Der Landtag stimmt dem präzisierten Projekt zum Bau des Binnenkanals zu


Protokoll der öffentliche Landtagssitzung, gez. Anton Frommelt [1]

28.11.1930

Kanalbau

Präsident [Anton Frommelt]: Die Unterlagen für die Behandlung des Kanalbaues sind den einzelnen Abgeordneten zugegangen, die neueren Unterlagen liegen beim Regierungschef [Josef Hoop] und ich bitte ihn, persönlich die Sache darzulegen.

Reg.Chef: Ich glaube, dass es sich hauptsächlich bei der heutigen Sitzung darum handelt, den ganzen Komplex des Kanalbaues nochmals zu erörtern, dann über die Botschaft, mit welcher die Bevölkerung über den Kanalbau aufgeklärt werden soll, sich zu befassen. Den Herren Abgeordneten ist bereits eine Zusammenstellung, ein Vorschlag zugegangen, der sich in folgende Teile gliedert: [2]

  1. ein allgemeiner Teil mit einem kleinen geschichtlichen Rückblick über die Entwicklung der Kanalfrage,
  2. dann ein Bericht des Landestechnikers [Josef] Vogt auf Grund der früher ausgearbeiteten Projekte,
  3. der Teil, welcher ausdrücklich die Finanzierung behandelt, und
  4. kurze Ausführungen über die Vorteile, welche der Kanalbau der liechtensteinischen Volkswirtschaft bringt.

Nach dieser Vorlage würde es sich wohl darum handeln, den endgiltigen Beschluss in der Frage des Binnenkanalbaues zu fassen, den wir ebenfalls bereits formuliert haben, wozu ich mir dann gestatten werde, einige kurze Abänderungen zu betonen. Im ersten Teile hätten wir gedacht etwa Folgendes zu sagen: “Seit langen Jahren ist das liechtensteinische Riet oberhalb Bendern u.s.w. ... (es wird der oben zu 1) erwähnte, den Abgeordneten zugestellte Bericht verlesen).

Reg.Chef: Das wäre so der historische Überblick zu dem heute in Frage stehenden Projekte. Dann der technische Bericht. Wir haben diesen technischen Bericht hier in die Botschaft aufgenommen, so wie er vom fürstl. Landestechniker Vogt ausgearbeitet worden ist. Wir haben nichts daran geändert, sondern wollten in der Botschaft die Ansicht des Landestechnikers in dieser Frage voll zur Geltung kommen lassen. Ich wollte fragen, ob nicht die Diskussion über einzelne Sachen erörtert werden sollte, oder ob zuerst die ganze Sache durchgelesen werden sollte.

Es wird der Bericht des Technikers verlesen.

Reg.Chef: Wegen der Mündung der ersten Etappe sind nur die Auslaufkoten, das umliegende Gelände ausgemessen worden, nicht alle Einzelheiten, wie sie vor Bauinangriffnahme behandelt werden müssen.

Rat [Joseph] Ospelt: Ich möchte die Frage stellen, ob der in Aussicht genommene Entwurf von Baurat [Felix] Nesper noch vorliegt, für die Mündung an der Landesgrenze.

Chef: Dem haben wir gesagt, er soll den Detailentwurf nicht machen. Der ganze Kanal liegt vor, der weitere Entwurf, d.h. die Umänderung seines grossen Projektes auf dieses Teilprojekt liegt nicht vor. Wir haben ihm absichtlich gesagt, er solle erst auszuarbeiten beginnen, wenn die Volksabstimmung vorbei ist. Es ist die Profilaufnahme vielleicht diese Woche gemacht worden. Wir wollten nicht nochmals grosse Kosten aufeinanderhäufen, sondern lieber zuwarten.

[Franz Josef] Marxer, Eschen: Ich sage jetzt nur, bei diesen grossen Projekten, die etwa 60’000 Fr. verschlungen haben, sind wir jetzt bei einem Projekte angelangt, das nach meiner Ansicht nach durchführbar wäre. Man würde nicht nur zu unterst, an einer Stelle anfangen, oder im Mittel, im Eschner Riet, sondern auch bei den Balzner und Triesenern, alle würden etwas bekommen, und ich glaube auch, dass der Kostenpunkt aufzubringen wäre. Wir werden das wahrscheinlich noch hören. Es liegt auch ein Finanzierungsplan vor.

