Fanny Rheinberger berichtet David Rheinberger über die Krankheit seines Bruders Josef


Nach Vaduz sendet Fanny Rheinberger folgenden Krankenbericht:


München, den 25. März 1870

Lieber Schwager David!

Von Tag zu Tag hatte ich gehofft Euch ganz gute Nachrichten über Curt geben zu können, aber leider verzögert sich sein schmerzliches Leiden so sehr, dass immer wieder eine Woche angeht ohne die gewünschte Änderung zu bringen. Er hat es auf des Doctors Wunsch versucht, vor 14 Tagen auszugehen, es bekam ihm aber nicht gut und es scheint jetzt ein grosser Theil des Zahnkiefers entzündet zu sein. Er hat viele Schmerzen und bringt auch die Nächte meist schlaflos zu. Der Doctor musste ihm schon mehrere Male und auch heute wieder einschneiden, wo denn stets viel Eiter herausfliesst. Es musste die Erschütterung bei der Herausnahme des Zahnes eben eine sehr grosse gewesen sein. -

Curt ist ungemein geduldig, aber natürlich sehr verstimmt und obgleich ich sehr an Ernst gewöhnt bin, so greift mich doch diese düstere Stimmung oft recht an, zumal meine Mutter auch meistens recht getrübte Stimmung hat. Nun es wird auch wieder besser werden. Ich bin nur froh,dass wenigstens Maly mit Ausnahme der letzten Tage einen frohen Aufenthalt hatte. Seit sie fort ist, war ich nicht einmal im Theater, wie ich überhaupt nur hie und da zum Luftschnappen ausgehe oder in die Kirche und beim Vorübergehen in die Hofbibliothek. Ich kann daher auch Maly gar keine netten Neuigkeiten schreiben; denn ich lebe jetzt fast ganz abgeschlossen, da Curt keinen Besuch sehen will.-

Der Arme!- Er hat Schlaf und kann nicht schlafen - er hat Hunger und kann nicht essen und diess Alles wegen der Schmerzen! Natürlich bedauert er sein Leiden auch wegen seiner Schüler.

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Deine gütige Besorgung unseres Heimathscheines [1] verdient unsren beissten Dank, so wie auch Maly's Brieflein. Curt grüsst Euch herzlich.

Bald Näheres von Deiner Dich liebenden Schwägerin Fanny.

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[1] Durch die Heirat mit J. Rh. war Fanny liechtensteinische Staatsbürgerin geworden.