Im "Liechtensteiner Volksblatt" wird die Einziehung der "Arbeiterzeitung" am 24. Juni 1933 durch die Regierung Hoop neuerlich gerechtfertigt


Leitartikel im "Liechtensteiner Volksblatt", nicht gez. [1]

1.7.1933

Liechtensteinisches Innenpolitisches

Es war vorauszusehen, dass der Einzug der Arbeiterzeitung [2] von den führenden Persönlichkeiten um dieselbe mit gemischten Gefühlen aufgenommen würde. Eine Aktion zugunsten der Allgemeinheit darf auch nicht nach der Befriedigung einzelner fragen, sie hat nach den Rechtsgrundlagen allgemein als notwendig Erkanntes vorzukehren, ohne nach rechts oder links zu schauen. Eine Stellungnahme zu diesem Verbot in den Liechtensteiner Nachrichten vom Donnerstag [3] veranlasst uns, noch einmal darauf zurückzukommen. Keineswegs aus Gründen der Verteidigung, denn das Verbot verteidigt sich selbst, sondern lediglich aus Gründen für das Eintreten einer vernünftigen Zusammenarbeit, die in der dortigen Einsendung als Gebot der Stunde angerufen wird. Es wird auch kein Mensch gegen eine solche Zusammenarbeit sein. Allerdings sehen die Schriftsätze der Arbeiterzeitung in globo, nicht nur der verbotenen, nicht darnach aus. Eine erspriessliche Zusammenarbeit ist nur möglich, wenn auf der gemeinsamen Basis der Staatsnotwendigkeiten aufgebaut wird, wenn Sauberkeit in solchen Auffassungen allseits besteht und jede praktische Betätigung auch Zeugnis dafür ablegt. Bei nur mittelmässiger Überlegung wird der Leser der Arbeiterzeitung hier ein Auseinandergehen feststellen haben können. Ganz abgesehen von den ungerechtfertigten persönlichen Angriffen auf führende Persönlichkeiten fallen bei solchen Betrachtungen Momente staatspolitischer und wirtschaftlicher Natur in die Wagschale. Die Behandlung des Ermächtigungsgesetzes [4] im Landtage hat den Uneingeweihtesten belehren müssen, um was es geht. Es ist durchaus nicht gleichgültig, wenn in der jetzigen Zeit schlankweg in der Presse von einer Kündigung des Zollvertrages [5] mit der Schweiz die Rede geht: sie ist weder von den Behörden beabsichtigt, noch vom Volke erwünscht. Es läge ein solches Loslösen des Landes aus einem festgefügten Wirtschaftsganzen in einer Zeit der Gärungen an der Peripherie unserer Grenzen und einer allgemeinen wirtschaftlichen Unsicherheit, kurz gesagt, keineswegs im Interesse des Volksganzen. Vielmehr ist die Aufpeitschung eines solchen leichthin und ohne weitere Überlegungen in die Diskussion geworfenen Gedankens schon gemeingefährlich, weil allein dadurch schon einer wirtschaftlichen Unsicherheit schlechtweg Tür und Tor geöffnet wird. Aus solchen Überlegungen entsprang das Verbot der Arbeiterzeitung vom letzten Samstag und es wird jedermann freuen, wenn hieraus etwas gelernt wurde.

Ein betrübliches Argument bildet das in jener Einsendung der Nachrichten vorgegebene Hinaustragen der Angriffe in die Presse des Auslandes. Solche Machenschaften kennen wir leider schon seit Jahren, gegen Schlechtigkeit und Verrat am eigenen Volk ist leider kein Kraut gewachsen. Es hat schon zu allen Zeiten Verräter gegeben, die in den Rücken des eigenen Volkes ihre giftigen Pfeile schossen. Umsomehr sind solche Beginnen zu verurteilen, als im Lande eine offene freie Kritik gang und gäbe war. Eine solche allerdings hat mit einer Gefährdung lebenswichtiger Interessen des Landes nichts gemein.

