Landesverweser Imhof ersucht die fürstliche Hofkanzlei um Intervention beim österreichischen Finanzministerium zwecks Erleichterung der Holzausfuhr in die Schweiz


Maschinenschriftliches Schreiben von Landesverweser Leopold von Imhof an den Leiter der Hofkanzlei Hermann von Hampe, nicht gez. [1]

23.1.1916

Euer Hochwohlgeboren,

Hochverehrtester Herr Hofrat!

Mit Beziehung auf das hochgeschätzte Schreiben vom 19. Jänner l.J., Nr. 818, [2] bedauere ich Herrn Hofrat Nachstehendes mitteilen zu müssen:

Die Holzausfuhrsbewilligungen nach der Schweiz haben unter der Einschränkung auf Bretter geringer Stärke gar keinen Wert. Eine solche Beschränkung kommt einer Verweigerung der Ausfuhr fast gleich, denn in Liechtenstein bestehen nur wenige primitive Sägeanlagen, die bei ihrer geringen Leistungsfähigkeit nicht in der Lage wären, ein grösseres Holzquantum in absehbarer Zeit aufzuarbeiten. Die grösste Anlage dieser Art in Schaan ist bereits seit langer Zeit ausser Betrieb, weil das hiezu nötige Rohöl nicht mehr erhältlich ist. [3]

Diese Einschränkung ist aber auch insoferne höchst unbillig, als der Holztransport aus Österreich derselben nicht unterworfen ist. Es ist Tatsache, dass über Vorarlberg grosse Transporte von starken Hölzern nach der Schweiz gehen und da muss es doch höchst befremden, dass das [österreichische] Finanzministerium das Bedenken, das Liechtensteiner Holz könnte zu italienischen Militärzwecken dienen, nicht auch beim österreichischen Holz hegt.

Nun handelt es sich jedoch jetzt leider nicht mehr blos darum, ob die Holzbesitzer in Liechtenstein ihr Holz zu den hohen Schweizer Preisen absetzen können oder nicht, sondern die Sache ist, wie Euer Hochwohlgeboren aus meinen abschriftlich angeschlossenen Schreiben an Sektionschef Dr. [Josef] Mühlvenzl geneigtest entnehmen wollen, sehr kritisch geworden. [4]

Kurz nachdem ich diesen Brief abgesandt hatte, hatte ich Gelegenheit, einen zweiten Herrn [5] zu sprechen, der eben vom Bundesrat kam, und mir bestätigte, dass es der Schweiz ferner unmöglich sei, nach Liechtenstein Waren zu liefern, wenn das Fürstentum seine eigenen Erzeugnisse nicht in die Schweiz abgeben dürfe.

Es ist also im Interesse der Approvisionierung [6] des Landes unbedingt geboten, dass der freien und uneingeschränkten Ausfuhr der Landesprodukte nach der Schweiz nichts in den Weg gelegt werde.

Andernfalls bliebe es eine offene Frage, woher das Land das nötige Getreide, mit welchem es nur noch etwa 3 Wochen versorgt ist, beziehen soll.

Nach meinen Informationen dürfte der einzig wirksame Weg, der Schweiz die weitere Approvisionierung des Landes, wozu dieselbe sehr gerne bereit ist, zu ermöglichen, der sein, dass die fürstl. Regierung durch die erbetene Vollmacht [7] in den Stand gesetzt würde, wenigstens nach aussen hin als selbständig aufzutreten. Auf diese Weise würde sich die Schweiz dem ihr vom Vierverbande [8] auferlegten Zwange entziehen können.

Da es mir gegenwärtig wegen des Landtages kaum möglich ist, abzukommen, und Euer Hochwohlgeboren sicher auch mit besserem Erfolg für dieses vitale Interesse des Fürstentums eintreten können, gestatte ich mir, Herrn Hofrat die ergebenste Bitte zu unterbreiten, zu Gunsten meines Ansuchens um Erteilung der gedachten Vollmacht beim Finanzministerium und der in Betracht kommenden militärischen Stelle geneigtest zu intervenieren. [9] Hoffentlich ist dort umso eher ein Entgegenkommen [10] zu finden, als der Warenbezug Liechtensteins aus der Schweiz Österreich mittelbar auch zugute kommt und die hiesigen Produkte doch so unbedeutend sind, dass sie militärisch für keinen Staat eine Rolle spielen. Vielleicht würde sich letzten Falles Seine Durchlaucht Prinz Franz sen. geneigt finden, diesfalls sein gewichtiges Wort in die Wagschale zu legen.