Reg.Chef: Dem technischen Teile wäre anzufügen auch die Anteilnahme der Gemeinde. Die Gemeinde Eschen hat zugestimmt 85’000 Fr. zu zahlen, die Gemeinde Gamprin 25’000, Mauren 30’000, Schaan 30’000 Fr., Vaduz 25’000 Fr. und Balzers auch 25’000 Fr., Planken 2000 Fr. [3] Die Beitragsleistungen der Gemeinden haben allerdings auch noch gewissen anderen Sachen gerufen. Einzelne Gemeinden haben gewisse Wünsche dabei geäussert, aber sie sind nicht derart, dass sie irgendwie ins Gewicht fallen. Aber es ist überall eine vollkommene Einigung erzielt worden. [4]

Eschen hat zugestanden, dass der Scheidgraben an jener Stelle durch das Eschner Ried geführt wird, welche die Kulturtechniker für die günstigste erachten. Es ist heute schon anzunehmen, dass dies eine Änderung bringen wird. Wer die Verhältnisse kennt, muss es als eine Anomalie betrachten, dass der Scheidgraben Grabs zu hinausgeht, während die tiefst liegenden Stellen alle bei Bendern liegen. Eschen ist diesbezüglich den Wünschen sämtlicher Nachbarn entgegengekommen. Balzers hat an die Beitragsleistung von Fr. 25’000 den Wunsch geäussert, dass es Balzers jederzeit freistehe, sich an den einmal bis zum Heilos hinaufgeführten Kanal anzuschliessen, wenn es das für notwendig hält. Der Landtag ist willens, diese Bedingung auch zu erfüllen. Sie ist eigentlich schon im Landtagsbeschluss enthalten, welcher einen Bau des Kanals vom Matschilser Bergle bis und mit Balzers vorsieht. [5] Immerhin hat Balzers den folgenden Beschluss gewünscht, dass der Gemeinde das Recht bleibt, jederzeit, wenn der Kanal bis zum Heilos geführt ist, einen Zusammenschluss der Balzner Teilstrecke mit der unteren zu verlangen, widrigenfalls das Land bei Nichterfüllung für allen der Gemeinde Balzers erwachsenden Schaden aufzukommen hätte. Die Gemeinde Ruggell hat ebenfalls gewisse Vorbehalte gemacht, die im seinerzeitigen Gutachten von [Julius] Ratz [6] enthalten sind und welche wir als absolut annehmbar bezeichnet haben. Sie hat die Regulierung des Spiersbaches verlangt, was zugesichert wird, und der binnen 5 Jahren mit einem Kostenbeitrage Liechtensteins durchgeführt wird. [7] Es hat sich vorbehalten, einzelne Schädigung von Ruggell im Laufe der nächsten 3 Jahre feststellen zu lassen und dann eventuell eine entsprechende Schadloshaltung zu verlangen u.s.w. (siehe Protokoll), alles Sachen, die wir ohne weiteres eingehen konnten. Triesen habe ich noch vergessen. Triesen hat seinen Vorteil daran, dass der Durchlass bei der Schleus um ca. 60 cm tiefer gelegt wird und das Wasser auf den Sandteilen sich nicht mehr zu stauen braucht. Vaduz gaben wir die Zusicherung, dass wir den Kanal draussen ausräumen und tiefer legen, dass ohne Nachteile für das Vaduzer Neugut das Wasser von Triesen übernommen werden kann. Über die Spiersgrabenregulierung ist nichts weiteres zu sagen.

[Emil] Batliner: Es dürfte dem H. Regierungschef entgangen sein, dass Eschen und Mauren im Falle des Zustandekommens des Kanalbaues ihr Werk an das Lawenawerk anschliessen.

