern Fühlung aufzunehmen (Schreiben der liechtensteinischen Gesandtschaft an die Regierung vom 26.8.1919 (LI LA RE 1919/4147 ad 2161/4133). Die von Prinz Eduard in diesem Zusammenhang angeregten Änderungen, u.a. betreffend die Strafbestimmung, flossen schliesslich in die Verordnung der Regierung vom 23.10.1919 betreffend Erlassung von Vorschriften über die Einreise nach Liechtenstein, LGBl. 1919 Nr. 14, ein.