Zeitungsbericht, nicht gez. [1]
22.04.1926
Die Dummen, die in der Liechtensteiner Klassenlotterie spielten.
Wir haben im „Vorarlberger Tagblatte“ wiederholt darauf verwiesen, dass es in Österreich verboten ist, ausländische Lotterielose zu vertreiben und dass unter Umständen gezogene Treffer vom Staate beschlagnahmt werden. Die Dummen werden bekanntlich niemals alle, und so ist denn wieder eine Anzahl Spielsüchtiger den Liechtensteinern auf den Leim gegangen, zur Freude der Schweizer, die das für die Lose dorthin geschickte Geld eingesteckt haben. Wie das geschah, ist einem Berichte zu entnehmen, den der Züricher Tagesanzeiger in seiner Nummer 89 veröffentlicht hat. Nach diesem hat der verantwortliche Vertreter der Klassenlotterie Liechtenstein, A. W. [Anton Walser] in Vaduz, in Deutschland, in Österreich und in der Tschechoslowakei Lose der Klassenlotterie seines Landes vertrieben. Er empfahl Ende Jänner und anfangs Feber d. J. den Abnehmern, Geldsendungen, Briefe, ferner die Losinterimsscheine an eine Deckadresse in Zürich 6 zu senden, mit der Begründung, die deutsche, österreichische und auch tschechoslowakische Postverwaltung würden die fraglichen Sendungen an die Klassenlotterie in Liechtenstein als mit den Bestimmungen ihrer Lotteriegesetze in Widerspruch stehend, beschlagnahmen. Eine ganze Reihe von Geldsendungen und Korrespondenzen wurde in der Folge an die Deckadresse in Zürich gesandt, so acht Aufträge und 182 Briefe mit 767 Rentenmark [2], 360 österreichischen Schilling, 366 tschechoslowakischen Kronen und 126 Schweizerfranken, die von den schweizerischen Behörden beschlagnahmt werden konnten.
Der Vertreter der Lotterie wurde angezeigt. Er hatte versucht, durch zwei Vertreter, die er nach Zürich schickte, sich in den Besitz der auf die Deckadresse eingegangenen Korrespondenzen und des Geldes zu setzen und stellte wiederholt auch diesbezügliche schriftliche Begehren.
Nun sind in der Schweiz nicht nur ganze Lotterieunternehmungen grundsätzlich verboten, sondern auch jede einzelne Durchführungshandlung einer Lotterie. Darunter fällt selbstverständlich auch die Errichtung von Deckadressen, die der Vermittlung und dem Einzug von Korrespondenzen und Geldern für eine ausländische Lotterieunternehmung dienen sollen. Als unerheblich wurde vom Statthalteramt Zürich die Einrede des Angeklagten bezeichnet, dass mit der vorliegenden Lotterie Schweizer selbst nicht geschädigt werden. In der Schweiz ist aber jede Lotteriehandlung schlechtweg verboten. Der Vaduzer Geschäftsmann, dem dies im voraus nicht unbekannt sein konnte, wurde deshalb der Übertretung des Bundesgesetzes betreffend die Lotterien für schuldig befunden und zu 1000 Franken Strafe verurteilt.
Nachträglich stellte sich heraus, dass ausser der Züricher Deckadresse noch in einer Reihe von Schweizerstädten solche Vermittlungsstellen errichtet worden waren, die der Liechtensteiner Lotterie dienen sollten. In Betracht fallen Stellen in Basel, Aarau, Winterthur, St. Gallen usw. Zum Teil wurden einige Postfächer für die Sendungen gemietet. Die Schweizer Postkreisdirektionen wurden ersucht, die einlaufenden Postsendungen an diese Stellen nicht weiterzugeben, sondern sie uneröffnet an das Statthalteramt in Zürich abzuliefern. Personen, die sich für Vermittlerdienste hergaben, sollen zur Verantwortung gezogen werden. Die Dummen aber, die Geld für Liechtensteiner Klassenlose in die Schweiz geschickt haben, müssen sich über den Verlust trösten und brauchen für den Spott nicht zu sorgen.
______________
[1] Vorarlberger Tagblatt 22.4.1926 (LI LA SgZs 1926).
[2] Rentenmark: grundschuldgestützte Übergangswährung in Deutschland (1923 bis 1948 gültig).