Reg.Chef: Das habe ich vergessen zu sagen, wenn Eschen und Mauren angeschlossen sind, kann vom Lawenawerk auch eine grössere Verzinsung unseres Dotationskapitals verlangt werden.

Es wird sohin der Finanzplan verlesen.

Reg.Chef Dr. Hoop gibt die nötigen Erklärungen dazu und ersucht die Abgeordneten, sie möchten es sagen, wenn etwas nicht verständlich sei.

Zur Volksbank-Anleihe bemerkt Reg.Chef, dass dieselbe verhältnismässig ziemlich hoch verzinslich sei. [8] Aber sie sehe eine frühere Rückzahlungsmöglichkeit nicht vor. Bei späteren Anleihen ist eine frühere Rückzahlungsmöglichkeit vorgesehen. Er gibt bekannt, welche Einnahmen in den letzten Jahren gemacht worden seien, wie sie verwendet wurden etz. Er bemerkt, dass die Einnahmen sehr vorsichtig eingesetzt worden seien, und dass man in Wirklichkeit immer mehr eingenommen habe. Es sei auch in den Jahren des Kanalbaues mit einem Einnahmenüberschuss von jährlich 280-350’000 Fr. zu rechnen. Er gibt eine Übersicht über den Schuldenstand, die Amortisationen in den Jahren des Kanalbaues. Der Rest der Volksbank-Anleihe im Betrage von Fr. 500’000 im Jahre 1935 könne wieder verlängert werden. Die Bank habe über eine bezügliche Anfrage erklärt, dass sie es gerne hätte, wenn eine Verlängerung der Anleihe erfolge. Über den Zinsfuss jedoch könne heute noch nichts gesagt werden. Dieser würde aber, wenn die Verhältnisse gleich blieben, nicht 6% betragen. [9]

Es wird sodann die Ansicht der Steuerbehörde zum Finanzplan verlesen. [10]

Reg.Chef: Es wurden also nur die konstanten Einnahmen verrechnet. Die Gegner des Kanalbaues argumentieren, dass unsere Steuern und Holdinggesellschaften zurückgehen werden. Das ist nicht richtig. Erstens haben wir unseren Finanzplan im Grossen und Ganzen nur aufgestellt auf Holdinggesellschaften, die wir schon haben, nicht auf Neugründungen. Jene, die wir schon haben, zahlen diese Steuern ungefähr. Wie werden auch nicht abwandern, sonst wären sie schlechte Kaufleute. Wir haben mit diesen Verträge von 10, 20 u. 30 Jahren. Anderswo zahlen sie höhere Steuern und können nicht so pauschalieren wie bei uns. Wenn die Gesellschaften fortgingen und dann die Kosten der Neugründung bezahlen würden, wären sie ja nicht kaufmännisch eingestellt.

Rat [Joseph] Ospelt: Ich möchte meiner Befriedigung über den Finanzierungsplan Ausdruck geben, der ein sehr erfreuliches Bild bietet und die Gewähr bietet, dass sich das Land wegen des Binnenkanals in der Form nicht zu überbauen braucht.

Rat Ospelt schlägt zum Finanzplan 2 kleine Änderungen vor, um einer unnötigen Kritik die Spitze abzubrechen.

Fr. [Friedrich] Walser frägt an, ob es nicht angezeigt wäre, dass im Finanzplan, wo mit Ende 1930 der Schuldenstand mit Fr. 5’327’405.20 angegeben ist, nicht auch aufgenommen werden sollten die Aktiven des Landes, die einen Ertrag ergeben. Aufgenommen werden sollten, das ist das Dotationskapital bei der Sparkassa von einer Million und beim Lawenawerk von einer Million und einhunderttausend Franken, alle anderen Gebäude des Landes, wie Amtsgebäude, die keinen Ertrag ergeben, sollen nicht aufgenommen werden.

Chef: Die anderen Gebäude ausser dem Zollgebäude liefern eigentlich keinen Ertrag.

Batliner: Ich möchte fragen, ob es vielleicht nicht besser wäre in den Einnahmen anzugeben, so viel Landessteuer und so viel Gesellschaftssteuern. Ich möchte fragen, ob es wahr ist, ob das Personen- und Gesellschaftsrecht so viele Steuern bringt.

