Die Beschwerde von Fürst Johann II. gegen die Enteignung seiner Güter wird vom obersten Verwaltungsgericht in der Tschechoslowakei abgewiesen


Artikel der "Reichspost", zitiert in den "Liechtensteiner Nachrichten" [1]

25.6.1929

Die Beschlagnahme der mährischen Liechtensteingüter bestätigt

Wien, 22. Juni. Die Wiener "Reichspost" veröffentlicht in ihrer heutigen Nummer folgendes Telegramm:

Prag, 22. Juni.

Das oberste Verwaltungsgericht hat heute die Beschwerde des verstorbenen regierenden Fürsten Johann II. von Liechtenstein gegen die vom Bodenamt ausgesprochene Beschlagnahme seiner mährischen Güter abgewiesen. Das Gesamtausmass der Liechtensteinischen Güter in Mähren beträgt 160'000 Hektar. Davon wurden ihm auf Grund dieser Entscheidung bloss 157 Hektar mit 22 Schlössern belassen. Fürst Liechtenstein hatte eingewendet, dass er als Regent des souveränen Liechtensteinischen Fürstentums nur formell Inhaber dieser Güter sei, denn es handle sich um Kammergüter [2], deren Ertrag zur Erhaltung des Fürstentums Liechtenstein bestimmt sei.

Anm. d. Red. Es handelt sich bei dieser Abweisung der Beschwerde des inzwischen verstorbenen Fürsten Johann II. von und zu Liechtenstein von Seite des obersten Verwaltungsgerichtes der tschechoslovakischen Republik um den Abschluss einer Angelegenheit, die sich schon jahrelang hinzog. Die Beschlagnahme der fürstlich liechtensteinischen Güter (nebst Gütern und Liegenschaften anderer Aristokraten), soweit sie innerhalb der tschechoslovakischen Republik liegen, ist aus Gründen der Bodenreform ausgesprochen worden. Die beschlagnahmten Güter werden parzelliert und an Kleinbesitzer, in erster Linie wohl an Mitglieder der ehemaligen "tschechischen Legion" [3] verteilt werden.

Wie gross der finanzielle Schaden ist, den die fürstliche Familie durch diese Beschlagnahme erleidet, geht schon aus der Grösse des Gutsbesitzes hervor: Dieser beschlagnahmte Besitz ist nämlich um nicht weniger als 3'000 Hektar grösser als das ganze Fürstentum Liechtenstein und besteht zu weitaus grösserem Teile aus hochwertigem Boden.

Ob mit dieser Bestätigung durch das oberste Verwaltungsgericht diese Angelegenheit rechtskräftig geworden ist, oder ob noch ein weiteres Rechtsmittel gegen die Abweisung der Beschwerde geführt werden kann, ist uns nicht bekannt.

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[1] L.N., Nr. 72, 25.6.1929, S. 1.
[2] Kammergut wird hier gleichbedeutend mit Domänen- oder Krongut verstanden. Im Gegensatz zum frei veräusserbaren Privatbesitz konnte der Fürst nicht frei darüber verfügen, vielmehr war es durch Hausgesetz und Fideikommiss gebunden. Die Ausscheidung von Privatbesitz und Staatsgut war im 19. Jh. eine Streitfrage.
[3] Tschechoslowakische Legionen: im Ersten Weltkrieg aus Tschechen und Slowaken gebildete Militärverbände (bis zu 250.000 Soldaten), die in Frankreich, Italien und in Russland auf Seiten der Entente gegen die Mittelmächte kämpften.