Landesverweser Leopold von Imhof und die Ortsvorstehung Vaduz können dem Ersuchen des Wiener Malers Franz Paschinger, in den Sommermonaten Aufenthalt in Liechtenstein zu nehmen, angesichts der angespannten Lebensmittelsituation nicht entsprechen


Handschriftliches Konzeptschreiben des Landesverwesers Leopold von Imhof, gez. ders., mit Ergänzungen und Korrekturen, an die Hofkanzlei [1]

16.5.1918  

Hochlöbl. Hofkanzlei!

Mit Beziehung auf den Erlass vom 22. April l. J. Z. 4630 [2] beehre ich mich in der Anlage den Bericht der O.V. [Ortsvorstehung] Vaduz [3] zur geneigten Einsicht vorzulegen, wonach dem Ansuchen des acad. [akademischen] Malers Franz Paschinger in Wien, im kommenden Sommer mit 5 Personen hier Aufenthalt zu nehmen, nicht entsprochen werden kann.

Ich gestatte mir hiezu erläuternd zu bemerken, dass die Lebensmittelversorgung in Liechtenstein nicht centralisiert, sondern gemeindeweise organisiert ist. Die vom Lande beschafften Lebensmittel werden den Gemeinden nach ihrer ermittelten Bewohnerzahl zur Verteilung zugewiesen. Für Milch und Butter hat jede Gemeinde selbst aufzukommen.

Durch jeden Zuzug fremder Personen vermindert sich daher die Quote der bereits Anwesenden. Die Gem. sind demnach ermächtig worden, Fremden behufs Vermeidung einer Kürzung der Kopfquote der Ortsansässigen die Niederlassung zu versagen. Da gegenwärtig die Mehlzuweisungen ausserordentlich herabgesetzt werden mussten und für die nächsten Monate überhaupt in Frage gestellt sind, die Fleischversorgung immer schwieriger zu werden beginnt und nach dem Alpauftrieb auch die Milch und Butter Aufbringung in den letzten Jahren immer nur mit Mühe aufrechterhalten werden kann, erscheint die ablehnende Haltung der Gemeinde Vaduz vollkommen begründet. [4]

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[1] LI LA RE 1918/2091 ad 1960. Reingeschrieben von David Strub am 18.5.1918.
[2] Franz Paschinger hatte sich an Fürst Johann II. mit dem Ansuchen gewendet, ihm und weiteren 5 Personen für die Sommermonate den Aufenthalt Vaduz zu gestatten. Der Landesfürst war nicht abgeneigt, dieser Bitte „gnädigst zu willfahren“, sofern nicht Bedenken lokaler Natur dagegen sprächen, worüber die Regierung zu berichten hatte (LI LA RE 1918/1960).  
[3] Liegt der Akte nicht bei. Vgl. aber LI GAV A 01/263.
[4] Mit Schreiben vom 1.6.1918 an den Fürsten wies Landesverweser Imhof darauf hin, dass das Alpenkurhaus Gaflei wegen der grossen Schwierigkeiten in der Lebensmittelversorgung schon seit Sommer 1916 den Betrieb nicht mehr eröffnet hatte (LI LA RE 1918/2343). Auch die neuerliche Eingabe Paschingers vom 4.6.1918 wurde von Imhof mit Bericht an die Hofkanzlei vom 18.6. abschlägig behandelt (LI LA RE 1918/2630 ad 1960).