Chef: Da sind natürlich alle möglichen Steuern drin. Es ist nicht zweckmässig, das zu erwähnen im öffentlichen Landtage, dass über unser Steuerwesen so detaillierte Auskünfte gegeben werden. Es ist ja bekannt, dass man allenthalben eifersüchtig darüber wacht seitens ausländischer Steuerverwaltungen u.s.w., was eigentlich in Liechtenstein an Steuern eingeht. Ich bin sehr gerne bereit, dem Abgeordneten Batliner, wenn er zu mir auf das Büro kommt, ganz detaillierte Auskunft zu geben. Wir haben Vermögens- und Erwerbsteuer an die 100’000 Fr. Alkoholsteuer auch seine 80-90’000 Fr. Gewerbesteuer 14’000 Fr. etz. Von einem einzien Unternehmer bekommen wir 100’000 Fr. Beim Landgericht 50’000 Fr. Stempeleinnahmen. Hauptsächlich sind es Aktiengesellschaften, die dem Lande so viel Einnahmen bringen. Es würde zu weit gehen, hier ins Einzelne einzugehen.

Fr. Walser: Ich möchte weiter die Anregung machen, dass mit der Durchführung des Projektes zum mindesten angenommen werden kann, dass die in Betracht fallende Fläche vom Riedgebiet im Steuerwert zum mindesten nicht reduziert werden muss, wogegen, wenn das Projekt nicht zur Durchführung kommt, mit Sicherheit zu erwarten ist, dass eine Herabsetzung des Steuerwertes mit der Zeit nicht zu umgehen ist.

Reg.Chef: Die Anregung will ich irgendwo hineinflicken.

Marxer: Der Finanzplan macht ein sehr erfreuliches Bild, sodass man mit Trost und Zuversicht an das Projekt schreiten darf, wegen der Finanzierung.

Präs.: Das Ergebnis der Verhandlungen mit Österreich ist, dass dieses kein Hindernis in den Weg stellt, sondern im Gegenteil die ganze Durchführung bis zum Matschilser Bergle sichert.

Es wird sodann jener Teil verlesen, der den Vorteil des Kanalbaues dartut.

Ein Abgeordneter regt an, es sollen stärker betont werden die Werte, die durch die Bodenverbesserung geschaffen werden. Dies scheint ihm zu wenig hervorgehoben, umsomehr als Botschaften oft nur flüchtig gelesen werden.

Reg.Chef: Der Kanal ist eigentlich nur die Voraussetzung für die Kultivierung. Das Hauptgewicht liegt eigentlich darin.

P. [Peter] Büchel: Es wäre angängig, doch irgendwie hineinzubringen, dass über eine Million Klafter Boden dem sicheren Verderben geweiht wäre, wenn man den Kanal nicht bauen würde und dass dieser Boden, der sonst verderben würde, der Steuer nicht nur nicht erhalten, sondern in der Steuerkraft noch erhöht wird, vielleicht noch. Das Eschner Ried, das Gampriner Ried und später auch das Maurer Ried würden vollständig vom Rückstau wertlos gemacht. Ich betone ausdrücklich: Vom Rückstau. Die Entwässerung ist Sache der Gemeinden. Jetzt ist bei jedem Hochwasser Rückstau und dieser dehnt sich auch auf Maurer Gebiet aus, nicht nur auf Eschner Gebiet.

Präsident: Es wäre Beschluss zu fassen, einerseits die hier gebotenen Darlegungen der Wirklichkeit näher zu bringen, wenigstens der Volksabstimmung vorzulegen.

Es wäre Beschluss zu fassen für die hier vorgelegten Projekte, Abänderung des grossen Projektes in dem Sinne, wie sie die Botschaft beinhaltet. Neu dazu kommt der Umstand, der von Balzers gefordert wird, dass für diese Gemeinde ein besonderer Beschluss gefasst wird. Als Drittes würde der Finanzplan zu bewilligen sein. Endlich denke ich mir einen Auftrag des Landtages an die Regierung, die hier gefassten Botschaft an das Volk weiterzuleiten als allgemeine Aufklärung.

