Der Liechtensteiner Verein St. Gallen ersucht den Landtag um die Einführung des Stimm- und Wahlrechts für Auslandliechtensteiner (Eingabe)


Handschriftliches Gesuch des Liechtensteiner Vereins von St. Gallen und Umgebung an den Landtag, gez. Robert Jungwirth (Präsident), Anton Walch und Gustav Matt  [1]

St. Gallen, den 8. Jänner 1919

An den hohen Landtag des Fürstentums Liechtenstein zu Vaduz.

Der ergebenst gefertigte Verein der Liechtensteiner in St. Gallen und Umgebung sieht sich angesichts der bevorstehenden Abstimmung über die Verfassungsänderung in ihrem Heimatstaat veranlasst, an den hohen Landtag mit dem höfl. Gesuche zu gelangen, es sei den im Ausland wohnenden Liechtensteinern, welche im vorgeschrieben Alter und in bürgerlichen Ehren stehen, für die Zukunft das staatliche Stimmrecht zu gewähren.

Die Ausübung dieses Stimmrechts könnte nach unserer Meinung so geregelt werden, dass die in Frage kommenden Auslands-Liechtensteiner jeweils durch die liechtensteinische Presse rechtzeitig von der bevorstehenden Abstimmung in Kenntnis gesetzt würden, damit sie zur bestimmten Zeit in ihrer Heimatgemeinde eintreffen und nach Abgabe eines bürgerlichen Ausweises von ihrem Stimmrecht Gebrauch machen könnten.

Zur Begründung unseres Gesuches erlauben wir uns folgendes anzuführen: Eine im Verhältnis zur einheimischen Bevölkerung stattliche Anzahl Liechtensteiner sind genötigt, ihr Brot im Ausland zu verdienen und deshalb dort nicht bloss periodisch, sondern beständig Aufenthalt zu nehmen. Infolgedessen entgeht ihnen nicht bloss die Nutzniessung der Genuss der Gemeindegüter, sondern auch – was von den meisten am schwersten empfunden wird – jegliche Möglichkeit zur Ausübung ihrer staatsbürgerlichen Rechte. Es ist nun gewiss nicht zu verkennen, dass durch diese Ausschliessung das Interesse für den Heimatstaat bei einer grossen Anzahl Staatsbürger abgeschwächt und mit der Zeit ertötet wird. Dies liegt aber sicherlich nicht im Interesse des neuzeitlichen Staates, dessen Gedeihen nicht zum wenigsten durch die Teilnahm aller Bürger an den öffentlichen Angelegenheiten gefördert wird.

Wir glauben deshalb hoffen zu dürfen, dass unser ergebenes Gesuch in Ansehung dieses Umstandes bei unseren verehrten Landesväter wohlwollende Aufnahme und Unterstützung finden werde, umsomehr, als wir stets bestrebt sind, unsern Leuten durch vaterländischen Lesestoff und durch aufklärende Vorträge das nötige Verständnis für die Angelegenheiten unseres Landes beizubringen.

Wir beehren uns noch, unserem hohen Landtag die Grüsse der hiesigen liechtensteinischen Kolonie zu übermitteln und zeichnen mit

Hochachtung und Ergebenheit

Liechtensteiner Verein St. Gallen[2] 



 

______________

[1] LI LA LTA 1918/L3. Offizielle Vereinsbezeichnung gemäss Briefkopf „Liechtensteiner-Verein von St. Gallen und Umgebung“. Vgl. auch den Bericht im L.Vo. vom 15.1.1919, S. 1 f.
[2] Vereinsstempel: „Liechtensteiner-Verein St. Gallen“.