Maschinenschriftliches Schreiben von Landesverweser Prinz Karl von Liechtenstein an den liechtensteinischen Gesandten Prinz Eduard von Liechtenstein in Wien, gez. ders.[1]
5.12.1919
[Der ablehnende Regierungsentscheid vom 5. Dezember 1919][2] wird
der fürstlich liechtensteinischen Gesandtschaft in Wien
mit dem Bemerken zur Kenntnis übermittelt, dass für die Abweisung folgende Gründe massgebend gewesen sind:
- eine Hetze gegen das Bankprojekt, deren erster Ausdruck beiliegende Notiz des Vorarlberger Volksblattes[3] ist; meines Erachtens lohnt es sich nicht, in einem Kampfe eine Sache durchzufechten, für welche sich niemand besonders erwärmt.[4] (Dr. [Martin] Ritter ist der spiritus rector.)
- der wenig geglückte und tatsächlich auch nicht geglückte Bestechungsversuch beim Liechtensteiner Volksblatt[5], der hier ziemlich bekannt geworden ist und der, wenn er in den Zeitungen verwertet würde, keinen sehr günstigen Eindruck machen würde.
- der im Gesuche der Anglo-Bank kundgegebene Plan, die bei der Haupttüre hinausgeworfene Spielbank auf einer Hintertreppe einzuführen.
Der fürstliche Landesverweser
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[1] LI LA RE 1919/5466 ad 3339.
[2] Die Regierung teilte am 5.12.1919 Wilhelm Beck als Vertreter der Anglo-Österreichische Bank in Wien die Ablehnung des Konzessionsgesuchs für eine „Nationalbank des Fürstentums Liechtenstein“ mit. Begründet wurde die Ablehnung damit, dass die Statuten nicht den Landesgesetzen entsprachen. LI LA RE 1919/5466 ad 3339, revers.
[3] "Auslieferung Liechtensteins an die Juden?!", Artikel im Vorarlberger Volksblatt vom 3.12.1919.
[4] Gemeint ist vermutlich die skeptische Haltung von Fürst Johann II. in Bezug auf das Projekt.
[5] Gemeint ist wohl die Geldüberweisung einer Innsbrucker Filiale der Anglo-Bank an das Liechtensteiner Volksblatt. Prinz Eduard erklärte dazu dem Landesverweser am 1.12.1919, dass dies eine „grosse Ungeschicklichkeit“ gewesen sei, da der Betrag für Annoncen der Bank gedacht gewesen sei. LI LA RE 1919/5964 ad 3339.