Der erste Beschluss müsste lauten:

Der Landtag beschliesst nach der gegebenen Vorlage und den vorgelegten Ausführungen die Ausführung des Kanalprojektes.

Ergebnis der Abstimmung:

Einstimmig.

Präs.: Der Landtagsbeschluss betreffend die Gemeinde Balzers und zur Beruhigung derselben wäre also, dass der Gemeinde zuerkannt wird, im Falle der Fertigstellung des Kanals bis an die Grenze Triesen-Balzers wird für sie die Sicherheit geboten zum Zusammenschluss ihres Oberwassers mit dem unteren Teil des Kanals, dann dazu noch die Verpflichtung, dass im gegenteiligen Falle das Land für den Schaden, der der Gemeinde Balzers erwachsen würde, haftbar wäre.

Reg.Chef gibt die Gründe bekannt, warum die Balzner diese Zusicherung des Landtages wollen. Der Balzner Beweggrund war: Wenn der Kanal einmal in Triesen ist, haben (so sagen die Balzner) die anderen Gemeinden gar keinen Grund mehr, die Balzner Gewässer herunterzulassen. Darum wollen sie das Recht haben, dann gleich anschliessen zu können.

Marxer: Der Wunsch der Gde. Balzers ist schon im ganzen Projekt enthalten, mit dem befasst sich jeder.

[Johann] Schädler: Ich will mich hier ganz offen aussprechen. Nach meiner Ansicht sind mit den 225’000 Fr. die interessierten Gemeinden zu wenig belastet. Ich muss mich daher betreffend Finanzierung der Stimmen enthalten.

P. Büchel: Ich möchte zu den Ausführungen das Abg. Schädler Folgendes erwidern: In verschiedenen Gemeinden das Landes herrschen noch irrige Ansichten. Man glaubt immer, nur einzelne Gemeinden hätten die Verpflichtung, den Kanal zu bauen. Das ist etwas ganz anderes, das ist doch ein Landeskanal. Der ist da, sämtliches Land zu entwässern. Auch Triesenberger Wasser läuft herunter. Neuerdings leitet man aus dem Saminabach noch Wasser heraus. Zur jetzigen Kanallücke fliesst auch dieses Landeswasser und überflutet auch unsere Fluren, die wir den ganzen Sommer hindurch pflegen. Es ist eigentlich Landespflicht, dieses Wasser abzuführen, ohne die anderen zu schädigen. Ich bestreite ausdrücklich den Standpunkt, dass nur einzelne Gemeinden verpflichtet seien. Die Beiträge, die einzelne Gemeinden geleistet haben, sind ganz freiwillige Beiträge, nicht verpflichtbare Beiträge. Ich hätte nichts gesagt, wenn nicht diese Ansicht im Landtage hier aufgetaucht wäre. Ich muss diese Ansicht als ganz irrig zurückweisen. Es ist Landeswasser. Der Kanal bildet die Vorbedingung für die Riedentwässerung. Das Rheinwasser fliesst in unsere Fluren hinein. Das Land ist verpflichtet, diesen Kanal auszubauen. Die Beiträge, die man geringfügig nennt, sind ganz freiwillige Beiträge. Man soll das endlich einmal verstehen, dass das Landeswasser ohne Schaden der anstossenden Gemeinden abgeleitet werden muss, es ist Pflicht das Landes. Wir geben die versprochenen Beiträge, man soll das auch würdigen. Eschen z.B. zahlt so viel, obwohl es in den letzten 20 Jahren so enormen Schaden erlitten hat durch das Landeswasser, nicht durch das ihrige Wasser, durch Wasser, das zuerst durch den Rhein heruntergeflossen ist. Die Gemeinde Mauren wird in absehbarer Zeit auch vom Landeswasser überschwemmt. Auch Mauren gibt einen namhaften Beitrag. Die Gemeinde Schaan, die das Wasser abfliessen sieht, hat auch diesen Beitrag geleistet, das soll man doch einmal würdigen. Und die Gemeinde Gamprin, die durch gewisse Vernachlässigung des Landes ruiniert wurde. Diese Ansicht ist glaube ich nicht dem Abg. Schädler entsprungen, ich möchte nicht diesem entgegnen. Es tut Aufklärung in manchen Gemeinden not, dort sind falsche Ansichten.