Bundesrat [Heinrich] Häberlin hat als Richtschnur in der Währungsfrage letzthin den Satz geprägt: "Mit unserer Währung darf niemals auf Kosten unserer Ehre ein Geschäft gemacht werden."So spricht ein Mann an der Spitze der Schweiz, die Kämpfe in London geben die nötigen Illustrationen dazu. Das Schweizer Volk steht wie ein Mann hinter solchen Grundsätzen der Regierung, trotz der weltanschaulichen Verschiedenheit in der Eidgenossenschaft. Der Kampf der Regierung unseres Landes geht nicht um die Währung, es geht um die Erhaltung der Blutzufuhr für unsere einheimische Wirtschaft, um die Wohlfahrt der Bevölkerung, für die Erhaltung der Einnahmen, die in den ausgedehnten Arbeiten der Öffentlichkeit und namentlich dem Arbeiterstande zugeflossen sind. Sollen wir da nicht wie ein Mann hinter ihr stehen und hier die Zusammenarbeit an Fundamentalgrundsätzen jeder Politik praktisch erproben? Hier ist dazu Gelegenheit geboten, ohne Aufsehen zu erregen, das Volk Liechtensteins und eine weitere Zukunft werden uns Dank wissen.

Als Grundfrage der Einigkeit und Zufriedenheit wird in einer Presse Liechtensteins immer wieder der Proporz ins Treffen geführt. Schliesslich geschieht dies zu einer Zeit, in der die gesamte Welt proporzmüde erscheint. Die Auswüchse dieses Wahlsystems in den einzelnen Parlamenten zu beobachten, hatten wir zur Genüge Gelegenheit die letzten Jahre. Liechtenstein hat einstweilen kaum Ursache zu bedauern, dass es einen solchen Schritt bei der Schaffung des neuen Wahlgesetzes [6] nicht unternommen hat. Den Beweis hat die Opposition der letzten Jahre erbracht. Wir bedauern als erste, dass dem so ist. Bei der mehr oder weniger einheitlichen Struktur unserer Bevölkerung auf dem Boden katholischer Weltanschauung wird sich das Verhältniswahlrecht leicht vermissen lassen, wenn wir eine staatsbejahende Stellung einnehmen wollen. Wer ausserhalb dieser Gesetze steht, würde ohnehin unnütze u. aufreibende Kämpfe in die Volksvertretung tragen.

"Die Freigeldleute schiessen der schweizerischen Delegation in London in den Rücken", schreibt ein Schweizerblatt. Der Freiwirtschaftsbund hat nämlich ein Telegramm an den Präsidenten des Währungsausschusses der Weltwirtschaftskonferenz gesandt, in welchem er entgegengesetzt zur Schweizer Delegation fordert, dass die Goldwährung aufgegeben werde. Sie ersuchen die Weltwirtschaftskonferenz, für den zukünftigen Ausbau der Wirtschaft die Indexwährung in Erwägung zu ziehen. Bei den Eidgenossen wird die Rüge laut, dass dieser Schritt hinter dem Rücken des Bundesrates sowohl im Schweizervolke wie in London keinen guten Eindruck machen werde. Also auch im Lande der Helvetia Aussenseiter, wenn auch kleinen und ungefährlichen Stils. Wir kennen die Bestrebungen dieser Leute aus der eigenen Anschauung in Liechtenstein.  Wenn wir dann feststellen konnten, dass der Kampf um Ideale von dieser Richtung bei uns nicht einwandfrei geführt wurde, wird dieser Streit die Sympathien kaum zu steigern vermögen. Er lässt so recht die Bestrebungen der liechtensteinischen Gruppe [7] in jenem Licht erscheinen, in das wir sie von allem Anfang an zu rücken trachteten.

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[1] L.Vo., Nr. 76, 01.07.1933, S. 1. Vgl. auch den Artikel im "Liechtensteiner Volksblatt" vom 27.6.1933 (L.Vo., 1933.06.27).
[2] 24.6.1933.
[3] 29.6.1933.
[4] Gesetz vom 30.5.1933 betreffend die Erteilung besonderer Vollmachten an die Regierung, LGBl. 1933 Nr. 8.
[5] Vertrag vom 29.3.1923 zwischen der Schweiz und Liechtenstein über den Anschluss des Fürstentums Liechtenstein an das schweizerische Zollgebiet, LGBl. 1923 Nr. 24.    
[6] Siehe das Gesetz vom 21.2.1932 betreffend die Abändrung der Verfassung des Fürstentums Liechtenstein vom 5.10.1921, LGBl. 1932 Nr. 8, und das Gesetz  vom 21.2.1932 über die Abänderung des Gesetzes vom 31.8.1922 (LGBl. 1922 Nr. 28) betreffend die Ausübung der politischen Volksrechte in Landesangelegenheiten, LGBl. 1932 Nr. 9.  
[7] Des Liechtensteinischen Freiwirtschaftsbunds.