Eine Erklärung des Käufers des fürstl. Holzes gestatte ich mir beizuschliessen, um eventuell wenigstens diesen Transport zu ermöglichen. [11]

Genehmigen hochverehrtester Herr Hofrat den Ausdruck meiner vorzüglichen Hochachtung und tiefsten Verehrung, somit zeichne ich

Euerer Hochwohlgeboren

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[1] LI LA RE 1916/0341 ad 0274. Vgl. auch das handschriftliche Konzeptschreiben ebd.
[2] Am 19.1.1916 fand im österreichischen Finanzministerium eine Besprechung zwischen Hofkanzleileiter Hampe und Sektionschef Mühlvenzl wegen der Erwirkung einer Ausfuhrbewilligung von 400 Festmeter Tannen- und Fichtenrundholz für die fürstliche Forstverwaltung in Vaduz statt. Österreichischerseits wurde die Ausfuhr von Langholz und von starken, dicken Hölzern nicht zugestanden, da diese aus der Schweiz nach Italien abgehen und zur Herstellung von Schützengräben und sonstigen militärischen Zwecken verwendet werden könnten. Jedoch könnten Bretter geringer Stärke in die Schweiz exportiert werden. In gleicher Weise wurden vom österreichischen Finanzministerium die Holzexportanträge dreier Privatparteien aus Liechtenstein erledigt (Schreiben von Hampe an Imhof vom 19.1.1916 (LI LA RE 1916/0341 ad 0274 (Aktenzeichen 818)).
[3] Am 28.5.1915 hatte die Sägegenossenschaft Schaan um die ausnahmsweise Bewilligung zur Einfuhr von 1500 kg Rohöl oder Petroleum aus der Schweiz zum Motorbetrieb des Sägewerks nachgesucht, um den Aufträgen schweizerischer Firmen zur Lieferung von Schnittholz nachzukommen. Trotz des befürwortenden Begleitschreibens der Regierung vom 4.6.1915 erklärte die Handelsabteilung des Politischen Departements am 27.6.1915, dass es „zu seinem Bedauern eine Ausfuhrbewilligung zur Zeit nicht erteilen" könne (LI LA RE 1915/1939).
[4] Am 19.1.1916 orientierte Landesverweser Imhof den österreichischen Sektionschef Mühlvenzl über die Äusserungen des schweizerischen Nationalrates Ernst Schmidheiny, wonach die Schweiz die liechtensteinische Neutralität nicht weiterhin anerkennen könne, weil Liechtenstein von Österreich in einer Weise abhängig sei, dass nicht einmal der Export seiner wenigen Produkte gestattet sei. Anlass für diese Haltung war der Umstand, dass schweizerische Firmen das in Liechtenstein aufgekaufte Holz in Ermangelung einer Ausfuhrbewilligung nicht beziehen konnten. Dadurch war wegen der Rücksichtnahme der Schweiz auf die Alliierten insbesondere die Lebensmittelversorgung Liechtensteins gefährdet (LI LA RE 1916/0274).
[5] Diese Person konnte nicht identifiziert werden.
[6] Approvisionierung: Lebensmittelversorgung.
[7] Vgl. hiezu das Schreiben von Landesverweser Imhof an Sektionschef Mühlvenzl im österreichischen Finanzministerium vom 19.1.1916 (LI LA RE 1916/0274): Die liechtensteinische Regierung wollte ermächtigt werden, für die Ausfuhr bestimmter heimischer Produkte wie Holz, Heu, Streue und Kartoffeln die Ausfuhrbewilligungen nach der Schweiz zu erteilen.
[8] Frankreich, Grossbritannien, Russland und Italien. Vgl. in diesem Zusammenhang die von den Alliierten im Oktober 1915 erzwungene Gründung der "Société suisse de surveillance économique (SSS)", welche den Aussenhandel und den Kompensationsverkehr der Schweiz mit den Zentralmächten kontrollieren sollte.
[9] Gemäss Schreiben der fürstlichen Hofkanzlei an Landesverweser Imhof vom 27.1.1916 begab sich Hampe sofort zu Sektionschef Mühlvenzl, der ihm unter gewissen Bedingungen Erleichterungen für die Holzausfuhr in die Schweiz zusicherte (LI LA RE 1916/0471 ad 0274 (Aktenzeichen 1253)).
[10] Vgl. in diesem Zusammenhang den Erlass des österreichischen Finanzministeriums an die Finanzbezirksdirektion in Feldkirch vom 4.2.1916, wonach die an der schweizerischen Grenze gelegenen Zollämter vorbehaltlich des jederzeitigen Widerrufs grundsätzlich ermächtigt wurden, weiches Rundholz und weiche Bretter ohne Rücksicht auf die Stärke und ohne Beibringung einer besonderen Bewilligung in die Schweiz austreten zu lassen (LI LA RE 1916/0721 ad 0274 (Aktenzeichen ad 13641/9)). Vgl. ferner die Kundmachung der liechtensteinischen Regierung vom 25.4.1916, derzufolge für die Ausfuhr von Brennholz aus dem liechtensteinischen Grenzgebiet nach der Schweiz die gleichen Bestimmungen galten (LI LA RE 1916/1703 ad 0274).
[11] Dokument nicht aufgefunden.