Präs.: Es dürfte noch beigefügt werden, dass die Gemeinden erst noch grosse Schuldenlasten werden aufwenden müssen, um das Gut, das sie für sich haben wollen, zu erringen, erst dann fängt die Entwässerung an.

Abg. [Franz Xaver] Hoop erklärt, dass in mancher Beziehung die Stimmung in Ruggell ähnlich sei wie jene von Balzers. Wenn manche die Zusicherung hätten, dass in 30 Jahren z.B. der Kanal weitergeführt würde zum Matschilser Bergle, würden sie auch für den Kanalbau stimmen.

P. Büchel: Der Landtagsbeschluss lautet bis Matschilser Bergle. Ich glaube, dass auch diese Strecke in absehbarer Zeit gebaut wird.

F. [Ferdinand] Risch: Gamprin, Schaan, Eschen, Vaduz u. Balzers haben grosse Wuhrpflichten.

Marxer: Man hat früher von Rietentwässerung gesprochen. Das ist ganz falsch. Die Rietentwässerung ist unsere Sache. Der Kanalbau ist die Vorbedingung für die Entwässerung.

P. Büchel hat immer betont, dass der Kanalbau Landessache sei. Wenn einmal der Kanal gebaut ist, dann kommt die Rietentwässerung, das kostet erst Geld. Diese Lasten würde man auf sich nehmen und muss man auf sich nehmen. Ohne das kommt die Zeit, wo viele Existenzen aufhören bei uns. Mit den 85’000 Fr. wollten wir nur zeigen, dass uns am Ganzen etwas gelegen ist und wir vom Übelstand einmal befreit werden. Darum kann ich nicht ganz versehen, dass der Abgeordnete Schädler sich zu dem nicht herbeilassen kann, wo die Finanzierung so gesichert ist.

Präsident: Es wäre also 1. noch über die Forderung der Gde. Balzers abzustimmen, bezüglich Zusammenschluss des Balzner Wassers in den allgemeinen Kanal, wenn der Kanal bis zum Heilos geführt ist,

2.) dass die Sohlenbreite des Kanals von Bendern aufwärts gleich in der definitiven Breite ausgeführt wird zur Aufnahme des Balzner Wassers, damit man später nicht sagen könne, es seien zu grosse Kosten nötig, um einer Gemeinde zu helfen,

3.) über die Pflicht des Schadenersatzes bei Nichteinhaltung der gestellten Bedingung.

Der Beschluss erfolgt mit allen gegen 1 Stimme (Schädler, der der Stimme enthält).

Batliner: Der Entscheid liegt in den Händen des Volkes. Ich kann nicht umhin, dem Regierungschef zu danken für die riesig grosse Arbeit, für die zähe Ausdauer, mit welcher er alle Hindernisse bis heute überbrückt hat, und vorzüglich für den günstigen Finanzplan. Mir wäre es angenehm, wenn der Herr Landtagschef dem Regierungschef und der Regierung den Dank aussprechen würde, im Namen des Landtages.

Reg.Chef: Das ist absolut nicht notwendig, wir haben damit unsere Pflicht getan, indem wir uns zum Ziele gesetzt haben, dass dieser Kanalbau, der seit Jahrzehnten die Gemüter bewegt, endlich zur Wirklichkeit wird. Wenn das Volk dieser Vorlage auch Verständnis entgegenbringt und es zum Kanalbau kommt, wird das die grösste Genugtuung sein und eine reichliche Entschädigung sein für die Arbeit.

Präsident: Ich danke dem Regierungschef im Namen des Landtages für die besonderen Arbeiten, die er geleistet hat.

Er erfolgt sodann

einstimmig

der Beschluss, dass alle den Abgeordneten zugegangenen Unterlagen als Botschaft an das Volk hinausgehen sollen.

