Die Regierung ersucht die schweizerische Kriegswirtschaftsorganisation um Rohöl für die Evakuierung von Angehörigen der fürstlichen Familie


Schreiben der Regierung an die Sektion Kraft und Wärme des eidgenössischen Kriegs-, Industrie- und Arbeitsamts in Biel [1]

26.2.1945

Sehr geehrte Herren,

Wir nehmen Bezug auf Ihre freundliche Bewilligung zur Entnahme von 350 Liter Rohöl aus dem Lager des Landeswerkes Lawena in Vaduz und die Unterstützung des Ausfuhrgesuches für die Hereinbringung der Familienmitglieder des fürstlichen Hauses von Liechtenstein [2] und gestatten uns neuerlich in der gleichen Angelegenheit an Sie zu gelangen:

Aus begreiflichen Gründen wurde unser Ansuchen um Ausfuhr von 300 Liter Benzin zur Überführung eines Lastwagens von Liechtenstein nach Wien zur Überführung des Gepäckes der Mitglieder der fürstlichen Familie abgelehnt. Es wäre uns nun möglich, einen Lastwagen mit Dieselantrieb zu stellen. Wie Ihnen bekannt ist, sind die Bahnstrecken Feldkirch-Innsbruck-Wien und München-Wien durch die Bombardierung der letzten Tage stellenweise unterbrochen. So ist z.B. die Strecke Wörgl-Innsbruck auf 60 km nicht befahrbar. Auch die Strecke Salzburg-Wien soll unterbrochen sein, sodass die Benützung der Bahn für die in Betracht kommenden 50 Personen nicht in Frage kommt. Andererseits haben die Mitglieder des fürstlichen Hauses nicht unerhebliches Gepäck zu befördern u.a. auch wertvolle Kunstgegenstände.

Wir bitten Sie nun deshalb für den [in] Frage kommenden Lastwagen (Eigentümer ist Willy Gerster in Vaduz) [3] rund 300-350 Liter Rohöl zur Verfügung zu stellen. Die Entnahme könnte ebenfalls wieder aus dem Bestande des Landeswerkes Lawena erfolgen, sodass eine Belastung Ihres Budgets nicht in Frage kommt.

Wir wären Ihnen sehr verbunden, wenn Sie durch die Freigabe des genannten Quantums dem Fürsten von Liechtenstein [Franz Josef II.] ermöglichen würden, seine Familienmitglieder und deren Gepäck hereinzubringen. Wir erlauben uns, Herr Regierungssekretär [Ferdinand] Nigg zu mündlichen Verhandlungen zu entsenden und bitten Sie, seinem Ansuchen ein geneigtes Ohr zu schenken.

Sollte Ihrerseits eine Freigabe des gewünschten Quantums aus den Beständen des Landeswerkes Lawena erfolgen, was wir wohl annehmen dürfen, bitten wir Sie gleichzeitig die Sektion für Ein- und Ausfuhr zu verständigen, damit diese den Grenzposten Schaanwald dahin informieren kann, dass das mitgeführte Quantum Rohöl ausgeführt werden kann.

Bemerken möchten wir noch, dass der Lastwagen gleichzeitig mit dem Omnibus hier abfahren würde und bis Wien eine Strecke von rund 1600 Km hin und zurück überwinden müsste, unter der Voraussetzung, dass der Wagen nicht zu Umwegen gezwungen ist.

Gestatten Sie, sehr geehrte Herren, den Ausdruck unserer vorzüglichsten Hochachtung.

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[1] LI LA RF 227/199/011.
[2] Vgl. dazu auch LI LA RF 227/199/008.
[3] Verm. Alwin Gerster, vgl. LI LA RF 227/199/012.