Leitartikel im "Liechtensteiner Volksblatt" [1]
27.6.1933
Verbot der liechtenstein. Arbeiterzeitung
Die Nummer der Arbeiterzeitung vom letzten Samstag [2] wurde auf Grund des Ermächtigungsgesetzes [3] von der Regierung eingezogen, bevor sie zur Verteilung gelangte. Als Grund des Verbotes wird die Behauptung in dieser Zeitung angeführt, dass die Schweiz an Liechtenstein ein Ultimatum gestellt habe, den Zollvertrag [4] oder das Adlerunternehmen aufzulassen [5]. Erfolge letzteres nicht, so würde der Zollvertrag gekündet werden.
Nun entspricht dies keineswegs der Wahrheit und die Regierung hat gut daran getan, hier einmal Ernst zu machen. Diese Behauptung, so unscheinbar sie sich ausnehmen mag, muss nach und nach eine Unsicherheit des Auslandes gegenüber Liechtenstein auslösen. Beweise haben wir bereits. Die Stabilität politischer und wirtschaftlicher Verhältnisse in Liechtenstein scheint durch diese immer wiederkehrende Behauptung in d. Oppositionspresse in Frage gestellt. Eine Loslösung Liechtensteins aus dem schweizerischen Wirtschaftsverband haben wir schon fortwährend als Unsinn bezeichnet, den man einer verantwortungsbewussten Regierung und Volksvertretung Liechtensteins denn doch nicht zumuten kann. Es liegt auch kein Grund vor, von einer Kündigung des Zollvertrages auch nur am Biertisch zu sprechen. Solche Argumente wurden von einer verantwortungslosen Opposition einst aufgebracht mit der Auflösung der Gesandtschaft usw. Sie wurden vom Abgeordneten [Basil] Vogt sogar in den öffentlichen Landtag getragen, als das Ermächtigungsgesetz denselben passierte. [6] Die Feststellungen im Volksblatt über eine bei den Haaren herbeigezogene Debatte über ein Kapitel, das in so unruhiger Zeit die nähere und weitere Öffentlichkeit sehr in Anspruch nehmen muss, sind nicht umsonst erfolgt. Der Arbeiterzeitung wurde von uns ebenso wiederholt bedeutet, an solchen Dingen nicht zu rütteln, vergebens. Wie in der Freiwirtschaftlichen Zeitung, die mit der Arbeiterzeitung zusammengeheftet in Dornbirn gedruckt wird, die schweizerische Nationalbank, der Bundesrat usw. angegriffen und verdächtigt wurden, so werden andererseits durch solche unwahre Ausstreuungen weitere Kreise in Unruhe versetzt. Eine Zeitung erscheint nicht nur für die Liechtensteiner - diese wissen den Wert solcher Ausstreuungen durch diese Zeitungen zu würdigen - sie wird auch von Ausländern und im Auslande gelesen. Bei einiger Überlegung müsste nun doch jeder zur Überzeugung kommen, dass eine Loslösung unseres Landes aus dem schweiz. Wirtschaftsgebiet ausgerechnet in einer Zeit der Gärungen um uns herum für Liechtenstein ein Verhängnis bedeuten würde. Die Feststellungen der Regierung und des Präsidenten des Landtages [Anton Frommelt] in der letzten Sitzung des Parlamentes, die sich mit der öffentlichen Meinung im Lande voll und ganz decken, sollten endlich genügen, solchen unwahren und das Landesinteresse schädigenden Gerüchten und Aufbauschungen ein Ende zu bereiten.
Seinerzeit, als das Ermächtigungsgesetz im Landtage zur Debatte stand, in deren Verlauf der Abgeordnete Vogt die Vollmachten der Regierung mit einer Kündigung des Zollvertrages ausweiten wollte, wurden Massnahmen der Regierung mit solcher Tragweite selbstverständlich in den Bereich des Parlamentes verwiesen. Regierungschef Dr. [Josef] Hoop äusserte sich, dass es der Regierung niemals einfallen würde, Massnahmen zu ergeifen, von denen sie auch nur die Vermutung hätte, sie könnten vom Landtage nicht vollkommen gebilligt werden. Weshalb gerade eine so schwerwiegende Frage wie die Kündigung des Zollvertrages in den Vordergrund gerückt wurde, in einer Zeit, da solche Gerüchte von verantwortungslosen Elementen der Opposition in die Welt gestreut wurden, war uns schon damals unverständlich.
So hat die Notiz der Arbeiterzeitung, die vollständig aus der Luft gegriffen ist und eine bedeutende Schädigung der vitalsten Interessen des Landes bedeuten kann, die Einziehung dieser Zeitung zur Folge haben müssen. Es ist ohne weiteres klar, dass jedes neues Unternehmen, das den Schweizer Markt im Auge hat oder haben muss, unter der Unsicherheit der Verhältnisse in Liechtenstein dessen Grenzen meiden müsste. Ferner würden hier ansässige Unternehmungen, die durch Jahre hindurch nun in diesen Wirtschaftskreis hineingewachsen sind, das Land verlassen und sich einen Ort suchen, wo stabile Verhältnisse wegleitend sind. Der Kaufmann und jeder Geschäftsmann kann seine Kalkulation gesichert und richtig aufbauen, wenn er mit festen Verhältnissen rechnen kann. Auch aus diesen letztangeführten Gründen ist eine solch unwahre und schon oft dementierte Meldung eine Frivolität gegenüber dem Lande und der Volksgemeinschaft. Wie das Volk das Ermächtigungsgesetz verstanden hat, so wird es auch diese Massnahme der Regierung richtig verstehen und wird sie zu würdigen wissen. Es ist keineswegs gewillt, eine Schreibweise, die über Einnahmen des Staates und über Existenzen im Lande hinwegschreitet, länger zu dulden. In diesem Sinne muss die Massnahme der Regierung vom Samstag begrüsst werden.
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[1] L.Vo., Nr. 74, 27.6.1933, S. 1.
[2] 24.6.1933.
[3] Gesetz vom 30.5.1933 betreffend die Erteilung besonderer Vollmachten an die Regierung, LGBl. 1933 Nr. 8: In Art. 1 erteilt der Landtag der Regierung die Vollmacht zur Vornahme aller Massnahmen, die für die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung sowie zur Wahrung des Ansehens und der wirtschaftlichen Interessen des Landes erforderlich sind.
[4] Vertrag vom 29.3.1923 zwischen der Schweiz und Liechtenstein über den Anschluss des Fürstentums Liechtenstein an das schweizerische Zollgebiet, LGBl. 1923 Nr. 24.
[5] Gemeint ist das Lotterieunternehmen Mutualclub, welches dann 1934 auf schweizerischen Druck aufgelassen werden musste. Vgl. in diesem Zusammenhang das Protokoll der nichtöffentlichen Landtagssitzung vom 28.12.1933 betreffend die Übernahme der schweizerischen Lotteriegesetzgebung (LI LA LTP 1933/138).
[6] Protokoll der öffentlichen Landtagssitzung vom 29.5.1933 betreffend das Ermächtigungsgesetz (LI LA LTP 1933/069).