Es wird sodann mit allen gegen eine Stimme noch folgender Beschluss gefasst:

Im Anbetracht der seit Jahrzehnten erkannten Notwendigkeit, durch ein gründliche Regelung der Abfuhr der liechtensteinischen Binnengewässer grosse und wertvolle Landesteile von zunehmender Versumpfung zu retten, weiter, um der immer mehr und mehr um sich greifenden Arbeitslosigkeit zu steuern

beschliesst der Landtag:

Der liechtensteinische Binnenkanal vom Matschilser Bergle bis und mit Balzers soll in Etappen, bei deren Ansetzung auf die finanzielle Leistungsfähigkeit des Landes und das lokale Bedürfnis zu sehen ist, gebaut werden.

Die erste Etappe soll im heurigen Winter in Angriff genommen und binnen längstens 5 Jahren vollendet werden. Sie umfasst folgende Arbeiten:

  1. Die Verlängerung des Kanals von der gegenwärtigen Mündung bis zur Landeswuhrgrenze,
  2. den Ausbau des Kanals von der Landesgrenze Balzers bis zur Mündung im Heilos in Triesen,
  3. die Spiersgrabenregulierung zur Entwässerung von Ruggell,
  4. die Regulierung des Vaduzer Rheinkanals im Neugut und Tieferlegung des Triesner Durchlasses im Audamm bei der alten Schleuse.

Der Landtag nimmt Kennntnis

  1. von dem Ergebnis der Verhandlungen mit den Gemeinden und den Kostenbeiträgen derselben,
  2. von dem Ergebnis der Verhandlungen mit der österreichischen Regierung, die er genehmigt, vorausgesetzt die Annahme durch das Volk.

Der Landtag genehmigt den für den Bau der 1. Etappe aufgestellten Finanzplan.

Die fürstliche Regierung wird beauftragt, die Volksabstimmung über das ganze vorliegende Projekt durchzuführen.

Der Beschluss erfolgt mit allen gegen eine Stimme.

(Schädler enthält sich der Stimme.)

______________

[1] LI LA LTP 1930/255 (b).
[2] Vgl. die "Botschaft des Landtages betreffend den Bau des Binnenkanals an das Volk" zur Volksabstimmung vom 14.12.1930 (LI LA DM 1930/006) sowie die Vorarbeiten dazu in LI LA RE 1930/3194.
[3] Zur Kostenbeteiligung der Gemeinden vgl. LI LA RE 1930/3194, Protokoll der Sitzung vom 29.8.1930.
[4] Zu den Verhandlungen mit den Gemeinden vgl. LI LA RE 1930/3194.
[5] LI LA LTP 1930/132.
[6] LI LA RE 1930/3194, Stellungnahme von Julius Ratz zum Projekt des liechtensteinischen Binnenkanales vom Standpunkte der Gemeinde Ruggell, 28.7.1930.
[7] Österreich und Liechtenstein verständigten sich am 1./2.10.1930 über die mit dem Bau des Binnenkanals zusammenhängenden Fragen. In dieser Vereinbarung sicherte Österreich zu, die Regulierung des Spiersgrabens bis spätestens Ende 1935 vorzunehmen. Liechtenstein versprach dagegen, 25% der Baukosten, höchstens jedoch 150'000 Fr., zu übernehmen (LI LA RE 1930/3194, Protokoll der zwischenstaatlichen Konferenz am 1. und 2.10.1930 in Bregenz und Feldkirch).
[8] Liechtenstein hatte 1925 bei der Schweizerischen Volksbank einen Kredit von 1 Mio. Fr. zu 6% Zins aufgenommen, um den Bau des Wasserkraftwerks Lawena zu finanzieren.
[9] Vgl. LI LA RE 1930/3194, Regierung an Schweizerische Volksbank, 14.11.1930; Schweizerische Volksbank an Regierung, 18.11.1930; Regierung an Schweizerische Volksbank, 19.11.1930.
[10] LI LA RE 1930/3194, Steuerverwaltung an Regierung, 11.11.1930.